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Nachricht vom 20.02.2008    

Typen mit Ecken und Kanten

Eine Rekordbeteiligung hatte die Vernissage zur August-Sander-Ausstellung im Kreishaus in Altenkirchen. Dort sind 130 Aufnahmen des in Herdorf geborenen Fotografen, der vor allem durch seine Portraits weltberühmt wurde, zu sehen.

thorbecke

Altenkirchen. Er ist weltbekannt, zählt neben Friedrich Wilhelm Raiffeisen zu den prominentesten Westerwäldern und prägt die Geschichte der Fotographie bis heute mit: Bis zum 4. Mai sind 130 Fotographien August Sanders in der Kreisverwaltung zu sehen. Schon die Vernissage verzeichnete einen enormen Zuspruch.
Was wohl August Sander gesagt hätte zu all den Fotografen, die anlässlich der Vernissage zur Ausstellung "August Sander - Menschen und Landschaften zwischen Sieg und Westerwald" im Kreishaus unterwegs waren und Besucher wie Redner ablichteten? Es kann nur spekuliert werden. Denn die ständige Verfügbarkeit, die vermeintliche Einfachheit des Fotografierens nimmt heute ein Stück weit den Reiz, sich wirklich mit Motiven auseinandersetzen.
Die Arbeit August Sanders und damit die Ausstellung mit 130 Aufnahmen in der Reihe "Kunst & Kultur im Kreishaus" definiert sich aber genau über diese Auseinandersetzung. Dabei, so Landrat Michael Lieber, der über 160 Gäste begrüßen konnte, seien "die Photos keine nostalgische Verklärung. August Sander hat den Menschen und Landschaften im Westerwald und an der Sieg mit seiner Kamera ein unverwechselbares Profil gegeben." So strahlten die Menschen Glanz aus in einer Zeit, "die alles andere als glänzend war." Sander sei ein Glücksfall für die Geschichte und die kulturellen Wurzeln des Kreises. So stehen die Aufnahmen des Herdorfer Ehrenbürgers, die Menschen mit Ecken und Kanten, "Typen mit Profil und einer Haltung und die Schönheit der Landschaft" zeigen, im Gegensatz zu den bunten und kurzlebigen Bildern der Moderne und ihren kurzlebigen Modetrends. Trotzdem könne Sander, der nach Lehr- und Wanderjahren 1911 in Köln sein Atelier eröffnete, "bei der Suche einer Region nach ihrer Identität im 21. Jahrhundert helfen", so der Landrat. Er appellierte insbesondere an die Schulen, die Angebote des Kulturbüros des Kreises zu nutzen und sich mit dem Werk Sanders auseinanderzusetzen, auch in dem vom Kreis ausgelobten.
So bedeutend die Arbeit Sanders für die Geschichte der Photographie ganz allgemein ist, so wichtig sind die Photographien von Motiven aus der Region für die heute hier Lebenden, gibt es doch nicht wenige, die mit den Aufnahmen Anekdoten der eigenen Familiengeschichte oder des eigenen Wohnortes verbinden. Ermöglicht wurde die Durchführung der gemeinsamen Ausstellung mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur aus Köln durch Unterstützung der Kreissparkasse Altenkirchen (KSK) und der Provinzial Versicherungs-AG, deren Vertreter Lieber im Kreishaus begrüßen konnte. KSK-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Reingen fasste in seinem Grußwort die Verdienste Sanders, der schon als 14-Jähriger Gefallen am "Wunderkasten" fand, in einem Zitat Friedrich Dürrenmatts zusammen: "Das Wesen des Menschen bei der Aufnahme sichtbar zu machen, ist die höchste Kunst der Fotographie." Ohne seine Fotos, so Reingen, "müssten wir unser Wissen über unsere Vorfahren, ihren Typus und die Schönheit der unberührten Landschaft zu jener Zeit aus trockenen schriftlichen Geschichtsquellen schöpfen." Wie der Landrat dankte auch Reingen Gabriele Conrath-Scholl und Rajka Knipper von der Photographischen Sammlung/SK Kultur für die wissenschaftliche Begleitung der Ausstellung.
Conrath-Scholl knüpfte an Reingens Dürrenmatt-Beschreibungen der Sander-Werke an: "Sein Ziel richtete sich bereits in der Frühzeit auf die Realisierung von möglichst lebenswahren Bildnissen, sprich darauf, die jeweilige Charakteristik eines Menschen mittels genauer Beobachtung von Gestik, Handhaltung und Umgebung treffsicher darzustellen", meint die Wissenschaftlerin. Sie erinnerte daran, dass die Aufnahmen Teile von Sanders Porträtprojektes "Menschen des 20. Jahrhunderts" waren, eine Leitidee des Fotographen, die er bis zu seinem Tod immer wieder überarbeitete und die zu einem "facettenreichen Spiegel der Zeit" wurden. Insgesamt sieben Bände plante er für dieses Projekt. Als Vorschau darauf plante er 1929 das "Antlitz der Zeit", damals geschätzt "wegen der klaren, allein die fotographische Reproduktion betonende Gestaltung." Sander habe damals unterschiedliche Kräfte innerhalb der Weimarer Republik gekonnt ins Bild gesetzt. Leider kam es aufgrund der wachsenden Macht der Nationalsozialisten nicht zur Veröffentlichung. Das "Antlitz der Zeit" wurde 1936 sogar beschlagnahmt. Sander konnte jedoch noch während des Krieges wichtige Teile seines Werkes von Köln zu seinem späteren Wohnort Kuchhausen schaffen.
Aus Köln war auch Michl Thorbecke in den Westerwald gekommen. Der Schauspieler des NN Theaters sorgte im Wechsel mit dem Akkordeon-Ensemble der Kreismusikschule für kurzweilige Unterhaltung. Dabei bewies er außergewöhnliche musikalische Fähigkeiten auf seinem zur Posaune umfunktionierten Staubsauger.
Das Kulturbüro des Kreises und die Kreisvolkshochschule, denen die Redner ausdrücklich für die umfassenden Vorbereitungen der Ausstellung dankten, haben ein Begleitprogramm zur Ausstellung zusammengestellt, die bis zum 4. Mai läuft. Dabei bürgt schon jedes einzelne Angebot für höchste Qualität: So wird der Herdorfer Künstler Gerhard Junglas am Sonntag, 24. Februar (11 Uhr), seine Übersetzung von "Three farmers on their way to a dance" vom US-Autor Richard Powers lesen, in Anlehnung an Sanders weltberühmte "Jungbauern" aus dem Jahr 1914. Am Sonntag, 9. März (11 Uhr), lädt die Kreismusikschule zu einer Konzert-Matinée zum Thema "August Sander und seine musikalischen Vorlieben" ein. Die Kreisvolkshochschule bietet zudem über 20 fachkundige Führungen an, jeweils sonntags ab 14 Uhr und ab 15.30 Uhr. Anmeldungen zu diesen Sonderveranstaltungen und den Führungen nimmt die Kreisvolkshochschule entgegen (Telefon 02681/81 22 11 oder E-Post kvhs@kreis-ak.de). Der begleitende Ausstellungskatalog kostet 15 Euro und ist beim Info-Punkt der Kreisverwaltung, den örtlichen Buchhandlungen sowie in den Geschäftsstellen der Kreissparkasse erhältlich.
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Foto: Der Schauspieler Michel Thorbecke (Köln) und das Akkordeon-Ensemble der Kreismusikschule Altenkirchen sorgten für eine stimmungsvolle und kurzweilige Eröffnung.


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