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Nachricht vom 16.05.2009    

"Wir brauchen ein neues Bild vom Alter"

Ein wenig enttäuscht war Werner Neuhaus schon. Der Vorsitzende des Seniorenbeirats im Kreis Altenkirchen hätte sich für den ersten "Tag der Senioren" am Samstag in der Betzdorfer Stadthalle ein wenig mehr Interesse seitens derer gewünscht, um die es ging - die älteren Mitbürger. Dennoch kann die Aktion als ein gelungener Anfang bezeichnet werden: Es gab jede Menge Information um das Thema alt werden und Leben im Alter, worüber Seniorengruppen und -verbände, Selbsthilfegruppen und Gesundheitsdienstleister berichteten. Und einen Festakt am Morgen und einem folgenden Rahmenprogramm am Nachmittag.

Betzdorf/Kreis Altenkirchen. Zahlreiche Ehrengäste begrüßte der Vorsitzende des Seniorenbeirat des Kreises Altenkirchen, Werner Neuhaus, am Samstag Mittag in der Betzdorfer Stadthalle. Sie waren gekommen, um ihren Beitrag zum ersten Tag der Senioren im Kreis Altenkirchen beizusteuern. Darunter waren Staatssekretär Christoph Habermann vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauien in Mainz, Landrat Michael Lieber, 2. Kreisbeigeordneter Christopher Becher, veranstwortlich für Soziales, die Landtagsabgeordneten Dr. Peter Enders, Dr. Matthias Krell und Thorsten Wehner, den Vorsitzenden der Landes-Senioren-Vertretung, Hermann-Hartmut Weyel, und Gastgeber Bürgermeister Bernd Brato. Durch das Programm des Vormittags führte Pastor i.R. Rudolf Steege. Mitveranstalter war das Netzwerk "Wäller Gesundheit", unterstützt wurde die Veranstaltung von der Kreissparkasse.
Neuhaus sagte in seiner Ansprache, Altwerden bedeute nicht zwangsläufig pflegebedürftig sein. Sinn des Tages der Senioren sei, Möglichkeiten für alte Menschen aufzuzeigen, wie sie ihren Lebensabend gestalten können. Neuhaus: "Dieser Tag soll ein Tag des Austausches und der Anregungen sein." Und: "Der Seniorenbeirat ist keine Konkurrenz zu bestehenden Einrichtungen."
Landrat Michael Lieber sagte, Daten und Fakten bewiesen: "Wir sind eine alternde Gesellschaft." 20 Prozent der Bürger im Kreis Altenkirchen seien inzwischen 60 Jahre und älter. Deshalb sei es nun an der Zeit zu handeln und sich den dadurch entstehenden Herausforderungen zu stellen. Der Kreis Altenkirchen wolle ein familienfreundlicher Kreis sei, dazu gehörten auch die Senioren, sagte der Landrat. Als gute Beispiele nannte Lieber die sogenannten Mehrgenerationen- oder Familienhäuser und die fünf Pflegestützpunkte im Kreis. Die Devise bei der Pflege müsse zudem lauten: "Mehr ambulant als stationär." Inzwischen gebe es im Landkreis mehr als 50 Seniorenkreise, deren Arbeit unverzichtbar sei. Als leuchtendes Beispiel nannte Lieber den Betzdorfer Altenschutzbund "Solidar".
Bürgermeister Brend Brato rief die Alten zur aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf: "Mischen Sie sich ein, nehmen Sie teil an der Gesellschaft, betätigen Sie sich politisch und in den Vereinen."
In seiner Festrede sagte Staatssekretär Christoph Habermann, es gebe inzwischen 75 Seniorenbeiräte in Rheinland-Pfalz. Und der im Kreis Altenkirchen gehöre darunter zu den Aktivposten. Das Alter sei heute anders als vor 30, 40 oder 80 Jahren. Alte Menschen seien mobiler, aktiver und gesünder geworden. "Deshalb brauchen wir ein neues Bild vom Alter", sagte Habermann. Nicht Defizite im Alter sollte man in den Vordergrund stellen, sondern die Chancen erkennen für jeden einzelnen alten Menschen, länger aktiv zu bleiben und länger sein Leben bewusst gestalten zu können. Und die Alten hätten der Gesellschaft schließlich auch etwas zu bieten, was man in keiner Schule lernen könne - einen reichen Schatz an Lebenserfahrung, was leider noch nicht genügend geschätzt und genutzt werde.
Eine gute Politik für ältere Menschen sei im Interesse der gesamten Gesellschaft, sagte Habermann. Gefährlich sei der Versuch gewisser Kreise gewesen, Alt und Jung gegeneinander auszuspielen. Er bezeichnete es als unverantwortlich, wenn der EX-Bundespräsident Roman Herzog in einem Bild-Interview vor der Gefahr einer "Rentner-Demokratie" gewarnt habe. Habermann: "Das ist in der Sache falsch." Denn in jeder Gesellschaft sei es schließlich so, dass die aktiv Arbeitenden den Lebensunterhalt für die, die noch nicht oder nicht mehr arbeiten, erwirtschaften. Habermann erinnerte daran, dass noch nie soviel geerbt worden sei wie in diesen Zeiten und wohl auch in der Zukunft werde dies so bleiben. Das heiße, die jüngere Generation profitiere von der Lebensleistung der heute Alten. "Sieht so die Ausplünderung der jüngeren Generation aus?", fragte Habermann. Aber auch jenseits des Erbschaftsfalles gebe es erhebliche Transfers von Alt zu Jung und wenn es nur ein Zuschuss zum Taschengeld oder das Auto "Sponsored by Oma" sei.
Habermann sagte, man dürfe nicht die Jungen gegen die Alten ausspielen, auch wenn es sicherlich Interessenkonflikte gebe. Was man brauche, sei Generationen-Solidarität. Wichtig seien sichere Renten, das Problem aber, dass diese nur über einen ausreichend hohen Lohn für alle gewährleistet werden könne. Habermann: "Manche haben viel zu viel, manche viel zu wenig." Wichtig seien auch gute Bildung und Ausbildung und Arbeit für die junge Generation. Habermann: "Nur wenn die jungen Arbeit haben, können sie auch Rentenbeiträge bezahlen." Es müsse dafür gesorgt werden, dass man sich auch in Zukunft auf die umlagefinanzierte Rente verlassen könne. Wie wichtig dies sei, zeigten die ins Schlingern geratenen Rentenfonds in nicht wenigen Ländern. Habermann sagte, Arbeit müsse anständig bezahlt werden. Deshalb sei ein allgemeiner Mindestlohn notwendig. So könnte der Altersarmut vergebeugt werden. "Der Lohn von heute bestimmt die Rente von morgen", sagte Habermann. Deshalb sei die Einführung eines Mindestlohns auch im Interesse der jüngeren Generation.
Habermann sprach sich dafür aus, im Pflegefall die alten Menschen, wenn möglich, in ihrer gewohnten Umgebeung zu betreuen. Auch Habermann plädierte: "Es muss gelten ambulant vor stationär." Deshalb seien auch die Pflegestützpunkte errichtet worden, die hier mit Rat und Tat zur Seite stehen könnten. In Rheinland-Pfalz trage man diesem Prinzip flächendeckend Rechnung.
Wichtig sei auch das Angebot von einem selbstbestimmten Wohnen im Alter. Hier seien als Vorreiter die gemeinschaftlichen Wohnprojekte - barrierefrei - zu nennen. Diese würden auch vom Land gefördert.
Nach Habermann stellte der Vorsitzende der Landes-Senioren-Vertretung Rheinland-Pfalz, Hermann-Hartmut Weyel, die Funktion/Rolle/Aufgaben/Arbeit der Seniorenbeiräte vor.
Musikalisch umrahmt wurde der Vormittag vom Kreismusik-Schulorchester unter der Leitung von Franz Solbach.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen gab es Informations-Veranstaltungen über die Pflegestützpunkte im Kreis Altenkirchen, über barrierefreies Bauen und Wohnen, über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht und zm Thema "Im Alter zu Hause Wohnen." Gedanken zum Alter ("Abwrackprämie") und die politische Lage ("Was für Zeiten") machte sich der Kabarettist Walter Ecker (Daaden) auf seine bekannt bissig-witzige Art und die Seniorenrunde Nauroth führte einige Tänze auf.
Auch wenn der Besuch zu wünschen übrig ließ, Werner Neuhaus ist sich sicher: "Das war nicht der letzte Tag der Senioren im Kreis Altenkirchen". (rs)
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Angeregte Gespräche und jede Menge Information auch am Rande des Seniorentages. Fotos: Reinhard Schmidt



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