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Nachricht vom 03.03.2012
Region
Lebenshilfe Altenkirchen feiert 50-jähriges Jubiläum
Über 500 Gäste durfte die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. im Landkreis Altenkirchen/Ww am Samstagnachmittag anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens in der Stadthalle in Betzdorf begrüßen.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. im Landkreis Altenkirchen/Ww begaben sich über 500 Gäste in die Stadthalle in Betzdorf, um dieses Ereignis zu feiern. Die Gesangsdarbietung des Lebenhilfe Projektchors war einer der vielen musikalischen Programmpunkte und erntete viel Beifall. Fotos: Bianca KlüserBetzdorf. Die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. im Landkreis Altenkirchen/Ww feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Um dieses feierliche Ereignis zu begehen hatten sich am Samstagnachmittag über 500 Gäste in den Räumlichkeiten der Stadthalle in Betzdorf eingefunden. Für eine großartige musikalische Eröffnung sorgte der Musikverein Scheuerfeld, der das Programm immer wieder durch stimmungsvolle Musikeinlagen ergänzte und dafür stets großen Beifall seitens des Publikums erntete. Dann betrat Moderator Christoph Düber die Bühne und hieß die Gäste aufs Herzlichste in der frisch wiedereröffneten Stadthalle willkommen. Die Lebenshilfe, so sei es ihm zu Ohren gekommen, habe das weltbeste Publikum, so Düber und leitete über zur offiziellen Begrüßung durch Rita Hartmann, Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe Altenkirchen.

Diese ging in ihrer Begrüßungsrede zunächst auf die Gründung der Lebenhilfe zurück, die aus der Not von Eltern geistig behinderter Kinder vor rund 50 Jahren in der Gaststätte Brabeck in Betzdorf vonstattenging. „Nach dem Motto „Hilf dir selbst, sonst wird dir nicht geholfen“ und angespornt durch die Beispiele anderer Lebenshilfegründungen wollten sie, dass ihre geistig behinderten Kinder nicht nur ein Recht auf Leben haben, sondern leben sollten wie jedes andere Kind auch“, so Hartmann. Weiter erzählte sie, dass es der inzwischen verstorbene Gründungs- und Ehrenvorsitzende Carl Demmer und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen gewesen seien, die den Grundstein für die heutige Arbeit gelegt haben. Die Lebenshilfe habe in den letzten 50 Jahren eine rasante Entwicklung erfahren. Heute betreue die Lebenshilfe über 70 Jugendliche und 110 Erwachsene im ambulanten Bereich, habe 90 Kinder zu Besuch in den Kindergärten in Wissen, Alsdorf und Weyerbusch, betreue 86 Menschen in den Wohnheimen und beschäftige 448 behinderte Menschen in ihren Werkstätten. 316 Mitarbeiter seien involviert und arbeiten in allen Einrichtungen und Diensten mit, Lebenshilfe zu einem „Leben wie du und ich“ zu geben. Der Verein zähle über 500 Mitglieder. Unter anderen gelte der Dank auch engagierten Eltern, Angehörigen und Freunden, die sich von der Idee Lebenshilfe immer wieder überzeugen lassen. Es folgte eine Gedenkminute an all diejenigen Verstorbenen, die der Lebenshilfe verbunden waren. Im Folgenden stellte Vorstandsvorsitzende Rita Hartmann das derzeitige Projekt der Lebenshilfe vor: eine inklusive Kindertagesstätte in Wissen. Zur Realisierung bedürfe es jedoch weiterer Unterstützung sowie eines Piloten. Einen großen Dank richtete sie auch an den Landkreis, der bereits in der Vergangenheit Unterstützung geleistet habe, die über das Muss hinausging. Die Lebenshilfe freue sich sehr über die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die viel Engagement bei der Arbeit zeigen. Die Lebenshilfe unterstütze Familien, die Tag für Tag, Jahr für Jahr ihre Kinder und Angehörigen zuhause betreuen. So fahren über 200 Menschen jeden Alters jährlich mit der Lebenshilfe in den Urlaub, was den Familien zuhause eine Atempause ermögliche. Lebenshilfe sei heute wie damals an erster Stelle Hilfe zur Selbsthilfe. Hier schlage ihr Herz. Abschließend rief sie noch einmal alle Anwesenden auf, die Lebenshilfe bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Im Anschluss richtete Landrat Michael Lieber sein Wort an die Gäste und überbrachte Grüße und Gratulationen im Namen des AK-Kreises sowie der gesamten kommunalen Familie. Im Folgenden zeigte Lieber anhand von Thesen auf, was die vergangenen 50 Jahre Lebenshilfe zu etwas so wertvollen mache. So seien es 50 Jahre im Dienste der Mitmenschen, vertrauensvoller und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Kreis, tatkräftigen Engagements, unermüdlichen Einsatzes zur Unterstützung und mehr. „Danke für 50 Jahre Lebenshilfe! Und: auf mindestens neue 50 Jahre Lebenshilfe!“, so Lieber, sicherte Spenden des AK-Kreises für künftige Projekte zu und schenkte der Lebenshilfe einen eintägigen Besuch seinerseits in den Werkstätten mit einer anschließenden vom AK-Kreis finanzierten Party.

Dann überbrachten die Kinder und Betreuerinnen der Kindertagesstätte Alsdorf mit einem musikalischen Gesangsbeitrag ihre persönlichen Glückwünsche an die Lebenshilfe und überreichten der Vorstandsvorsitzenden Rita Hartmann wie im Lied besungen einen Regenbogen, Seifenblasen, eine weiße Wolke, einen Kieselstein, einen Luftballons, Kuchenherz.

Es folgte die Festrede des Bundesvorsitzenden der Lebenshilfe, Robert Antretter, der bereits beim 40-jährigen Jubiläum der Lebenshilfe Altenkirchgen diesen Part innehatte. „Ich bin gekommen, um mich für 50 Jahre unermüdliche, höchst engagierte Arbeit des Auf- und Ausbaus eines Netzes der Hilfen für Menschen mit geistiger Behinderung und ihrer Angehörigen zu bedanken“, so Antretter und gratulierte des Lebenshilfe aufs Herzlichste zum Jubiläum. Sie habe Großartiges in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten geleistet. Es sei kultur- und weltgeschichtlich weder gesichert noch selbstverständlich gewesen, dass Menschen, die anders waren als andere, ein Recht auf ein Leben mit unter den anderen haben. Dies habe die Unmenschlichkeit des letzten Jahrhunderts deutlich gezeigt. Die Aufgabe des Wächtertums habe folglich ihren Ursprung im Unfassbaren. Die Gründerinnen und Gründer der Lebenshilfe seien in die Geschichte des zweiten Versuchs der Deutschen mit einer Demokratie eingetreten, ein Versuch, den er aus Sicht des heutigen Tages für erfolgreich befand. Mit dem Verfassungskonvent im Sommer 1948 in Herrenchiemsee und der Verbindlichkeit von Artikel 1 der neuen Verfassung sei nicht mehr möglich gewesen, was einmal möglich war, nämlich dass Eltern behinderte Kinder verstecken müssen, Angst vor einem verbrecherischen Staat haben, von der Forschung missbraucht und der Umwelt verspottet werden. Ab 1962 habe die Lebenshilfe diese Entwicklung aktiv mitgestaltet. „Sie haben das Land, das eineinhalb Jahrzehnte vorher noch weggeschaut hat, gelehrt, dass es die in ihre Mitte nehmen muss, die nicht perfekt sind, die nicht alles so schnell können, wie die anderen“, so Antretter und warnte vor dem gefährlichen Wahn der Gesellschaft, den perfekten Menschen schaffen zu wollen. So ermögliche eine als „Forschungsfortschritt“ titulierte Erkenntnis heute einen pränatalen Test auf Down-Syndrom, die einzig der frühzeitigen Eliminierung des Kindes dienen solle und berief sich auf eine einstige Aussage Papst Benedikts XVI, der die angeblich bessere Welt von morgen als eine Fata Morgana bezeichnete. Die Lebenshilfe müsse Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen zur Seite stehen und alle nur denkbare Förderung zur Selbstständigkeit gewährleisten. „Der Weg der Lebenshilfe“, so Antretter weiter, „begann mit Visionen und ist mit Visionen gepflastert. Visionen die Wirklichkeit wurden.“ Als Beispiele nannte er hier etwa die Einführung der Schulpflicht für geistig behinderte Menschen oder aber die Möglichkeit der Teilnahme behinderter Menschen an den olympischen Spielen. Es sei das Ziel, dass Menschen, die geistig behindert genannt werden, ganz selbstverständlich zu den anderen dazu gehören. Bereits heute haben sie ihren eigenen Platz in der Mitte der anderen erobert. Die Lebenshilfe verhelfe behinderten Menschen durch ihr Wirken zu immer mehr Teilhabe. Mit einem abschließenden „Dank und Glückauf der Lebenshilfe Landkreis Altenkirchen für die kommenden Jahrzehnte“ beendete Antretter seine Festrede.
Nach einer Pause mit Getränken und leckeren Snacks für die Gäste, ging es im Programm weiter mit dem Musikbeitrag des Lebenshilfe Projektchors, der Xavier Naidoo’s „Was wir alleine nicht schaffen“ präsentierte und dafür großen Beifall vom Publikum erntete.

In den folgenden drei Talkrunden befragte Moderator Christoph Düber einige der Ehrengäste zu den Themen „Die Entwicklung der Lebenshilfe“, „Die Lebenshilfe im Gemeinwesen“ und „Was bedeutet die Lebenshilfe für uns?“. Zum ersten Thema äußerten sich Emil Weichlein, ehemaliger Landesvorsitzender der Lebenshilfe Rheinland Pfalz und Wolfgang Weyel, ehemaliger Vorstand der Lebenshilfe. Zur Frage, was das besondere an der Entwicklung der Lebenshilfe Altenkirchen in den vergangenen 50 Jahren sei, antwortete Weichlein mit der außergewöhnlich frühen Gründung, der unglaublichen Beharrlichkeit sowie der großen Zahl der Mitglieder. Die zweite Talkrunde bestritt Moderator Christoph Düber mit Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Mitglied des Deutschen Bundestages, Josef Zolk, Bürgermeister der Verbandgemeinde Flammersfeld und Barbara Jesse, Landesvorsitzende der Lebenshilfe Rheinland Pfalz. „Man muss selbst von etwas überzeugt sein, dann gelingt es, auch andere zu überzeugen“, so Sabine Bätzing-Lichtenthäler auf die Frage, wie es ihr gelänge, die Menschen in Berlin von der Notwendigkeit der Unterstützung der Lebenshilfe Altenkirchen zu überzeugen. In der letzten Runde stellten sich Melanie Drogi, Elternausschuss der Kita Weyerbusch, Paul Stahl, Vater eines behinderten Mannes und Peter Schmallenbach, Vorsitzender des Werkstattrats Westerwald Werkstätten den Fragen von Moderator Christoph Düber. Auf die Frage, welche Wünsche er an die Lebenshilfe habe, antwortete Peter Schmallenbach unter anderem mit dem Wunsch eines Behindertenbeauftragten für den Kreis Altenkirchen.

Das kurze Intermezzo des Schaustall Flammersfeld, der das Theater „Thomas fährt Bus“ präsentierte, amüsierte die Gäste prächtig. Für einen musikalisch gelungenen Abschluss der Veranstaltung sorgte erneut ein musikalischer Auftritt des Musikvereins Scheuerfeld. (bk)
       
       
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