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Nachricht vom 11.07.2022
Politik
SPD zu Dittmanns Demission als Kreisbeigeordneter: Rücktritt hat tragische Züge
Gerd Dittmann (Bündnisgrüne) stellt sein Ehrenamt als (dritter) Beigeordneter des Kreises Altenkirchen am 31. August zur Verfügung und tritt vor dem Hintergrund der Greensill-Bank-Insolvenz und dem damit verbundenen möglichen Verlust von Anleihegeld von bis zu 3,6 Millionen Euro zurück. So bewerten die Sprecher von Fraktionen im Kreistag diesen Schritt.
Die 3,6 Millionen Euro, die der AWB bei der Greensill-Bank angelegt hatte, sind zur Mitfinanzierung der Arbeiten zur Oberflächenabdeckung der Deponie in Nauroth bestimmt. (Foto: Archiv vh)
Altenkirchen. Der Rücktritt zum 31. August von Gerd Dittmann (Bündnisgrüne), dem (dritten) Kreisbeigeordneten, war womöglich der einzige Weg, wieder Ruhe in die Arbeit der Gremien des Altenkirchener Kreistages zu bringen. Seine Demission vor dem Hintergrund des möglichen Verlustes von 3,6 Millionen Euro, die der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Kreises Altenkirchen bei der im März des vergangenen Jahres in die Insolvenz gegangenen Bremer Greensill-Bank angelegt hatte und die zur Mitfinanzierung der Oberflächenabdeckung der Deponie in Nauroth vorgesehen waren, war mehrmals gefordert worden. Als zuständiger Geschäftsbereichsleiter übernahm Dittmann, so seine Worte, nunmehr die "politische Verantwortung" für das Fiasko. Der Abschied aus dem Ehrenamt ist auf den 31. August terminiert. Die Neubesetzung des Postens obliegt nun der Fraktion der Bündnisgrünen, die das Vorschlagsrecht hat, weil sie im Kreistag die drittstärkste Kraft sind. Per Mail an die Adressen, die auf der Homepage des Landkreises Altenkirchen hinterlegt sind, versandt, wurden die Vorsitzenden der sieben im Kreistag vertretenen Fraktionen gebeten, eine (kurze) Stellungnahme zur Entscheidung Dittmanns der Redaktion des AK-Kuriers mitzuteilen. Es gab lediglich drei "Rückläufer":

Vorwurf führte und führt ins Leere
Anna Neuhof (Bündnisgrüne): "Wir bedauern als grüne Kreistagsfraktion sehr, dass Herr Dittmann zurückgetreten ist. Die alles überlagernde Diskussion um die Greensill-Bank und die Geldeinlagen wurden von Teilen des Kreistages systematisch fokussiert auf die Forderung nach personellen Konsequenzen. Der immer wieder erhobene Vorwurf wegen mangelnder Informationen und intransparenten Handelns gegenüber Herrn Dittmann führte und führt ins Leere. Es gab zu Fragen umfangreiche Antworten, und es gab regelmäßige Infos zum Stand des Insolvenzverfahrens sowie zu versicherungsrechtlichen Angelegenheiten trotz der zeitlich aufwendigen und anspruchsvollen Bearbeitung des Insolvenzverfahrens, der Sicherung von Ansprüchen und der koordinierten Zusammenarbeit mit Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfern und anderen betroffen Kommunen. Es darf auch nicht übersehen werden, dass der Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises und somit auch Herr Dittmann umfangreiche Aufgaben des ,laufenden Betriebes’ und der Mammutaufgabe wegen der Abdichtung der Deponie in Nauroth zu bewältigen hat. Wichtige Entscheidungen dazu wurden von der CDU im Kreistag regelrecht boykottiert unter Inkaufnahme eines erheblichen wirtschaftlichen Schadens."

Udo Quarz (Die Linke): "Wir bedauern den Rücktritt des Kreisbeigeordneten Gerd Dittmann. Sicherlich war der Umgang mit den Auswirkungen der Greensill-Insolvenz unglücklich, ein Rücktritt war jedoch nicht zwingend notwendig. Die persönlichen Belastungen, die durch die erhobenen Vorwürfe entstanden sind, waren offensichtlich so groß, dass Gerd Dittmann glaubte, diese nicht länger tragen zu wollen. Für seine Entscheidung verdient Gerd Dittmann unseren Respekt."

Boykott der AWB-Sitzung höchst gefährlich
Bernd Becker (SPD): "Die menschliche Dimension des Rücktritts des Beigeordneten Gerd Dittmann hat tragische Züge. Ich habe ihn vor Jahren einmal im Kreistag als den 'Grandseignieur der Abfallwirtschaft' bezeichnet. Das hat zwar Gelächter hervorgerufen, war aber ernst gemeint. Er war aus fachlicher Sicht eine Idealbesetzung für diesen Geschäftsbereich. Die SPD-Fraktion hat seinen Rücktritt nicht gefordert. Manche Prozesse brauchen aber womöglich ein reinigendes Momentum, damit es danach weitergehen kann. Kritik und Enttäuschung haben sich nicht nur zuletzt weniger an der Frage nach der Verursachung des Greensill-Verlustes festgemacht, sondern am Umgang mit diesem Debakel durch den Beigeordneten. Es begann im Frühjahr 2021 damit, dass er dem Kreistag eine Quasi-Mitverursachung unterstellte, weil dieser im Januar 2007 dem AWB eine eigene Kassenführung zugestanden habe. Wenn Gerd Dittmann immer wieder - auch mich - aufgefordert hat, mit ihm das Zwiegespräch zu suchen, wird darin sein Denkfehler deutlich. Wären Gespräche hinter verschlossenen Türen der Sache dienlich gewesen? Nein, denn es ging und geht um Fragen, die öffentlich gestellt werden und ebenso öffentlich beantwortet werden mussten und noch beantwortet werden müssen.
Zum Beispiel die Frage nach der Kompensation des Greensill-Verlustes für den Abfallwirtschaftsbetrieb: mit Müllgebühren oder aus dem Kernhaushalt des Kreises? Gerd Dittmann hat auf die lange Laufzeit der Deponienachsorge von 20, 30 Jahren hingewiesen und darauf, dass es ja Einnahmeeffekte geben könnte, die den Verlust ausgleichen. Welche das sein könnten, habe ich mehrfach im Ausschuss und im Kreistag gefragt und habe keine schlüssige Antwort erhalten. Wenn sich Vergünstigungen bei der Deponienachsorge oder Einnahmeeffekte, beispielsweise aus dem Papiergeschäft, ergeben würden, müssten die sich selbstverständlich senkend auf die Müllgebühren auswirken und nicht das Greensill-Loch stopfen. Wenn der AWB aktuell nicht liquide wäre, würde diese Diskussion mit wesentlich größerer Schärfe geführt. Die kommunale Familie befürchtet schon jetzt negative Auswirkungen auf die Kreisumlage. Natürlich hoffen wir, dass der Schaden noch verringert werden kann, aber auf Zeit und Vergessen zu setzen, kann nicht der Weg sein. Zur CDU: Das minutiöse Nachhaken der CDU-Fraktion war zur Bewältigung des Vorfalles durchaus hilfreich. Aber der Boykott der wichtigen AWB-Sitzung zur Vergabe eines Großauftrages zur Deponieabdichtung war pflichtwidrig und höchst gefährlich für die Finanzen des AWB und des Kreises. Aber ich glaube, das wissen die konservativen Akteure mittlerweile selbst." (vh)
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