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Nachricht vom 27.07.2013    

Rund 1800 demonstrierten in Herdorf gegen Zwangsfusion

Herdorf, die verbandsfreie Stadt, zeigte Geschlossenheit und ging zum Protest gegen die Kommunalreform auf die Straße. Rund 1800 Menschen waren am Freitag dem Aufruf zur Demonstration trotz der schwülen Hitze gefolgt. Bürgermeister Uwe Erner machte unmissverständlich klar, dass man in Herdorf nicht zum Spielball für Politstrategen aus Mainz werden will und bis vor das Verfassungsgericht gehen werde.

Rund 1800 Menschen demonstrierten in Herdorf gegen die Eingliederung und formierten sich zur Kundgebung vor dem Hüttenhaus. Fotos: anna

Herdorf. Die Teilnahme an der Demonstration gegen die geplante Kommunalreform war groß und das trotz Urlaubszeit und der Tatsache, dass viele derzeit verreist sind. Mit Trillerpfeifen und Tröten zogen die Bürgerinnen und Bürger der verbandsfreien Stadt vom Schulhof der Grundschule durch die Schneiderstraße und Hauptstraße hin zum Marktplatz vor dem Knappensaal um für die Selbständigkeit ihres Ortes zu demonstrieren.

Es war schon ein beeindruckendes Bild das sich da bot. Groß und Klein, Alt und Jung wanderte in friedlicher Eintracht für ein gemeinsames Ziel durch das Städtchen. Herdorfer aus vier Generationen vom Kind bis zu den Urgroßeltern wollten ihrer Forderung Nachdruck verleihen und ihrem Unmut mit friedlichem Protest Luft machen. Plakate mit „Zwangsfusion – Nein Danke!“, „Wir sind das Volk“, „Ich will kein Hahnengel sein“ oder „Und Herr Lewentz, was machen Sie nach der Wahl?“ und andere waren da zu lesen.
Die Domspatzen sehen in der geplanten Zwangseingliederung sogar einen Akt gegen die Völkerverständigung. Prominente Schützenhilfe für ihr Anliegen erhielten die Herdorfer nur von MdB Erwin Rüddel und MdL Michael Wäschenbach (beide CDU), sonst traute sich keiner. Es dauerte schon etwas, bis die große Schar der Demonstranten sich auf dem Marktplatz versammelt hatte und trotz der großen Hitze harrten alle in der Sonne aus.

Peter Schlosser, der die anschließende Kundgebung moderierte schätzte die Teilnehmerzahl auf 1600 bis 1800 Personen. Er trug in Erinnerung an den Heimatdichter Franz Zöller eines von dessen Gedichten vor aus dem Jahr 1955 welches Zöller anlässlich der Amtsloslösung von Herdorf aus der Verbandsgemeinde Daaden damals verfasst hatte. Das neu verfasste Lied mit dem Titel „Mir sejn mir“ wurde vom Band abgespielt, die Interpreten waren noch nicht ganz textsicher, da das Lied erst einige Tage alt ist.

Ehrenbürger Erni Schlosser hatte wie schon bei der Einwohnerversammlung, das Privileg erster Redner zu sein. Es sei gut, dass so viele gekommen wären. Dies zeige, dass die Herdorfer, wenn es darauf ankomme an einem Strang ziehen. Schlosser hielt einen kurzen geschichtlichen Rückblick.
Im Jahr 1816 sei Herdorf dem Amt Daaden zugeschlagen worden. Bis 1955, also 139 Jahre hätte Herdorf als Milchkuh für die Daadener herhalten müssen. Wenn es um Entscheidungen gegangen wäre, hätten die elf Ortsgemeinden des Amtes Daaden die Herdorfer stets überstimmt. Dies drohe uns nach einer Zwangseingliederung in die Verbandsgemeinde Daaden wieder. Sieben Anträge habe es in den 139 Jahren von Herdorfer Seite gegeben, um endlich die Eigenständigkeit zu erlangen. Eine über Jahrhunderte gewachsene Struktur wie die in Herdorf könne man nicht einfach umformen, so Schlosser.
Veränderungen sollten einer Verbesserung dienen, nicht der Profitgier. Schlosser fordert Menschlichkeit vor Recht ergehen zu lassen. Bei einer Eingliederung würden sich Generationen von Verstorbenen in ihren Gräbern umdrehen. Abgeordnete zeigten ihre wahre Größe indem sie auch einen Irrtum zugeben würden. „Herr Lewentz, lassen Sie Einsicht und Vernunft Sieger sein – das walte Gott“.

Die Domspatzen, seit Jahrzehnten den Herdorfern durch ihre karnevalistischen Auftritte bekannt, stimmten zur Freude aller Demonstranten einige ihrer Herdorfer Lieder an. An die Adresse des Innenministers Roger Lewentz gerichtet äußerten sie ihr Bedauern darüber, dass mit den Herdorfern noch keiner von der Landesregierung gesprochen habe.
„In Mainz wird über unsere Köpfe hinweg irgendetwas entschieden, was uns alle betrifft“. Entsprechend bissig war auch einer ihrer Liedtexte. Die Domspatzen erinnerten an die erreichten Erfolge in der Stadt, das restaurierte Hüttenhaus, das neue Industriegebiet, Seniorendorf und Feuerwehrhaus, sowie vieles mehr. „Wir brauchen keine Reform, wir sind auch so enorm in Form. Als Städtchen sind wir zwar klein, wir schaffen es auch ganz allein“.



Mit einem ihrer älteren Lieder über das Städtchen haben die Domspatzen schon vor einigen Jahren die Haltung der Herdorfer zu ihrem Ort besungen. „He Herdorf, Stadt im Hellertal. He Herdorf dich gibt`s nur einmal. Du bist `ne Stadt mit Herz und Ziel. He Herdorf, du bist mein Gefühl. Das sangen dann die Leute auf dem Marktplatz auch gerne mit.

In einem kurzen Interview ließ Peter Schlosser auch die beiden Fraktionssprecher des Stadtrates zu Wort kommen. Hans-Georg Sayn (SPD) meinte, dass nun in Mainz die Türen wieder aufgehen müssten, dort sollte man die Herdorfer nicht unterschätzen. Uwe Geisinger (CDU) zeigte sich guter Dinge auch in 2014 noch in einer verbandsfreien Stadt Herdorf zu leben.

Bürgermeister Uwe Erner machte zu Beginn seiner Abschlussrede sich persönlich Luft Richtung Daaden. Hans-Artur Bauckhage habe sich zu der Äußerung verstiegen, dass Erni Schlosser sich aus der Politik heraushalten solle, da er davon nichts verstehe. Eine solche Äußerung, fand Erner, stehe Bauckhage nicht zu, wofür er viel Applaus von den Demonstranten erntete.

Erner erinnerte nochmals an all die Leistungen, die in Herdorf seit 1955, trotz verschiedener Krisen, erreicht worden wären. „Da wurden zwei im Streit geschieden und sollen nun wieder zwangsverheiratet werden. Wo gibt es denn so was?“ Das größere Bundesland NRW mit viel mehr Einwohner als Rheinland-Pfalz, habe eine schlankere Regierung, so Erner, vielleicht sollten die in Mainz mal bei sich selbst anfangen. „Wir wollen kein Spielball politischer Strategie werden“.

Bürgernähe bedeute Teilhabe an politischen Entscheidungen, die wolle man Herdorf nehmen. An die Landesregierung in Mainz sagte Erner: die hätten ihre Segel falsch gesetzt. Das Boot werde sein Ziel nicht erreichen, das Kentern sei vorprogrammiert. Keiner hier wolle die Fusion. Das Ziel sei ein eigenständiges und selbstbestimmtes Herdorf. Dies werde man zur Not auch vor dem Verfassungsgericht erstreiten.
Zu guter Letzt sangen alle gemeinsam „Herdorf blejft alleen“. Von der Möglichkeit der Unterschriftenabgabe gegen die Zwangsfusion machten anschließend viele Demonstranten Gebrauch. (anna)
Kommentar:
Herdorf zeigte mit der Demonstration von rund 1800 Menschen: Wir wollen und werden uns nicht beugen! Wir verlangen eine demokratische Entscheidung, bei der die Bürgerschaft entscheidet. Das ist die Kernaussage der Demo in Herdorf – mag sie auch noch so emotional, satirisch und humorvoll formuliert gewesen sein.

Das Wort Basisdemokratie scheint in Mainz niemand mehr zu kennen, obwohl die dort regierenden Parteien es einst kreierten. Wie dumm müssen Politiker sein, die den Bürgerwillen – also ihre Wähler – einfach ignorieren?

Die Herdorfer zeigten deutlich: Wir sind nicht nur „Stimmenvieh“ für die nächste Wahl! Wir wollen die Demokratie und demokratische Entscheidungen.

Mit der Demo und den Protesten zeigte die Bevölkerung ihre historisch gewachsene Tradition und Verantwortung, die kann und sollte Mainz nicht ignorieren. Auch bei allem Sparwillen, beim Bürokratieabbau und den angeblichen weitsichtigen Prognosen in die Zukunft, die Politik sollte endlich erkennen: ohne die Bürger geht es nicht!
Politik zum Selbstzweck und Machterhalt: Im Städtchen an der Heller läuft das nicht! Auch ein Ergebnis der Demo.
(Helga Wienand-Schmidt, Redaktion AK-Kurier)


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