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Nachricht vom 08.09.2021
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Amtsgericht Altenkirchen: Fahrlässige Tötung am "Retterser Berg" endete mit Geldstrafe
Beim Amtsgericht in Altenkirchen fand ein schrecklicher Unfall am berühmt-berüchtigten "Retterser Berg" sein juristisches Ende. Zu dem Unfall kam es, als im Juni 2020 der Fahrer eines Autos aus Richtung Kircheib kommend in der Steigung zum Überholen ansetzte.
Ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung am "Retterser Berg" endete mit einer Geldstrafe. (Fotos: Wolfgang Rabsch / Klaus Köhnen)Altenkirchen. Vor ihm scherte unvermittelt ein Transporter ebenfalls zum Überholen aus. Um eine Kollision zu vermeiden, wich der Fahrer über die Mittellinie hinaus nach links aus, wo es dann zum Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden PKW kam. Beide Fahrzeuge wurden durch den Aufprall in den angrenzenden Wald geschleudert. Die Fahrzeugführer wurden beide schwer verletzt, der Fahrer des überholenden Autos erlitt lebensgefährliche Verletzungen, die vier Tage nach dem Unfall zu seinem Tod führten.

Der Führer des Transporters wurde daraufhin seitens der Staatsanwaltschaft (StA) Koblenz mit einem Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung belegt, gegen den der Angeklagte Einspruch einlegte, so dass es nun zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Altenkirchen kam, die von Richter Volker Kindler geleitet wurde.

Nach Verlesung des Strafbefehls erklärte der 38-Jährige Angeklagte aus der VG Altenkirchen, dass er Fußbodenheizungsbauer sei, rund 2.000 Euro verdienen würde, mit seiner Lebensgefährtin ein gemeinsames Kind habe, seine Partnerin habe zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht.

Trug der Verstorbene eine Mitschuld?
Rechtsanwalt Scholl aus Bonn ließ sich für den Angeklagten ein, er relativierte den Tatvorwurf dahingehend, dass der Fahrer des Mercedes-Cabrio ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls tragen würde. Als der Angeklagte vor dem Überholen in den Rückspiegel geschaut habe, hat er den heranrasenden Mercedes nicht gesehen. Er sei nur ein kleines Stück mit seinem Transporter auf die linke Spur gefahren, als er den Mercedes dann doch gesehen hat, und augenblicklich seinen Trapo wieder auf die rechte Fahrspur bewegte.

Der mit weit überhöhter Geschwindigkeit ankommende Mercedes sei ins Schleudern geraten, in den Gegenverkehr geraten, und dort mit einem entgegenkommenden Audi A6 zusammengestoßen. Der Vorwurf gegen seinen Mandanten sei an der untersten Grenze anzusiedeln.

Der Sachverständige Eugen Weiten vom DEKRA errechnete eine Anstoßgeschwindigkeit von 105 km/h bei dem Mercedes und von 77 km/h bei dem Audi A6. Ein kompletter Fahrspurwechsel des Transporters habe noch nicht stattgefunden, den herannahenden Mercedes hätte der Angeklagte im Rückspiegel erkennen müssen.

Wäre der Benz nur 100 km/h gefahren, hätte der Fahrer noch rechtzeitig abbremsen können, und es wäre nicht zum Unfall gekommen. Die Wucht nach dem Zusammenstoß war so gewaltig, dass der Mercedes eine Fichte von 35 cm Durchmesser wie ein Streichholz abknickte.

Die nachfolgend vernommenen Zeugen wichen bei ihren Aussagen etwas ab, vor allem bei der Frage, wie weit der Angeklagte bereits auf die Überholspur ausgeschert sei. Der Mercedes war anderen Zeugen bereits vorher aufgefallen, da er bereits in Kircheib „nervös“ gefahren sei und bis zum Unfall mehrmals versucht habe, zu überholen, was aber nicht gelang. Kurz vor dem Unfall sei der Fahrer „herangeflogen“ oder „mit weit überhöhter Geschwindigkeit herangerast“, oder „er war unfassbar schnell“, weil er noch vor der Einfädelspur auf der einspurigen B8 weiterfahren wollte.

Nach der Vernehmung der Zeugen wurde der Bundeszentralregisterauszug (BZR) verlesen, da hatte der Angeklagte einiges auf dem Kerbholz: Sachbeschädigung, zweimal Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Mehrmals wurden Freiheitsstrafen verhängt, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Einspruch zurückgenommen
Nachdem alle Beweise erhoben waren, kam es zu einem offenen Rechtsgespräch, wobei der Vertreter der StA erklärte, dass die Geldstrafe von 50 Tagessätzen á 40 Euro bereits am unteren Rand festgesetzt wurde, weil das Fehlverhalten des Verstorbenen strafmildernd berücksichtigt wurde. Zudem sei keine Nebenstrafe, wie etwa Entzug der Fahrerlaubnis ausgeworfen.

Im Falle einer Verurteilung hätte der Angeklagte mit einer höheren Geldstrafe zu rechnen, da bei dem Antrag zum Strafbefehl von einem geringeren Einkommen ausgegangen worden sei. Er regt an, den Einspruch zurückzunehmen, dann würde es bei der Strafe des Strafbefehls bleiben. Daraufhin erklären der Angeklagte und Rechtsanwalt Scholl, dass sie den Einspruch zurücknehmen. Der Vertreter der StA stimmt der Rücknahme zu. Damit ist der Strafbefehl in seiner ursprünglichen Fassung und mit den dort getroffenen Feststellungen rechtskräftig. (Wolfgang Rabsch)
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