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Nachricht vom 08.03.2007    

Globalisierung schmackhaft gemacht

"Hier geht es familiär zu, das finde ich sehr schön." Der das am Mittwochabend sagte, war kein geringerer als der Chefvolkswirt der DeKa-Bank (Motto: "Viel zu wissen, heißt vor allem: Wissen, worauf es ankommt"). Dr. Ulrich Kater hat es normalerweise mit anderen Kalibern zu tun. Als Global Player. Und so waren beim Kaufmannsessen - dem 14. - des Wissener Treffpunkts in den Räumen des Autohauses Ortmann auch nicht die Sorgen und Nöte des Mittelstandes Hauptthema, sondern das Schlagwort Globalisierung hielt als Überschrift her, in Worten und über den Grafiken.

Bieschke und Kater

Wissen. Wolf-Rüdiger Bieschke, Vorsitzender des Treffpunkts Wissen, strahlte - alles, was in Wissen und Umgebung Rang und Namen hat, war zum traditionellen Kaufmannsessen gekommen. Zuerst sind natürlich die zu nennen, die der Veranstaltung ihren Namen gegeben haben - die Kaufleute, was den Referenten des Abends, den Chefvolkswirt der DeKa-Bank, Dr. Ulrich Kater, zu der Bemerkung veranlasste: "Sehr schön, dass man mal wieder unter Kaufleuten ist." Dann die, die immer dabei sind, wo sich Menschen ansammeln, die Vertreter der Politik, darunter Landrat Michael Lieber, MdL Thorsten Wehner und 1. Beigeordneter Claus Behner, der den erkrankten Bürgermeister Michael Wagener vertrat. Die Vertreter der Medien nicht zu vergessen, die müsssen. Und mussten sich eine Lehrstunde anhören, was eigentlich Globalisierung ist.


Dabei scheint sich inzwischen auch in höchsten Wirtschaftskreisen herumgesprochen zu haben, dass Globalisierung eigentlich ja nichts wirklich Neues ist. Und laut Joseph Stiglitz, dem Nobelpreisträger und ehemaligen Chefvolkswirt der Weltbank auch nichts gebracht hat: "Die Globalisierung hat weder die Armut verringert noch Stabilität gewährleistet," hat er geschrieben. Als er nicht mehr Chefvolkswirt war. Aber sie ist halt da und Ulrich Kater wusste sie mit launigen Worten zu präsentieren und schmackhaft zu machen - und versuchte, die Angst vor dem vermeintlichen Monster zu nehmen.


Auch wenn der asiatische Aktienindex "ohne Grund" um 10 Prozent gefallen sei, so sei dies kein Crash, kein Grund zur Unruhe, wenn überhaupt, dann sei es nur ein "Minicrash", nahm er Bezug auf die aktuelle Entwicklung. Und: Wir sind wieder dabei, unsere Positionen zu gewinnen: "Wir haben Vertrauen in die Zukunft." Aber, so Kater weiter, globales Handeln und Wirtschaften benötige auch immer wieder Korrekturen, besonders angesichts der großen Sprünge der Kurse in der jüngeren Geschichte. Ein ganz normaler Vorgang also.


Beeindruckend sei hingegen der Aufschwung auch in Deutschland, der derzeit die Herzen der Ökonomen höher schlagen lässt: 2,7 Prozent statt der ursprünglich prognostizierten 1,5 Prozent. Dabei hat man laut Kater unter den meisten Fachleuten wohl nicht damit gerechnet, dass der Export aus deutscher Sicht ein solcher Dauerbrenner bleibt. Ein anderer Quell der Freude ist für den Chefvolkswirt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Immer mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze seien entstanden. Und das Gespenst der Mehrwertsteuer habe sich in Wohlgefallen aufgelöst. Außer für die Autobauer.


Der Grund für den Aufschwung war auch schnell ausgemacht: Das liegt am sich rasant entwickelnden Weltmarkt. Da ist es wie beim Abschwung - der Weltmarkt macht´s, die Globalisierung eben.


Globalisierung kann man aber auch ganz praktisch erklären - etwa beim Weg einer Jeans. Die hat, bevor sie zum Verbraucher kommt, eine regelrechte Weltreise hinter sich: "Das ist die ganz normale Produktion heute" - eine internationale Jeans sozusagen, die die Welt gesehen hat: Griechenland und Kasachstan, Taiwan und die Türkei...Und durch die Finger vieler Menschen gegangen ist, die davon leben müssen.


Aber, so Kater, Globalisierung ist ja nichts Neues. Wir sind jetzt in ihrer dritten Phase, findet er. Vor 100 Jahren etwa sei es gewesen, als die erste Welle ausgemacht wurde: "Da haben wir das gemacht, was heute die Chinesen machen." Da nutzten wir Deutschen nämlich unsere Lohnposition als damaliges Billiglohnland aus, um ins Geschäft zu kommen. "Made in Germany" habe damals für die führenden Briten geheißen: "Vorsicht, deutsches Billigprodukt." Und das Spielchen gehe heute weiter. So hätten die Amerikaner große Angst vor Dienstleistern aus Indien.


Auch uns Exportweltmeistern zog Kater den Zahn. Das werde bald vorbei sein. Vielleicht schon im nächsten Jahr. Dann stehen die Chinesen an der Spitze und die, so der Chefvolkswirt, werden diese Position so bald nicht mehr hergeben. Aber, so Kater beruhigend, "das ist aus ökonomischer Sicht nicht schlimm." Man muss schließlich nicht Exportweltmeister sein. Luxemburg, Belgien und die Niederlande beispielsweise sind´s ja auch nicht und trotzdem geht es den Menschen dort gut. Oder: "Man muss nicht das größte Stadion haben, um gut zu spielen." So einfach kann Volkswirtschaft sein.


Gewinner/Verlierer: Natürlich - und das können auch Ökonomen, die am liebsten mit Zahlen spielen, nicht leugnen - gibt es auch Verlierer im globalen Spiel. Dass heutzutage jemand ohne ausreichende Qualifikation kein angenehmes Leben im Rahmen der Standards einer Gesellschaft haben kann, versteht sich. Deshalb müsse hier der Hebel angesetzt werden. Dennoch sieht Kater vor allem im Konsumenten den großen Gewinner der Globalisierung: Viele Güter seien heute so billig wie nie zuvor erträumt. Ob die, die sie herstellen, noch Träume haben?


Worauf wir uns einstellen müssen. Dass China und Indien als Supermärkte fast gleichzeitig ins globale Spiel eingegriffen haben wie auch die osteuropäischen Länder, das ist laut Kater reiner Zufall, aber "das wird das Gesicht der Welt verändern."


Was die Globalisierung auch bewirkt. Zurzeit gebe es das größte Wachstum seit 30 Jahren, sagte Kater, denn die Globalisierungswellen gingen mit einem verstärkten Wachstum einher. Und das werde so weitergehen: "Wir treten in einen langen Wachstumszyklus ein." Nicht sieben, viele fette Jahre, meint der Ökonom.


Auch die Umweltproblematik angesichts des rasanten Wachstums vor allem im fernen Asien sprach Kater an. Hier müsse man verstehen, dass auch wir, was das Umweltverhalten betrifft, erst hätten lernen müssen. Auch China werde diesen Prozess durchmachen, "aber es ist noch nicht soweit." Aber: Während die entwickelten europäischen Länder beispielsweise hierfür 100 Jahre gebraucht hätten, prognostizierte Kater den Chinesen beispielsweise gerade mal 40 Jahre. Unsere Ära ist erheblich schnelllebiger.


Handlungsbedarf sieht Kater nach wie vor beim Arbeitsmarkt, aber er glaubt, dass die Arbeitslosenquote nicht mehr entscheidend reduziert werden kann. Der Grund: Es gebe einfach Bereiche, wo keine neuen Arbeitsplätze mehr entstehen können. Mindestlöhne lehnt der Chefvolkswirt ab: "Sie sind keine Lösung." Zugleich macht er sich für den Kombilohn stark, dann könne man die Quote unter sechs bis sieben Prozent senken. Kombilohn, das heißt, der Staat schießt zu, was beim prekären Arbeitsverhältnis noch zum Überleben fehlt, oder, wie Kater es im Januar vergangenen Jahres in der Financial Times Deutschland formulierte: "Zu einer wirklichen Wende am Arbeitsmarkt wird es erst kommen, wenn die hohe Arbeitslosigkeit im Niedriglohnsektor abnimmt." Damit hat der Staat auch für Globalisierer noch einen Sinn.


Gefragt wurde beim Kaufmannsessen auch noch, bevor es ans Büffett ging: Wann kommt das Wachstum, sprich der Aufschwung, beim Handwerk, beim Mittelstand an. Da sieht Kater ein kleines Problem: Die Konsumnachfrage ist noch zu gering. Deshalb sei der Aufschwung noch nicht in der Breite angekommen, die Kaufkraft reiche noch nicht aus, aber, da mit Lohnabschlüssen so um die vier Prozent zu rechnen sei, sieht der Chefvolkswirt auch hier Licht am Ende des Tunnels: "Das wird die Binnenkonjunktur ankurbeln." Für die Handwerker heißt das, noch ein wenig Geduld zu haben - bis 2008, meint Kater.(rs)


xxx



Treffpunkt-Vorsitzender Wolf-Rüdiger Bieschke (links) begrüßte beim 14. Wissener Kaufmannsessen den Chefvolkswirt der DekaBank, Dr. Ulrich Kater. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Kreissparkasse Altenkirchen. Foto: Reinhard Schmidt



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