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Nachricht vom 06.05.2021
Politik
Stadthalle Altenkirchen wird zum 31. Juli für immer geschlossen
Es war ein ungewollter Fingerzeig: Die Inaugenscheinnahme des Waldfriedhofs, die sich der Umwelt- und Bauausschuss der Stadt Altenkirchen für seine jüngste Sitzung als ersten Tagesordnungspunkt vorgenommen hatte, hätte im Nachhinein als Suche nach einer Grabstelle für die Stadthalle interpretiert werden können.
Die Stadthalle in Altenkirchen hat ausgedient: Noch zwei Beschlüsse sind erforderlich, um sie am 31. Juli diesen Jahres still zu legen und die technischen Anlagen abzuschalten. (Foto: Archiv vh)Altenkirchen. War der Abstecher des Umwelt- und Bauausschusses der Stadt Altenkirchen zu Beginn dessen jüngster Sitzung am Donnerstagnachmittag (6. Mai) auf den Waldfriedhof auf der Glockenspitze schon mit einem Hintergedanken angesetzt worden? Wohl eher nicht war die Suche nach einer Grabstelle für die Stadthalle ein Anliegen der Stippvisite, das sich im weiteren Verlauf des Abends als durchaus vorausschauend erwies. Der K.o. für die „gute Stube“ verband nach Abschluss des Treffens für den neutralen Beobachter ungewollt die beiden Punkte der Tagesordnung miteinander - ohne dass sie auch nur im Entferntesten in irgendeiner Beziehung zueinander standen. Der Komplex mit der markanten Kupferverkleidung hat nämlich die längste Zeit an seinem angestammten Platz in seiner ureigenen Funktion gedient. Immens hohe Sanierungskosten vor Augen, soll er zum 31. Juli des Jahres geschlossen und samt aller technischer Anlagen stillgelegt werden. Dem ersten Schritt in diese Richtung, den das Gremium mit acht Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen befürwortete, müssen zwei weitere gleich gelagerte Beschlüsse im Hauptausschuss und im Stadtrat folgen. Das Büro des Stadtbürgermeisters wird vorerst in der Stadthalle weiter genutzt, bis eine Alternative gefunden ist. Das Szenario eines Abrisses wird in der städtebaulichen Voruntersuchung und im integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept, das derzeit für die Teilnahme am Städtebauförderprogramm „Wachstum und nachhaltige Entwicklung - Nachhaltige Stadt" erarbeitet wird, berücksichtigt.

Lange Liste der Mängel
Die Liste der Mängel ist unendlich lang. Um das Gebäude wieder auf Vordermann zu bringen, stehen Sanierungskosten von mindestens 770.000 Euro im Raum. Ganz schwer zu schaffen machen 47 Brandschutzklappen in der Lüftungsanlage, in denen Asbest vorhanden ist. Eine erste Maßnahme, die Nutzung verlängern zu können, wäre eine Gefährdungsbeurteilung gewesen, die rund 16.600 Euro gekostet hätte. Nach Expertenansicht hätte eine solche die Brandschutzklappen wohl nicht ausgelöst, so dass auch keine Freimessung von Asbestfasern möglich geworden wäre. Ein Verharren der Ventile in den alt bekannten Stellungen hätte gleichfalls das Nichterteilen einer Betriebserlaubnis bedeutet. Finanziell bringt die Schließung eine Einsparung von rund 120.000 Euro im Jahr. Die Defizite, die die Stadthalle verursacht(e), pendeln in zwölf Monaten um rund 150.000 Euro.

Nur das Minimalste gemacht
Ralf Lindenpütz stellte für die CDU-Fraktion, die sich beim Votum komplett der Stimme enthielt, „einen Sanierungsstau heraus. Wir haben in den zurückliegenden Jahren nur das Minimalste gemacht, um sie zu betreiben, und holen uns ein Asbestproblem hinein“. Wenn die Stadthalle einmal weg sei, dürfe man nicht in ein Loch fallen, bis eine neue wie auch immer geartete Halle als Veranstaltungsort entstanden sei. „Ab jetzt macht es keinen Sinn, die Stadthalle so weiterzuführen und noch Geld in das vorhandene Gebäude zu stecken. Wir müssen uns alle auf den Weg machen und überlegen, wie wir uns einen neuen Veranstaltungsort vorstellen“, erklärte Daniela Hillmer-Spahr (SPD). „Asbest bleibt Asbest. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht“, vertrat Achim Gelhaar die Auffassung der FWG-Fraktion, für die Jürgen Kugelmeier ergänzte: „So ein Objekt, in dem so viel gefeiert wurde, liegt einem schon am Herzen. Das reißt man nicht so einfach ab. Aber die Stadthalle ist ein Fass ohne Boden, die man so nicht weiter betreiben kann.“ Auch Peter Müller (Bündnisgrüne) appellierte mit Nachdruck, „Perspektiven für die Übergangssituation zu schaffen. Es werden Räume und Flächen für Veranstaltungen gewiss gefunden“. Schließlich wollte auch Thomas Roos (FDP) keine Gefährdungsbeurteilung in Auftrag geben, „es ist mit dieser Situation umzugehen. Es darf kein Geld mehr in die Stadthalle gesteckt werden“.

Keinen Nachmieter gefunden
Auch ein zweites markantes Haus in der Stadt, das Postgebäude in der Bahnhofstraße, bleibt im Gespräch, weil es noch immer nicht gelungen ist, Erd- und Kellergeschoss zu vermieten. Die Postbank war bis zum 24. Juli 2018 der bislang letzte Mieter in Parterre gewesen. Eine multifunktionale Nutzung der Bereiche (Co-Working-Räume, Werkstatt für Ehrenamtsinitiative „Ich bin dabei!“, Büros für Stadtbürgermeister und künftigen City-Manager, Besprechungsgelegenheiten für diverse Initiativen) wäre denkbar. Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt sprach von „auf Gemeinschaft ausgelegten Räumen, in denen sich Menschen vernetzen, um Altenkirchen zu einer starken Kommune zu machen. Vielfalt ist möglich“. Nur mit einer sozialräumlichen Nutzung ist eine Förderung über den LEADER-Topf für eine Sanierung (ausgenommen erstes und zweites Obergeschoss, die bereits aufgearbeitet wurden) möglich. Für zwölf Jahre dürfen aber keine Mieteinnahmen generiert werden. Die Kosten für eine Instandsetzung (inklusive Fassade) werden auf rund 500.000 Euro geschätzt, so dass nach Abzug einer Unterstützung in Höhe von 70 Prozent der Eigenanteil der Stadt rund 150.000 Euro beträgt.

Konzept erhält viel Lob
Mit dieser „Leitplanke“ im Kopf stimmte die Zusammenkunft ohne Widerspruch und in erster Instanz (der Stadtrat wird sich abschließend mit diesem Thema ebenfalls noch beschäftigen) der Aufpäppelung zu. Sollte es jedoch kein finanzielles Zubrot geben, ist eine Instandsetzung erneut zu beraten. Läuft alles nach Plan trudelt die LEADER-Bewilligung im dritten Quartal ein, können Ausschreibung und Vergabe der Gewerke noch vor Weihnachten erfolgen, beträgt die Bauzeit rund sieben Monate. Aus der Runde des Ausschusses gab es viel Lob. Lindenpütz bezeichnete das Konzept als „gut“, die Folgekosten müssten aber beachtet werden. Kugelmeier nannte die Möglichkeit der Sanierung einen Glücksfall, während Hillmer-Spahr das Projekt als „fantastische Sache“ einstufte und betonte, „die Konzeption führt zu einer Nutzung zu unterschiedlichen Tageszeiten“.

Die Geschichte der Stadthalle
Die Geschichte einer Stadthalle am jetzigen Standort reicht bis in den Anfang der 1920er-Jahre mit dem Baubeginn der ersten Variante zurück, die 1924 eingeweiht wurde und den Bombenterror der Alliierten Luftstreitkräfte im Frühjahr 1945 so gut wie unbeschadet überstand. Die Umsetzung des neuen Verkehrskonzeptes mit der Innerortsumgehung und der Fußgängerzone bedingte den Abriss des alten Gebäudes, an dessen Stelle nach rund zweieinhalbjähriger Bauzeit das Folgemodell mit der Eröffnung am 14. April 1984 trat. Über Jahre hinweg war der Komplex mit den Sälen, Restaurant, Union-Kino-Center und Kegelbahnen gut ausgelastet, ehe im Frühjahr 2011 die ersten dunklen Wolken am Himmel über dem Treffpunkt aufzogen. Zum 31. Mai schlossen die beiden Lichtspieltheater. Nur ein knappes Jahr später, im Februar 2012, prangerte der Landesrechnungshof das Defizit aus dem Betrieb der Stadthalle an, das sich pro Jahr auf rund 250.000 Euro belief. Parallel wurde dem Pächter des Restaurants zum 30. Juni gekündigt, so dass auch die Kegelbahnen und die Bierstube im Untergeschoss dicht gemacht werden mussten. Versuche, neue Betreiber für die Gaststätte zu verpflichten, scheiterten. Seit rund neun Jahren dümpelt das markante Objekt mehr oder minder vor sich hin. Veranstaltungen mit im Laufe der Jahre unterschiedlichen Caterern waren möglich.

Die Geschichte des Postgebäudes
Der „Putzbau um 1920“, so das Verzeichnis der Kulturdenkmäler des Kreises Altenkirchen, war vom 28. September 1932 bis zum 24. Juli 2018 immer Heimat der Post in der Bahnhofstraße. Nachdem die Postbank vor knapp drei Jahren ihre Filiale aufgegeben hatte, wanderten die „gelben“ Dienstleistungen in ein Ladenlokal auf der anderen Seite der Friedrich-Emmerich-Straße. Besitzer des Gebäudes, das Bauunternehmer Jakob Becker errichten ließ, ist seit 2008 die Stadt Altenkirchen. Seit 1. Februar 2010 hat die Außenstelle des Koblenzer Studienseminars fürs Lehramt an Gymnasien die erste Etage und 180 Quadratmeter der zweiten mit Beschlag belegt. Frei im zweiten Obergeschoss sind zwei Räume, die unter Gibhardts Vorgänger Heijo Höfer zunächst als Büro für den Stadtbürgermeister angedacht waren. Neben Postdienstleistungen war in früheren Jahren im ersten und zweiten Stock der Telefondienst untergebracht, ehe diese Sparte in den 1980er-Jahren in den Komplex unter dem Fernmeldeturm (Kölner Straße) übersiedelte. Über viele Jahre hinweg wurden vom Postamt Altenkirchen, das beim Bombenhagel der Alliierten im Zweiten Weltkrieg (März 1945) kaum Schäden davontrug, bis zu 85 Poststellen in Dörfern rund um die Kreisstadt „beliefert“. (vh)
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