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Nachricht vom 24.05.2023
Region
Die Stadt Altenkirchen wird Bürgern tiefer in die Tasche greifen
Der Verwaltungsaufwand ist immens: Auch in der Stadt Altenkirchen werden nach dem 13. Juni vielen Einwohnern neue Bescheide über erhöhte Realsteuersätze in die Häuser flattern, die rückwirkend zum 1. Januar gültig sind, also auch Nachzahlungen erforderlich machen.
Fünf vor Zwölf ist es noch nicht ganz: Bis zum 30. Juni muss der Beschluss des Stadtrates Altenkirchen für die neuen Hebesätze der Realsteuern gefasst sein. (Foto: Pixabay)Altenkirchen. In gewisser Weise fungiert das Land Rheinland-Pfalz als eine Art Erpresser: Bringst du, Gemeinde XY, deine Realsteuersätze nicht mindestens auf die von uns festgezurrten Nivellierungswerte, erleidest du, Gemeinde XY, finanzielle Nachteile der Gestalt, dass es künftig womöglich keine wie auch immer gearteten Zuwendungen geben wird. Deswegen sind unendlich viele Kommunen zwischen Zweibrücken und Mudersbach, so auch die Stadt Altenkirchen, derzeit im Stress, denn die Deadline für eine Anpassung nach oben inklusive Beschlussfassung ist der 30. Juni. Die ersten Weichen für ein Plus hatte der Stadtrat in seiner Sitzung am 23. März bereits gestellt und die Eckdaten an den in Mainz definierten Basiswerten festgezurrt, um auch weiterhin Förderanträge erfolgreich platzieren zu können: Grundsteuer A 345 vom Hundert (v.H.) und Grundsteuer B mit 465 v.H. Die Gewerbesteuer war mit 450. v.H. unangetastet geblieben, wobei die Richtlinie aus der Landeshauptstadt „nur“ 380 v.H. vorsieht. Den nächsten vorberatenden Schritt des Anstiegs vollzog der Hauptausschuss der Stadt in seiner Sitzung am Mittwochnachmittag (24. Mai), in dem er bei einer Gegenstimme den ersten Nachtragshaushalt für 2023 mit den neuen Hebesätzen (Grundsteuer A 400 v.H. und Grundsteuer B 530 v.H.) genehmigte. Die Gewerbesteuer wurde bei 450 v.H. belassen. Das letzte und abschließende Wort haben die Mitglieder des Stadtrates, die am 13. Juni zu ihrer nächsten Sitzung zusammenkommen.

Die dritte Aufstockung
Die Aufstockung ist bereits die dritte innerhalb von nur wenigen Monaten. Im Doppelhaushalt für die Jahre 2022/2023 war verfügt worden, die Hebesätze für die Grundsteuer B von 430 auf 450 v.H. und für die Gewerbesteuer von 420 auf 450 v.H. wachsen zu lassen. Die Grundsteuer A war nicht „angepackt“ worden und blieb bei 330 v.H. stehen. Dieser Schritt war bereits zum 1. Januar 2022 vorgesehen, jedoch in der Haushaltsdiskussion unter dem damaligen Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt (SPD) verworfen und das Inkrafttreten beim hauchdünnen Pro-Votum für den gesamten Haushalt um ein Jahr auf den 1. Januar 2023 verschoben worden. Liegen die Grundsteuern A und B über den vom Land verfügten Richtmarken, verbleibt jeder einzelne Euro, der auf diesem Weg eingenommen wird, zu 100 Prozent in der Stadtkasse und wird nicht zum Beispiel für Berechnungen der Umlagezahlungen an Kreis und Verbandsgemeinde herangezogen. „Wir müssen über die Nivellierungssätze gehen, wenn wir weiter, wie in den zurückliegenden vielen Jahren auch schon, gestalten wollen“, hatte Heijo Höfer (SPD) als ehemaliger Stadtbürgermeister und jetziges Ratsmitglied in der März-Zusammenkunft betont. „Wir waren überrascht von der guten Einnahmesituation“, merkte nunmehr Ralf Lindenpütz als aktueller Stadtchef an und verdeutlichte, dass deswegen die Grundsteuer B nicht um 100, sondern nur um 80 Prozentpunkte wachse. Zudem sei das Beibehalten der Gewerbesteuerquote ein „Signal an die Gewerbetreibenden“.

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
In der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld muss jede der 67 Ortsgemeinden sich mit dem Thema der Realsteuersätze befassen, wie Kämmerin Annette Stinner darlegte. In über 40 seien die Anpassungen inzwischen erfolgt. Hintergrund der Neuausrichtung: Der Verwaltungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hatte mit Urteil vom 16. Dezember 2020 festgestellt, dass der kommunale Finanzausgleich nicht mehr mit der Landesverfassung vereinbar sei. So wurde dem Land aufgegeben, den Finanzausgleich neu zu regeln und den Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel in einem aufgaben- und bedarfsorientierten System zu sichern. Gleichwohl wurde den Gemeinden aufgegeben, selbst größtmögliche Anstrengungen zur Konsolidierung ihrer Finanzlage zu leisten. Vor diesem Hintergrund hob das Land die Nivellierungssätze an. Dadurch wurden die Gemeinden in Zugzwang gesetzt, ihre eigenen Hebesätze ebenfalls anzupassen, da sie andernfalls finanzielle Nachteile erleiden.

Finanzhaushalt nicht ausgeglichen
Darüber hinaus ging Stinner noch auf Änderungen in dem Zahlenwerk ein. So schließt der Ergebnishaushalt mit einem „Guthaben“ in Höhe von 713.417 Euro ab, der Finanzhaushalt fällt mit einem Minus von 2.410.037 Euro aus (vorgesehen war lediglich ein Minus von 272.418 Euro). Das sei, so Stinner, dem Fakt der übermäßig gut gesprudelten Gewerbesteuer im Jahr 2022 auf 8.389.363 nach 6.275.263 Euro in 2021 geschuldet und daraus resultierende deutlich höhere Umlagezahlungen. Zudem gelte dieser Teilbereich im Gegensatz zum Ergebnishaushalt als nicht ausgeglichen. Dennoch sei keine Kreditaufnahme erforderlich, liquide Mittel bereinigten den Verlust. „Ende des Jahres 2025 ergibt sich ein Kassenbestand in Höhe von rund 2,9 Millionen Euro“, fügte Stinner an. Die Erhöhungen bei den beiden Grundsteuern garantieren Mehreinnahmen in Höhe von 1070 Euro (A) und rund 326.000 Euro (B) und das jeweils pro Jahr. (vh)
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