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Nachricht vom 05.06.2012
Region
Tierärzten mit Großtierpraxen fehlt der Nachwuchs
Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung, Zukunft der Tierarztpraxen im ländlichen Raum standen im Mittelpunkt eines Fachgespräches mit Tierärzten der Region und MdL Thorsten Wehner. Es ging auch um die Abgabe von Medikamenten durch die Tierärzte, die mit dem Verkauf letztlich viel Geld verdienen.
Diskutierten über die Situation der Landtierärzte im Westerwald: Bernd Neubauer, Dr. Klaus Schifferings, Dr. Hans Vollmar und MdL Thorsten Wehner (von links). Foto: Pressebüro
Kreisgebiet. Um die berufliche Situation der Tierärzte mit Großtierpraxis in der heimischen Region zu beleuchten, traf sich der Landtagsabgeordnete Thorsten Wehner zu einem Gedankenaustausch mit dem Wissener Tierarzt Dr. Hans Vollmar sowie seinen beiden Kollegen Dr. Klaus Schifferings aus Flammersfeld und Bernd Neubauer aus Hachenburg.

Auslöser des Gesprächs waren für den SPD-Politiker, der auch agrarpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion ist, die jüngsten öffentlichen Diskussionen um den massiven Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Anders als in der Humanmedizin haben Tierärzte ein sogenanntes „Dispensierrecht“, d.h. sie dürfen eine Tierapotheke führen und somit Arzneien direkt verkaufen. Insbesondere aus Reihen von Umweltverbänden war den Tierärzten vorgeworfen worden, mit dem übermäßigen Verkauf von Antibiotika Geschäfte zu machen. Wehner wies in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss der Agrarministerkonferenz im April dieses Jahres hin, wonach eine bundesweit einheitliche Erfassung des Antibiotikaeinsatzes bei landwirtschaftlichen Nutztieren in einer Datenbank angestrebt werden solle. Ziel dieser Datenbank sei es, einen erhöhten Antibiotikaverbrauch in einzelnen Betrieben zu erkennen und den Medikamenteneinsatz zu minimieren. Wehner äußerte in dem Gespräch jedoch erhebliche Zweifel, ob man mit einem derartigen bürokratischen Instrument das gesteckte Ziel auch tatsächlich erreichen könne.

„Die große Mehrheit der Tierärzte geht verantwortungsvoll mit der Verschreibung von Medikamenten um“, stellten die heimischen Tierärzte klar. In jeder Branche gebe es „Schwarze Schafe“. Diese würden trotz neuer Gesetze weiterhin ihre Schlupflöcher finden. Die derzeitigen Regelungen seien daher völlig ausreichend. Eine solche Datenerhebung hätte lediglich einen erhöhten Arbeitsaufwand zur Folge, so die übereinstimmende Meinung der Tiermediziner.

Zwischenzeitlich war sogar seitens des Bundeslandwirtschaftsministeriums über eine Abschaffung des Dispensierrechts nachgedacht worden. Diese Pläne seien jedoch erst einmal vom Tisch. „Man muss sich vorstellen, was das konkret für den Landwirt zur Folge hätte, wenn der Tierarzt zukünftig vor Ort nur noch ein Rezept ausstellt, gerade an Wochenenden“, verdeutlichte Dr. Vollmar das praktische Dilemma. Abgesehen davon habe die Abschaffung des Dispensierrechts in anderen Staaten nicht zu einer signifikanten Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes geführt.
Antibiotika müssten im Krankheitsfall eingesetzt werden. Darauf hätten die Tiere aus Tierschutzgründen einen Anspruch, so Dr. Vollmar. Selbstverständlich sei der Verkauf von Medikamenten auch notwendig zur Einkommenssicherung, stellten die Anwesenden klar.
Bei Thorsten Wehner stieß das Anliegen auf offene Ohren. „Es wäre fatal, wenn den Tierärzten diese wichtige Einnahmequelle wegbrechen würde“, bestätigte der SPD-Politiker.

Den Großtierpraxen im ländlichen Raum fehle es ohnehin an Nachwuchs. 90 Prozent der Absolventen seien Frauen, die es fast ausschließlich in den Kleintierbereich ziehe.
„Eine Nutztierpraxis ist sowohl finanziell als auch von den Arbeitszeiten weniger attraktiv“, erklärten die Tierärzte. Es seien aber auch immer weniger männliche Kollegen bereit, sich auf dem Land niederzulassen. Wenn sich beim Studium der Tiermedizin und den entsprechenden Zulassungskriterien nichts ändere, werde dies mittelfristig zu einer spürbaren Verschlechterung in der veterinärmedizinischen Versorgung von Großtieren im ländlichen Raum führen, sind sich Neubauer, Schifferings und Vollmar sicher. Leidtragende wären vor allem die landwirtschaftlichen Betriebe, von denen bereits jetzt viele ums wirtschaftliche Überleben kämpfen müssten.
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