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Nachricht vom 09.01.2019    

Ärztliche Versorgung in Betzdorf: Kurzfristige Lösungen sind nicht in Sicht

In Betzdorf schließt die internistische Arztpraxis von Stephan Schmidt und Martin Kerschbaum. Das sorgt in der Region seit Tagen für Unruhe, die ärztliche Versorgung steht für viele Menschen in Frage. Auf Initiative von Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) gab es nun ein Gespräch mit Kassenärztlicher Vereinigung, Kreisärzteschaft und Kommune. Eine schnelle Lösung für den Engpass ist allerdings nicht in Sicht. Die beteiligten Akteure sehen die Hausarztpraxen in der Region in der Lage, die Patienten zu versorgen.

Strukturen werden sich ändern, Patienten werden flexibler, meinen (von links) Betzdorfs Bürgermeister Bernd Brato, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, MdL, Dr. Michael Theis und Dr. Peter Heinz. (Foto: by)

Betzdorf. Zu einem Pressegespräch eingeladen hatte am Mittwochnachmittag die rheinland-pfälzische Staatsministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Gemeinsam mit Dr. Peter Heinz, dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz, Dr. Michael Theis, dem Obmann der Kreisärzteschaft im Kreis Altenkirchen, sowie dem Bürgermeister Bernd Brato reagierte sie, auch als Landtagsabgeordnete der Region, auf die Presseberichte der letzten Tage, in denen die Schließung der internistischen Gemeinschaftspraxis Schmidt/Kerschbaum in Betzdorf zum 31. März angekündigt wurde. Dies habe für große Unruhe in der Bevölkerung gesorgt. Jetzt müsse es gelingen, eine reibungslose Vermittlung der Patienten an die umliegenden Praxen zu erreichen und idealerweise die zweieinhalb Arztsitze, die ab April frei sind, nachzubesetzen, in welcher Form auch immer.

Die Einzelpraxis hat ausgedient
Bätzing-Lichtenthäler habe es sehr begrüßt, dass die KV nicht nur im Dialog sei mit den zwei Ärzten Stephan Schmidt und Martin Kerschbaum, sondern auch mit den Praxen aus dem Versorgungsbereich der Verbandsgemeinde und auch aus den benachbarten Verbandsgemeinden. Schließlich müsse die Bereitschaft der Hausärzte gegeben sein, die Patienten aufzunehmen. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass es gelinge aufgrund der Kapazitäten die Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Die Gesprächsrunde habe noch einmal thematisiert, dass natürlich die KV, die den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag habe, diesen nicht alleine stemmen könne. Die Politik auf Landes- und kommunaler Ebene sowie die Ärzte vor Ort hätten die Verantwortung für die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum. In Rheinland-Pfalz seien schon seit Jahren die verschiedensten Maßnahmen mit vielen Partnern auf den Weg gebracht worden, um das Arztsein auf dem Land attraktiver zu machen. Die klassische Einzelpraxis des Freiberuflers, des Landarztes wie man ihn von früher noch kenne, habe ausgedient. Der Trend gehe eindeutig dahin, dass sich Ärzte vermehrt anstellen lassen, in kooperativen Praxisformen arbeiten wollen, in Gemeinschaftspraxen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Von daher müsse man neue Strukturen schaffen. Mit diesem Wissen sei auf Bundesebene sicherlich in den letzten Jahren schon vieles in Bewegung gesetzt worden. So seien auch im Laufe der Zeit immer wieder Anpassungen vorgenommen worden. In Rheinland-Pfalz seien seit vier Jahren über 30 zielgerichtete Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. So solle gemeinsam mit der KV und der Landesärztekammer die Niederlassungsförderung für Ärzte, die sich in Regionen niederlassen, die von Unterversorgung bedroht sind, gewährleistet werden. Das sind in Rheinland-Pfalz 93 Verbandsgemeinden. Auch die Anstellung eines Arztes oder die Eröffnung einer Zweitpraxis würden gefördert sowie das ganz neue Modell, die Gründung einer ärztlichen Genossenschaft. Die Förderung werde ab dem 1. März von 15.000 auf 20.000 Euro aufgestockt werden. Es gäbe noch andere Förderungsprogramme sowohl des Landes als auch der KV, die einen Anreiz bieten sollen.

Landarztoffensive soll langfristig helfen
Als mittelfristige Maßnahmen erwähnte die Ministerin die mittlerweile zehn Weiterbildungsverbünde, die es erleichtern sollen, sich in der Allgemeinmedizin weiterzubilden. Weiterhin sei eine kommunale Beratungsstelle gemeinsam mit der KV auf den Weg gebracht worden, die auch bei der KV angesiedelt sei. Als langfristige Maßnahme sei die Landarztoffensive im Dezember in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Damit einher gehe eine Erhöhung der Studienplätze um 30 Prozent sowie die Einführung einer Landarztquote, um damit den Abiturienten, denen das Einser-Abi fehlt, die sich aber vorstellen können auf dem Land tätig zu sein, ein Studium ohne lange Wartezeiten zu ermöglichen. Diese Maßnahme werde aber sicher erst in rund zwölf Jahren Wirkung zeigen. Die Ministerin zeigte sich davon überzeugt, dass auch künftig die ärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz sichergestellt werden könne, allerdings, so betonte sie noch einmal, würden sich die Strukturen verändern.



KV: Versorgungsgrad von fast 110 Prozent
Dr. Peter Heinz ging auf die aktuelle Situation vor Ort ein. Die Sorge der Patienten, die von der Arztpraxisschließung betroffen seien, sähe man in der KV nicht. Im Planungsbereich gäbe es insgesamt 68 allgemeinärztliche Praxen und damit einen Versorgungsgrad von 109,3 Prozent nach dem Bedarfsplan, den allerdings nicht die KV erstelle, sondern über den im Bundesausschuss in Berlin entschieden werde. Die Bedarfsplanung ginge bei einer Versorgung von 100 Prozent von einer optimalen Versorgung aus. Wenn die Praxis Schmidt/Kerschbaum schließe, dann gebe es immer noch einen Bedarfsplan von 105 Prozent. Zwischen 100 und 110 Prozent dürfe sich ein Arzt niederlassen, was bedeute, dass im Planungsbereich der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain 2,5 Versorgungsstellen offen seien. Von den 68 Praxen gebe es 20, die weniger als 1.000 Patienten behandelten. Sollten die Patienten trotzdem keinen neuen Hausarzt finden, dann gäbe es die Möglichkeit, über ein Service-Telefon der KV um eine Vermittlung zu bitten. Das sei allerdings nicht der erste Weg, man setzte auf die Eigenverantwortung der Patienten. Auch Heinz betonte, dass man neue Strukturformen bekommen werde.

Ärzte-Obmann: Patienten müssen flexibler werden
Dr. Michael Theis schloss sich seinen Vorrednern an. Die Einzelpraxis sterbe mittelfristig aus, die Patienten müssten flexibler werden. Die junge Generation, unabhängig von den Medizinern, wolle eine Work-Life-Balance haben. Die Erwartungshaltung der Patienten müsse sich, abgesehen natürlich von Notfällen, ändern. Die Kreisärzteschaft habe schon seit einigen Jahren gemeinsam mit der Kreisverwaltung ein Projekt gestartet, in dem versucht werde, durch finanzielle Förderung Medizinstudenten in den Westerwald zu bekommen.

Brato: Die Kommune muss sich kümmern
Die Kommune spiele in diesem System eine wesentliche Rolle als Kümmerer, so Bürgermeister Brato. In Abstimmung mit der KV wolle man sehen, inwieweit man vermittelnd jungen Ärzten zum Beispiel bei betriebswirtschaftlichen Fragen helfen könne. Daneben sei es wichtig, die Flexibilität der Bürger durch Fahrten mit dem Bürgerbus zu unterstützen, beispielsweise beim Weg zum Arzt. Dies funktioniere mittlerweile so gut, dass aus ursprünglich zwei Tagen jetzt schon drei Tage geworden seien, an denen der Bürgerbus unterwegs sei. In enger Zusammenarbeit mit der Ministerin, der KV und dem Obmann der Kreisärzteschaft werde man versuchen müssen, das Problem zu lösen. Er hoffe, dass man ein „Rundum-Sorglos-Paket“ für einen Mediziner, der sich in der Region niederlasse, anbieten könne. 100.000 Euro jemanden zu bieten, wie kürzlich in einer Verbandsgemeinde geschehen, das halte er in der jetzigen Situation für eine Art von Kannibalismus, das werde nicht zielführend sein. Man müsse in größeren Räumen denken, auch was die kommunalen Grenzen im Hinblick auf die ärztliche Versorgung auf dem Land angehe.

Ministerin Bätzing-Lichtenthäler brachte das, was zu tun ist, in einem abschließenden Fazit in drei Punkten unter, dass nämlich die Sicherstellung der Versorgung durch die hausärztlichen Praxen in der Region gewährleistet wird, dass man sich weiter kümmere um eine Nachbesetzung für die Praxis Schmidt/Kerschbaum – derzeit würden schon Gespräche laufen –, und dass weitere strukturelle Maßnahmen erforderlich seien, da sich Strukturen verändern würden, alles mit dem Ziel, die Versorgung der Patienten im ländlichen Raum aufrecht zu erhalten. (by)




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