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Nachricht vom 22.10.2018    

Marienthaler Forum: Wie geht es weiter mit Europa?

Seit 25 Jahren gibt es das Marienthaler Forum. Initiator Ulrich Schmalz hat in den vergangenen Jahren zahlreiche namhafte Gäste gewinnen können und eine Plattform für vielseitigen und regen Austausch geschaffen. Am Samstag, 20. Oktober, fand der „Europatag“ im Marienthaler Waldhotel mit interessanten Referenten und interessierten Zuhörern statt.

Viele Ideen für ein besseres Europa: v.l. Malte Kilian, Dr. Andreas Reingen, Ulrich Schmalz, Dr. Werner Langen, Sandra Weeser und Dr. Werner Hoyer. (Fotos: Regina Steinhauer)

Marienthal. Egal ob Kunst, Kultur oder Politik – das Marienthaler Forum steht für Vielfalt. Diesmal ging es um nichts Geringeres als Europa. Wie geht es weiter mit der Europäischen Union in Zeiten von Brexit, Rechtsruck und finanzieller Unsicherheit?

„Viele wollen wissen, wie es mit dem Projekt Europa weitergeht“, sagte Ulrich Schmalz, Gastgeber und Moderator des „Europatages“ im Marienthaler Forum. Als Referenten begrüßte er wie gewohnt hochkarätige Gäste: Dr. Werner Langen, Mitglied des Europäischen Parlaments sprach über "Europa vor neuen Herausforderungen" und Dr. Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg, referierte zum Thema "Europas Selbstbehauptung in einer globalisierten Welt".

Europa - Mehr Vorzüge als Probleme
Werner Langen, seit 25 Jahren Mitglied des Europäischen Parlaments, saß schon in den wichtigsten finanzpolitischen Ausschüssen Europas und nahm die Herausforderungen in den Blick, vor denen Europa derzeit steht. Kaum ein Thema bewegt die europäische Politik in den letzten Wochen und Monaten so wie der Brexit. War es doch Großbritannien, das erst im dritten Anlauf in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen wurde – und nun als erstes die Segel streicht.

Fest steht: Der Brexit wäre ein herber Rückschlag für die EU. Doch er ist längst nicht das einzige, das die Europäer umtreibt. Aufkeimender Populismus und die Unsicherheit über die Stabilität des Finanzsystems dürfen nicht zur Resignation führen, meint Langen. Europa habe schließlich einiges zu bieten: Presse- und Meinungsfreiheit, offene Grenzen, die in der Freiheit von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital münden, Wahrung der Menschenrechte und nicht zuletzt zahlreiche Hidden Champions, gerade auch in ländlichen Regionen, die insbesondere in und für Deutschland eine wichtige Rolle spielen.

Stabilität, Wohlstand und Sicherheit sind zentrale Qualitäten unseres Kontinents. „Wir haben die besten Voraussetzungen, dass es uns in der Zukunft noch besser geht, wenn Europa nicht auseinanderbricht“, sagt Werner Langen. Europa müsse sich neben China und den USA behaupten.

Was Europa braucht sind gesetzliche Regeln für den Umgang miteinander. Besonders hinsichtlich der Nutzung persönlicher Daten gibt es Handlungsbedarf. Die Internetwirtschaft fördert Monopole, Internetgiganten erlangen unüberschaubare Macht. Geistiges Eigentum muss geschützt und bezahlt werden, so Langen, damit die Marktwirtschaft nicht an Monopolen zugrunde geht.
Langens Fazit: „Würde es Europa nicht geben, müsste man es in Zeiten der Globalisierung und Internetwirtschaft erfinden. Europa ist die Mindestgröße, um sich mit einer globalisierten Welt auseinanderzusetzen.“

Gemeinsam statt einsam
Die Europäische Investitionsbank – zwei Mal so groß wie die Weltbank, vergibt Kredite in Höhe von 60 bis 90 Milliarden Euro pro Jahr und fördert damit insbesondere Projekte im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen. Sie ermöglicht überhaupt erst den breiten Zugang zu Bankkrediten und ist damit auch gesamtwirtschaftlich von großer Bedeutung. Dr. Werner Hoyer ist ihr Präsident und von Europa überzeugt: „Ich bin zum Europäer geworden, als ich in Amerika gelebt habe“, sagt er. Dort sei sein europäisches Bewusstsein überhaupt erst entstanden. In Sachen sozialer sowie Arbeitsplatzsicherheit mache Europa so schnell niemand etwas vor. Doch er hat eine Sorge, nämlich, wie leichtfertig dieses Europa zur Disposition gestellt werde. „Wir brauchen ein besseres Europa, aber ohne Europa werden wir unsere Sicherheit nie aufrecht erhalten“, ist er überzeugt.
Natürlich ist er sich der Probleme und Herausforderungen Europas bewusst, aber eben auch seiner Bedeutung und Stärken. Die Arbeitslosigkeit in Europa ist rückläufig und gerade Deutschland als größte Wirtschaftsmacht Europas hätte ohne die EU keine Chance. „Die EU als Ganzes ist mehr als die Summe der Einzelteile“, sagt Hoyer. Nur zusammen funktioniert es.

Auch Dr. Werner Hoyer sieht den Brexit äußerst kritisch. Die Bürger Großbritanniens wurden unzureichend über die Folgen informiert, die Jugend ist gar nicht erst zur Abstimmung gegangen. Darüber hinaus sieht er den Ausstieg Großbritanniens aus der EU als großen Verlust – für Deutschland fiele ein wichtiger Handelspartner und Verbündeter weg.

Wenn Europa im globalen Wettbewerb mithalten will, müsse die Produktivität gesteigert werden. Seit rund 15 Jahren investiert Europa 1,5 Prozent des Sozialprodukts weniger in Bildung, Forschung und Wissenschaft – und damit weniger als China und Nordamerika. Aufgrund der Marktführerschaft vieler Unternehmen sei man sich zu sicher, dass alles so bleibt wie es ist. Aber das sei nicht der richtige Weg, so Hoyer.



Finanziell hat Europa einiges vor der Brust. Stolz war man, als vor vier Jahren die Entwicklungsziele bis 2030 beschlossen wurden. Um diese auch wirklich zu erreichen, ist allerdings der fünffache Investitionsaufwand nötig – durch staatliches Geld nicht zu bewältigen. Jährlich fehlen 700 Milliarden Euro. Was schlägt der Experte vor?

Hoyer sieht die Lösung im privaten Sektor. Es müssten umsetzbare Projekte auf den Weg gebracht werden, um Investitionsanreize für private Unternehmen zu schaffen. Hier hat das Europäische Parlament reagiert: 16 Milliarden Euro wurden umgewälzt, zusätzlich 5 Milliarden aus der EU-Bank, um ein Garantiepolster für die Privatwirtschaft zu schaffen – mit Erfolg. 345 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen konnten so getätigt werden.

„Die europäische Selbstbehauptung funktioniert nur in Zusammenarbeit mit Nachbarn“. Partnerschaften zu internationalen Nachbarn müssen entwickelt werden, man müsse weg vom „Geber-Nehmer-Denken“, denn nur so können Regionen in Entwicklungsländern ihr Potenzial entwickeln und sich selbst helfen.

Langen und Hoyer scheinen sich einig zu sein: Gemeinsam statt einsam heißt die Devise. Nur als starke Gemeinschaft kann sich Europa angesichts der zahlreichen Herausforderungen behaupten. Klimawandel, Digitalisierung und Entwicklungspolitik funktionieren nur Hand in Hand. Mitgliedsstaaten, Nachbarstaaten und der private Sektor sind gefragt, um nationale und internationale Projekte anzugehen.

Viele Ideen für ein besseres Europa
Im Anschluss an die Referate fand eine Podiumsdiskussion statt. Sandra Weeser, Mitglied des Deutschen Bundestages und Obfrau der FDP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss kam hier ebenso zu Wort wie der Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Westerwald-Sieg, Dr. Andreas Reingen, und Malte Kilian, ursprünglich aus Alsdorf, wohnhaft in Brüssel und tätig für ein dort ansässiges deutsches Bankinstitut.

Warum hält sich die EU-Kritik so hartnäckig, dass Staaten aus der Gemeinschaft austreten oder zumindest über einen Austritt nachdenken? Wie sieht es mit Deutschland aus? Ulrich Schmalz eröffnete die Podiumsdiskussion mit der Frage, ob Deutschland nur das Notariat der EU sei. MdB Sandra Weeser sieht das nicht so: „Wir werden nicht von Europa dominiert. Wir sind Teil von Europa und bestimmen maßgeblich in Brüssel mit“. Auch sie sieht Europa als ein Gemeinschaftsprojekt, in dem sich jedes Mitglied auf seine eigenen Stärken berufen müsse, um sein Potenzial einbringen zu können.

Mit Dr. Andreas Reingen wurde die Brücke zur Region geschlagen. Als Vorsitzender der Sparkasse Westerwald-Sieg sieht er, wie sich finanzpolitische Entscheidungen hierzulande niederschlagen. Auch er hat eine Sorge: Die Visionen fehlen, um den Zustand in der EU zu sichern. Eines müsse etabliert werden: Die EU als Institution anzusehen, in der europäische Interessen gebündelt werden. Zu einem gemeinsamen Haushalt sei man nicht bereit, aber Risiken würden vergemeinschaftet, sagt Reingen. Das schafft Misstrauen und Verdruss.

Der Jüngste in der Runde, der 30-Jährige Malte Kilian, der für die Junge Union Rheinland-Pfalz bei der Europawahl antritt, wurde nach seiner Vision für Europa gefragt. Neben all der Selbstverständlichkeit, mit der junge EU-Bürger die Vorzüge der Gemeinschaft genießen, bleibt die Frage, was die EU noch leisten kann. Besonders im Hinblick auf Digitalisierung und Jugend-Arbeitslosigkeit sieht Kilian Handlungsbedarf. „Wir dürfen die junge Generation nicht verlieren“, sagt er. Diese junge Generation sei nämlich alles andere als unpolitisch. Ihr bleibt ja gar nichts anderes übrig als das fortzuführen, was bis hierher geschaffen wurde. Wichtig ist, dass zwischen EU-Bürgern und Entscheidungsträgern vermittelt werde.

Ein Fazit?
Der Europatag im Marienthaler Waldhotel machte vor allem eines klar: Europa ist ebenso kompliziert wie bedeutend. Kompliziert in all seinen Zuständigkeiten und Mechanismen, bedeutend für jeden einzelnen seiner Bürger, Mitgliedsstaaten und Nachbarn.

Worin sich alle Experten einig zu sein scheinen: So kompliziert die Europäische Union auch ist, so wertvoll sind ihre Errungenschaften für das Zusammenleben auf einem freien Kontinent, die es zu schützen und für die es zu kämpfen gilt.
Die Voraussetzungen sind gut. Auf europäischer Ebene darf man sich nicht in Nichtigkeiten verstricken, sondern wieder auf große Themen konzentrieren. Europa muss Sicherheit für seine Mitglieder vermitteln. Nur so können Potenziale im Kleinen entwickelt werden, die zusammen zum Gelingen des großen Ganzen beitragen. (rst)


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