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Nachricht vom 23.08.2021
Wirtschaft
Nauroth: Abfallwirtschaftsbetrieb pumpt Sickerwasser mit Sonnenenergie ab
Der Strombedarf an der ehemaligen Deponie in Nauroth ist hoch. Tag und Nacht wird Sickerwasser abgepumpt. Nun auch mit erneuerbarer Energie: Eine neue Photovoltaikanlage des Abfallwirtschaftsbetriebes des Landkreis Altenkirchen wandelt Sonnenenergie in Elektrizität um und speist die Pumpen.
Bei einem Pressegespräch wurde die neue Photovoltaikanlage (hinten) auf dem Betriebs- und Wertstoffhof vorgestellt (von links): Andreas Haiduka, Jan Nauroth, Gerd Dittmann, Simon Reichmann, Stefan Glässner und Werner Schumacher. (Fotos: tt)Nauroth. Am Eingang des Betriebs- und Wertstoffhofes des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB) des Landkreises Altenkirchen ist von der Deponie heute so nichts mehr zu erkennen. Es wächst buchstäblich Gras über dem Berg an Müll, der im Laufe der Jahre dort eingearbeitet. Am Werkstor ist aber sehr wohl etwas zu sehen, was in einem direkten Zusammenhang zur Deponie steht, wenn auch nicht so ohne weiteres zu erahnen: Auf dem flachen Dach der Überdachung für die Abfallbehälter ist die Installation einer Photovoltaikanlagen zu erkennen. Es ist nicht die erste Anlage auf dem Gelände, sondern die dritte ihrer Art. Aber die neue Installation hebt sich von den 2010 auf Dächern installierten Modulen ab. Zum einen ist das Neugeschaffene effizienter, zum anderen wird der erzeugte Strom an Ort und Stelle verbraucht. Das heißt, dass der AWB den Strom selbst produziert und für seine Zwecke nutzt.

Bei einem Pressegespräch stellte Kreisbeigeordneter Gerd Dittmann, in dessen Geschäftsbereich der AWB fällt, vor, wie die Idee entstanden war und was seit der Inbetriebnahme vor wenigen Wochen über Sonnenenergie an Strom gewonnen wurde. Es sind etwa zwei Jahre ins Land gezogen, seitdem Gerd Dittmann und Stefan Glässner, seines Zeichens Klimaschutzmanager des Landkreises Altenkirchen, überlegt, was in Sachen Photovoltaik auf dem Betriebs- und Wertstoffhof noch zusätzlich zu dem Bestehenden gemacht werden könnte. Das war die Initialzündung für das nun realisierte Projekt. Der Ursprungsgedanke sah eine 10-Kilowattpeak-Anlage auf dem Verwaltungs- und Schulungsgebäude vor. Das wurde dann aber verworfen – aus gutem Grund: Denn interessant wurde es, als die Pumpen ins Spiel kamen. Diese müssen kontinuierlich das Sickerwasser über eine zehn Kilometer lange Druckleitung in die Muhlau zum dortigen Klärwerk transportieren. Dafür ist Strom erforderlich. Viel Strom. Die Pumpen sind ein perfekter Abnehmer, um den erneuerbaren Strom auf kürzestem Weg zu verbrauchen. „Wir pumpen Sickerwasser erneuerbar ab“, sagte Kreisbeigeordneter Dittmann. Das Vorhaben passierte die zuständigen Gremien des Kreises.

Die neue Installation hat einen grundlegenden Unterschied zu den beiden 2010 montierten Photovoltaikanlagen. Diese erzeugen auf dem Dach der „Sägezahnrampe“, wo ankommender Müll fraktioniert wird, und auf dem Dach eines Betriebsgebäudes aus der Kraft der Sonne Strom – und speisen die Elektrizität ins Netz ein. Bei der neuen Einrichtung entschied sich der Investor AWB, ein Eigenbetrieb des Landkreises, für eine Eigenverbrauchsanlage. Das heißt, der Strom wird nicht in ein Netz abgegeben, sondern auf dem Gelände gleich verbraucht. Die Pumpen für das Sickerwasser sind prädestinierte Abnehmer, weil sie einen großen Stromhunger haben. Der Schalter für die dritte Anlage wurde am 21. Juni umgelegt, informierte Dittmann. Die seither vergangenen Wochen waren nicht gerade das, was man als ein Träumchen in Sachen Sonneneinstrahlung bezeichnen würde. Dennoch zeigte man sich bei dem Ortstermin zufrieden: Der Stromzähler ratterte bereits 18000 Kilowattstunden runter. „Trotz mäßiger Witterung wird anhand der Zahlen ersichtlich, wie ertragreich die Anlage ist.“ Nur um einen Vergleich zu haben: Ein Einfamilienhaus mit drei bis vier Personen hat einen Jahresverbrauch von 3500 bis 4000 Kilowattstunden. Klimaschutzmanager Glässner berichtete, dass er die jährliche Leistung zunächst mit Bedacht kalkuliert hat. Er beziffert den Wert mit 61000 Kilowattstunden pro Jahr, und betonte nun: „Im ersten Monat wurde bereits 28 Prozent dessen erzeugt, was wir für das ganze Jahr angenommen haben.“ 430 Quadratmeter, das entspricht etwas mehr als einem Strafraum auf dem Fußballplatz, wurden auf dem Unterstand für die Abfallgefäße sowie einer noch freien Dachfläche auf einer direkten Nachbarhalle mit der Photovoltaik eingedeckt. Für eine leistungsstarke Anlage sei das nicht mehr viel. Die Effizienz der Module habe sich vervielfacht, so Glässner. Apropos Effizienz: Damit die Pumpen für das Sickerwasser effizient laufen, sind sie Tag und Nacht in Betrieb. Hoch sei der Stromverbrauch. Dieser wird nun – zumindest tagsüber – von der neuen Photovoltaikanlage mit gespeist. Das hat sich der AWB etwas mehr als 94000 Euro kosten lassen - ausschließlich mit Eigenkapital und ohne Fördermittel gestemmt.

Bei einer Photovoltaikanlage geht man von einer Laufzeit von 20 bis 30 Jahren aus, was Glässner auch bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung einfließen ließ. Nach 30 Jahren soll die Anlage 1,85 Millionen-Kilowattstunden aus Sonnenenergie gewonnen haben. Zugleich werden in diesem Zeitraum 1300 Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart. Bei den bereits seit 2010 bestehenden Stromerzeugern handelt es sich um reine Volleinspeisungsanlagen. In zehn Jahren werden die Einrichtungen von der EEG-Umlage befreit, hieß es. Dann müsse man entscheiden, ob man die Technik auf Eigenverbrauch umrüstet und den dann gewonnenen regenerativen Strom auch auf dem Betriebs- und Wertstoffhof einspeist. Dem Vernehmen nach haben die Anlagen eine deutlich längere Laufzeit: „30 Jahre sind kein Problem.“

Die drei Photovoltaikanlagen ergeben zusammen 130 Kilowattpeak auf. Bei dem Pressegespräch wurde von einer „imagefördernden Maßnahme“ gesprochen: „Hier wird Klima- und Ressourcenschonung gelebt.“ Hier setzte Dittmann an: Für ihn ist es auch eine Maßnahme, mit der man andere ermutigen kann, auch in diese Richtung zu agieren und selbst zu handeln. Für seine Wirtschaftlichkeitsberechnung hat der Klimaschutzmanager steigende Strompreise und Abschreibung, berücksichtigt. Demnach wird die 83-Kilowattpeak-Anlage nach 20 Jahren einen Überschuss von 60000 Euro erwirtschaftet haben. „Die letzten zehn Jahre bringen richtig Geld“, sagte Glässner und bezifferte nach einer Laufzeit von 30 Jahren das Plus mit 170000 Euro. Mit Verweis auf die nun getätigte Investition von etwas mehr als 94000 Euro kommentierte Kreisbeigeordneter Dittmann den erwarteten Überschuss zufrieden: „Das ist fast das Doppelte von dem, was jetzt investiert wurde.“ Häufig höre man, „Ökologie und Ökonomie, das geht nicht zusammen“, sagte Dittmann, der sich überzeugt zeigte: „Diese Investition ist ein Beispiel dafür, dass wir es tun könne.“ Beides passe bestens zusammen. Man möchte zugleich vermitteln, dass eben noch viel möglich ist.

Auch wenn die allgemeinen Lieferschwierigkeiten bei der Umsetzung zu spüren gewesen seien, so habe man doch eine Punktlandung bei der Fertigstellung hingelegt. Umso früher die Anlage am Netz sei, umso früher könne man auch einen Nutzen einfahren. Unterm Strich macht sich das beim Stromverbrauch der Pumpen bemerkbar, die eine relativ hohe Menge Sickerwasser über eine lange Leitung transportieren müssen und dafür Energie in Form von Strom benötigen, verdeutlichte Schumacher. Bei dem Pressegespräch war Simon Reichmann von der Firma Solar-Conze in Roth mit von der Partie. Das Unternehmen hat die Anlage auf dem Gelände des AWB in Nauroth errichtet. Von dem heimischen Unternehmen spannte Dittmann den Bogen hin zur Wertschöpfung, die auch etwas mit Familien und Arbeitsplätzen in der Region zu tun habe. Die Wertschöpfung sei hier in der Region gehalten worden. „Kleinere Unternehmen sind sehr wichtig für die Energiewende“, ließ sich Geschäftsführer Reichmann ein und meinte: „Firmen in unserer Größe sind extrem wichtig für die Klimawende.“

Nun wird der von der dritten Photovoltaikanlage erzeugte Strom gleich abgenommen. Es muss aber auch noch Strom eingekauft werden, hieß es. Denn für einen vernünftigen Ablauf müssen die Pumpen auch nachts das Sickerwasser durch die Rohrleitung bis in das in das Klärwerk Muhlau drücken. Es sei nicht möglich, bei dem Sickerwasser ausschließlich auf einen Tagbetrieb umzuschalten, berichtete der technische Leiter des AWB, Andreas Haiduka. Und wie sieht es mit Akkus aus? „Das lohnt sich wirtschaftlich nicht“, antwortete Glässner. Die Anschaffungskosten für einen solchen Stromspeicher seien zu hoch. Unter anderem mit Verweis auf Strombezugskosten wurde angemerkt, dass das in vier bis fünf Jahren sicher noch eine spannende Geschichte werde. So lange soll nicht gewartet werden, um eine Wallbox zu installieren. Über diese Ladestelle kann ein E-Auto mit Energie „betankt“ werden – und zwar mit einer, die auf dem Betriebs- und Wertstoff aus der Kraft der Sonne erzeugt wird. (tt)
 
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