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Nachricht vom 21.10.2025 |
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Region |
BI gegen Ortsumgehungen an der B 8: Verkehrsexperte Knoflacher als "Unterstützer" |
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Die Bürgerinitiative (BI) gegen Ortsumgehungen an der B 8 bleibt am Drücker: Sie wird nicht müde, auf die in ihren Augen unsinnigen, aber geplanten Bypässe um die Ortsgemeinden Helmenzen, Weyerbusch und Kircheib herum hinzuweisen. Ein Vortrag über die Erkenntnisse des österreichischen Verkehrsexperten Hermann Knoflacher untermauerte die ablehnende Haltung der BI. |
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Weyerbusch. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Das machte Dr. Gunnar Lindner, der Koordinator der Bürgerinitiative (BI) gegen Ortsumgehungen an der B 8 (noB8ou), deutlich mit dem Hinweis, dass die BI mittlerweile im fünften Jahr gegen die in ihren Augen überflüssigen Ortsumgehungen um Helmenzen, Weyerbusch und Kircheib herum kämpft und "keinesfalls nachlassen wird". Mitten im Gesellschaftssaal des "Brodvereins" im Gasthof zur Post in Weyerbusch war ein Feld von der Größe eines Autos gesperrt, so dass deutlich wurde, wie viel Platz ein Pkw durchschnittlich einnimmt – eine Fläche, die Menschen dann nicht mehr zur Verfügung steht. Mit einem Gestell dieser Größe, das er sich über die Schultern hängt, geht der international bekannte österreichische Verkehrsexperte Hermann Knoflacher durch die belebte Wiener Innenstadt und zeigt auf diese Weise, wie viel Raum dem Auto im Unterschied zum normalen Fußgänger zugestanden wird. Als "Gehzeug" stimmt das provokative Gestell nachdenklich, als "Stehzeug" ärgert es Autofahrer, die jeweils einen Parkplatz suchen. Die Konstruktion weise auf den unverantwortlichen Flächenverbrauch durch Parkplätze hin, die Städte verstopfen, versiegeln und verschandeln sowie im großen Stil die Umwelt zerstören.
Zwei Spezies: Menschen und Autofahrer
Mit diesem markanten Beispiel aus Wien begannen Marein und Eckhard Osten-Sacken, Mitstreiter der ersten Stunde in der BI, ihren Vortrag über Knoflacher, dessen Forschungsergebnisse das Motto der BI "Wer Straßen sät, wird Autos ernten" untermauern. Knoflacher weist mittels exakter Daten nach, was bis heute in der Straßenverkehrspolitik, im Verkehrs-, Siedlungs- und Wirtschaftssystem nicht gewusst bzw. ignoriert werde: Der Mensch sei genetisch ein Fußgänger und beim Autofahren dem gefährlichen Missverhältnis zwischen Geschwindigkeit, Masse, Kraft und eigener Wirksamkeit gar nicht gewachsen. Er könne daher das Geschehen letztlich weder kontrollieren noch verantworten, benehme sich laut Knoflacher aber "wie der Autofahrer, der nach einem Verkehrsunfall, bei dem sein Fahrzeug sich mehrfach überschlagen hatte, der Meinung war, er hätte nie die Gewalt über sein Fahrzeug verloren, weil er das Lenkrad schließlich immer fest in der Hand gehabt hätte". Verkehrsingenieure versuchten, dieses Missverhältnis durch überbreite Fahrspuren zu kompensieren. Das habe wiederum enorme zusätzliche Versiegelungen, also Flächenfraß zur Folge. Da Deutschland aber seit dem zurückliegenden Jahrhundert bei permanent steigendem Motorisierungsgrad – der als Indikator für wirtschaftliche Prosperität angesehen werde – zu einer Nation von Autofahrern geworden sei, "fehlt uns mittlerweile die Fähigkeit, die Entwicklungen im Verkehrswesen und das eigene Verhalten kritisch zu betrachten oder gar zu korrigieren: Wir sind gewissermaßen Opfer einer Viruserkrankung mit dem ,Autovirus’ geworden", erklärten die beiden Vortragenden mit Bezug zu Knoflacher, der nunmehr so weit geht zu postulieren, dass es inzwischen zwei Spezies gebe: Menschen und Autofahrer.
Menschen kauern in Metallkapseln
Die Autofahrer seien „Verkehrsgeschöpfe, bestehend aus einer Metallkapsel und einem darin kauernden Menschen“. Dieses Geschöpf sei fasziniert von dem vermeintlichen Gewinn bei maximaler Eigenenergieeinsparung. Es glaube, Beschleunigung und schnelle Verkehrssysteme brächten wirtschaftlichen Nutzen. "Irrtum", sagt Knoflacher, "es gibt nachweislich keine Zeiteinsparung durch Geschwindigkeit. Dieses komplexe Phänomen ist in der Wissenschaft längst als 'Reisezeitkonstanz im System' bekannt. Es bedeutet, dass durch Geschwindigkeitserhöhung lediglich die Wege verlängert, unterm Strich aber weder Fahrtzeiten noch Wege verkürzt werden." Wider besseren Wissen gäben aber Politik und Wirtschaft weiter Milliarden für Straßen, Park- und Stellplätze aus. Die in Kauf genommenen Schäden an Natur und Umwelt seien unverantwortlich und inzwischen unermesslich. Die Ansätze zur Regulierung vergleicht Knoflacher mit dem Versuch, einen Ertrinkenden in einem vier Meter tiefen Pool durch Absenken des Wasserspiegels zu retten. Viele weitere Aspekte stellten die beiden gut informierten Referenten kritisch und umfassend dar, so dass nach dem Vortrag eine lebhafte Diskussions- und Fragerunde den Abschluss des Treffens bildete.
Das ist Hermann Knoflacher
Hermann Knoflacher wurde am 21. September 1940 in Villach (Kärnten) geboren und wuchs auf dem Bauernhof der Großeltern auf, wo alle arbeiteten und von dem lebten, was der Hof hergab. Diese Erfahrung und die lebendige Beziehung zur Natur sind bis heute eine wichtige Triebfeder für Knoflacher. Nach der Schule arbeitete er auf dem Bau und verdiente sich so sein Studium des Bauingenieurswesens, der Mathematik und der Geodäsie. Inzwischen ist er der führende Verkehrsplaner in der EU. Er wird immer wieder auch "Gottseibeiuns" genannt; das ist eine alte Umschreibung für den Teufel, worüber Knoflacher nur lacht. Er ist zudem Präsident des "Club of Vienna", einer internationalen Vereinigung von 27 Wissenschaftlern zur interdisziplinären Erforschung der Ursachen des Wachstums, gewissermaßen eine Folge-Einrichtung des "Club of Rome", der 1978 begann, die Grenzen des Wachstums zu erforschen. Knoflacher ist zudem Autor mehrerer Bücher wie zum Beispiel "Virus Auto 4.0" (Lebensraum für Mensch und Natur in Stadt und Land) oder "Zurück zur Mobilität!" (Anstöße zum Umdenken). (vh) |
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Nachricht vom 21.10.2025 |
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