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Nachricht vom 08.11.2014    

Josef Zolk: Persönliche Erinnerung an den 9. November in Berlin

Der 25. Jahrestag zum Fall der Berliner Mauer wird gefeiert. Der Bundestag hat bereits eine Sondersitzung abgehalten, eine Kunstinstallation wurde geschaffen und vieles mehr wird bis Sonntag, 9. November stattfinden. Dieser Schicksalstag der Deutschen ist überall präsent, viele Menschen erinnern sich an diesen Tag. So auch Bürgermeister Josef Zolk aus Flammersfeld.

Bürgermeister Josef Zolk erinnert sich an den 9. November. Foto: pr

Flammersfeld. Der 9. November 1989 ist in die Geschichte eingegangen, nicht nur in Deutschland. Bürgermeister Josef Zolk hat an diesen Tag besondere Erinnerungen, die er für den AK-Kurier niederschrieb.
Hier der Bericht:
"Die ZDF-Nachrichten kurz nach 19 Uhr mit der Mitteilung von Günter Schabowski „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich.“ sah ich noch zu Hause in Koblenz, unmittelbar bevor ich zum Flughafen nach Frankfurt fuhr, um mit einer Abendmaschine nach Berlin zum Kongress „40 Jahre politische Bildung in der Demokratie“ der Bundeszentrale für politische Bildung zu kommen. Einordnen konnte ich diese Schabowski-Meldung zu diesem Zeitpunkt nicht.

Der Kongress tagte im Reichstagsgebäude am Brandenburger Tor und sollte sich in Vorträgen, Foren und Diskussionen mit der politischen Bildung in der Bundesrepublik und ihrem Beitrag für die Entwicklung des demokratischen Staatswesens in der Bundesrepublik beschäftigen.

Von Tegel aus versuchte ich in die Innenstadt zu kommen. Der Taxifahrer berichtete, dass er den Eindruck habe, an einigen Stellen sei die Mauer geöffnet worden, er wisse aber auch nichts Genaues. In den Radionnachrichten, die wir im Auto auf der Fahrt in die Stadt hörten, überschlugen sich die Meldungen. Freude und Befürchtung, Unsicherheit und Jubel lösten sich ab. Je näher wir der Innenstadt kamen, desto stärker wurde der Verkehr, erste Trabis kamen uns geradezu als Korso entgegen, weit vor dem Kudamm war der Straßenverkehr schon gänzlich zusammengebrochen, zu Fuß suchte ich den Weg zum Hotel.

Unbekannte Menschen fielen sich in die Arme, Tränen der Freude waren überall sichtbar. Und doch war auch eine große Unsicherheit da. Wie geht es weiter, was bedeutet das alles? Was ist morgen? Überall bildeten sich Menschengruppen, überall Freude und Fragen.

Ich bezog mein Hotel um Mitternacht und machte mich auf zum Brandenburger Tor, zwischenzeitlich war der Verkehr völlig zusammengebrochen. Die Stadt war im Aufbruch. Überall Lieder wie „Dona nobis pacem“ oder „Auf der Mauer, auf der Lauer sitzt ne kleine Wanze“,, die die Nacht durch selbst die Motorengeräusche der Trabis übertönten. Vor der Mauer am Brandenburger standen die Menschen in dichten Reihen, Menschen standen bereits auf der Mauer, die aber zwischendurch auch wieder durch die Volkspolizei geräumt wurde. Kaum hatte sich die Volkspolizisten zurückgezogen, standen wieder Menschen auf der Mauer. Auch die zwischendurch eingesetzten Wasserwerfer der Grenzpolizisten waren nur vorübergehend „erfolgreich“. Zu meiner Freude traf ich Kollegen aus der „politischen Bildung“, gemeinsam und mit Unterstützung wildfremder Menschen „besetzten“ auch wir die Mauer.



Die Nacht verging im Fluge, der Kongress begann mit der Eröffnungsrede, danach zogen viele von uns es vor, politische Bildung life zu erleben und uns nicht vorgefertigten Referaten aus zu setzen, die die Lebenswirklichkeit nun wahrlich nicht mehr widerspiegeln konnten. So erlebten wir, wie am 10. November immer mehr DDR-Bürger zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den Trabis nach Westberlin kamen, Gespräche zeigten die Freude, aber auch die Unsicherheit, wie es weitergeht. Angst und Jubel neben einander. Gefühlswelten brachen auf, überall Diskussionen, überall Hoffnung und Bangen, Zuversicht und Ratlosigkeit.
Zwischen all den Begegnungen, immer wieder auch die Teilnahme am Kongress, die Referenten konnten einem Leid tun.

Inzwischen zeigen sich die Volkspolizisten nicht mehr auf der Mauer, sie war fest in der Hand der Bürger, Mauerspechte schlugen Löcher in den „Antifaschistischen Schutzwall“, der seine Funktion über Nacht verloren hatte.

Viele Westberliner und Bundesdeutsche nutzten die Möglichkeit, nach Ostberlin zu gehen, mir selbst fehlte nach einer Einreisewarnung für mich durch das Bundesinnenministerium der Mut. Erst im Dezember reiste ich dann in das Gebiet der DDR ein.

Am 10. November nahm ich an der Kundgebung am Schöneberger Rathaus, zu der der Westberliner Senat aufgerufen hatte, teil. Helmut Kohl, der seinen Staatsbesuch in Polen für diesen Besuch unterbrochen hatte, und Willy Brandt sprachen. Eröffnet wurde die überfüllte Kundgebung vom Regierenden Bürgermeister Walter Momper. Gut erinnere ich mich daran, wie aus vielen DDR-Autos Fähnchen und Trillerpfeifen verteilt wurden. Die Trillerpfeifen fanden ihren Einsatz vor allem bei der Rede von Bundeskanzler Kohl.

Am 11. November flog ich zurück. Das Zusammentreffen der „politischen Bildner“ sollte bald darauf an vielen Stellen Früchte tragen. Mit einigen Kollegen, die sich in diesen Novembertagen in Berlin trafen, haben wir dann einen Grundkurs Politik weiterentwickelt, der in mehreren Ländern der dann ehemaligen DDR zum erfolgreichen Einsatz kam.

Insgesamt: Ich war mir sicher, eine Zäsur der Geschichte direkt miterlebt zu haben. Immer, wenn ich am Brandenburger Tor stehe, erinnere ich mich an diese Novembertage".


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