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Nachricht vom 19.05.2015
Region
Konstruktive Diskussionen beim Kreistreffen der Grünen
Beim öffentlichen Kreistreffen des Grünen-Kreisverbandes Altenkirchen in Wissen standen die aktuellen Flüchtlingsfragen und der zukünftig geplante Güterverkehr auf der Rhein-Sieg-Strecke zur Diskussion. Als prominenter Gast wurde MdB Tabea Rößner begrüßt. Zum Thema Ausbau der Rhein-Sieg-Strecke und mehr Güterverkehr ins Siegtal gab es kontroverse Sichtweisen.
Konstruktive Diskussionen in Wissen, von links: MdB Tabea Rösner, MdL Anna Neuhof, Friedrich Hagemann und Dr. Rudolf Beyer vom Kreisvorstand. Foto: Manfred Hundhausen Wissen. Das Kreistreffen des Kreisverbands Altenkirchen von Bündnis 90/Die Grünen fand aus terminlichen Gründen und mit der Teilnahme von MdB Tabea Rößner in diesem Monat außerhalb des üblichen Turnus statt. „Auf der Tagesordnung stehen aktuelle Fragen und Vorschläge zu Problemlösungen die es in sich haben“, sagte Friedrich Hagemann vom Kreisvorstand in seiner Begrüßung der zahlreich erschienenen Delegierten. Hagemann freute sich besonders über die Anwesenheit von Tabea Rößner, die früh am Morgen erst aus Aserbeidschan zurückgekommen war.

MdB Tabea Rößner und Dr. Rudolf Beyer stellten die Situation und das Umgehen mit den Themen (Flüchtlinge, Ausbau Rhein-Sieg-Strecke) aus Sicht des Kreises Altenkirchen und aus Bundessicht dar, wobei man sich in der Flüchtlingspolitik ziemlich einig, aber beim Thema Verlegung des Güterverkehrs von der Rheinschiene auf die Siegstrecke durchaus gegensätzlicher Meinung war, und heftig über Vor- und Nachteile dieses Vorhabens der Deutschen Bahn diskutierte.

Zur Flüchtlingspolitik nahm Dr. Rudolf Beyer, der zurzeit selbst drei Flüchtlingsfamilien aus Syrien betreut, Stellung und informierte die Anwesenden, dass in diesem Jahr im Vergleich zu 2014 doppelt so viele Flüchtlinge aus den vielen Krisengebieten der Welt in Deutschland erwartet werden. Dies stelle Kommunen, Länder, Bund und alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Ende des letzten Jahres wurden ca. 500 Flüchtlinge im Kreis registriert, in den ersten Monaten des neuen Jahres seien fast 250 dazugekommen und man erwarte bis Ende des Jahres noch 500 zusätzliche Flüchtlinge, erläuterte Beyer. Die Wohnungssituation sei momentan kein großes Problem, da in den Dörfern im Kreis ein Wohnungsleerstand bestehe und deshalb die dezentrale Unterbringung optimal sei, mit Ausnahme der Mobilität, die sichtlich ein großes Problem darstelle und dringend gelöst werden müsse.

Als die zurzeit betreuungsintensivsten Probleme wurden die sprachliche Förderung der ankommenden Flüchtlinge sowie die ärztliche Versorgung und die Erlangung eines Girokontos zur Überweisung der Gelder von Sozialamt oder Jobcenter angesprochen sowie die Problematik der Asylbewerber mit dem Leistungsgesetz. Lösungen für besondere Regelungen im Nahverkehr für die betroffenen Personen und eine großzügige Handhabung zum Erhalt eines Girokontos auf bestimmte Zeit wünscht man sich parteiübergreifend schnell umzusetzen und hofft dabei auf Landrat Michael Lieber, der in seiner Funktion als Landrat und Vorsitzender im Verwaltungsrat des Sparkasse bisher immer ein offenes Ohr für die Probleme hatte und sich für Lösungen außerordentlich bereitwillig gezeigt habe. Beyer berichtete außerdem von einem landesweiten Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz, einem virtuellen Dolmetscher-Pool über das Internet oder Telefon, der den Behörden die Arbeit bei sprachlichen Problemen mit Flüchtlingen wesentlich erleichtern würde.

„Es ist erschreckend dass zurzeit 50 Millionen Menschen in der Welt auf der Flucht sind“, sagte Tabea Rößner. „In Deutschland haben sich im Vergleich zum Vorjahr die Asylanträge verdoppelt und sind zehnmal soviel wie 2009“, so Rößner. Da die Lasten von den Kommunen gestemmt werden müssten, könne man sich glücklich schätzen eine gut funktionierende ehrenamtliche Zivilgesellschaft zu haben, ohne die diese Herausforderungen schwer zu bewältigen seien. Ziel müsse es sein, dass Flüchtlinge die Sammelunterkünfte frühzeitig verlassen könnten um in dezentralen Wohnungen eine bessere soziale Integration zu erlangen.

Rößner bemängelte die Kürzung der EU im Bereich der Sprachförderung von 90 auf 60 Millionen Euro und das beim Flüchtlingsgipfel am 8. Mai „nicht wirklich viel rumgekommen“ sei. Aus ihrer Sicht sei es Ziel der Bundesregierung Flüchtlinge nicht dezentral sondern in Sammelunterkünften unterzubringen um schnell abschieben zu können. Sie erwartet zu diesem Thema noch langwierige Diskussionen mit der Bundesregierung und der EU und plädiert für eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge, eine schnellere Kompetenzermittlung, eine Bleibegarantie für in der Ausbildung befindlichen Jugendlichen und für die dafür notwendigen personellen Aufstockungen und finanziellen Mittel. Sie sprach ebenso die momentane in Brüssel bei der EU diskutierte Quotenregelung an und bezeichnete das momentane Gesetz, wo der Asylantrag nur in dem Ankunftsland gestellt werden darf als „schwachsinniges Konstrukt“.

Beim Thema Güterverkehr, der in Deutschland sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene von stetiger Zunahme gekennzeichnet ist, gingen die Meinungen über Vor- und Nachteile doch sehr weit auseinander. Da die Zuständigen in Bund und Ländern nach Entlastungsmöglichkeiten für die Bahnstrecke im Mittelrheintal suchen und zunehmend die Rhein-Sieg-Strecke sowie die Moselstrecke in Betrachtung ziehen, wurde deren Tauglichkeit nach einer geeigneten Ertüchtigung diskutiert. Es handelt sich bei diesen Überlegungen ausschließlich um die Nord- Südstrecke, die durch die Moselstrecke und die Siegtal-Strecke für den Güterverkehr entlastet werden soll.

Anna Neuhof, MdL, verwies auf die Diskreditierung des Personenverkehrs und auf zusätzliche Risiken bei Gefahrguttransporten. Sie begrüßte auch den Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Grünen aus NRW, die auch von den zukünftigen Problemen betroffen sei. Da für diese Planungen zwei Teilabschnitte von ein- auf zweigleisig umgebaut werden müssen, wird es erhebliche Verzögerungen im Berufsverkehr von und nach Köln geben. Die Deutsche Bahn, die zwei Alternativen zum Umbau der Siegstrecke vorgelegt hat, bevorzugt die zweite Lösung, nämlich die komplette Vollsperrung der Strecke von Au/Sieg bis Hennef/Sieg in den Sommermonaten, was für die Pendler aus dem Bereich Siegen/Betzdorf und Kirchen täglich zusätzlich mehr als zwei Stunden Fahrzeit beinhaltet.

Die geplanten Kosten von 73 Millionen Euro ergeben sich aus dem Ausbau von ein- auf zweigleisig sowie der Erweiterung einiger Tunnel in diesem Bereich. Da man an den Baumaßnahmen aufgrund der Beschlusslage der Grünen „Güter auf die Schiene“ nicht vorbeikomme, war die einhellige Meinung sich dem Schwerpunkt Lärmschutz intensiv zu widmen. Es wurde bereits eine parlamentarische „Lärmgruppe“ im Land gebildet und zu dem Thema Flug- und Bahnlärm in Rheinland-Pfalz ein Papier verabschiedet, dem sich schon 180 Befürworter quer durch alle Fraktionen angeschlossen haben.

Der Meinung einer Delegierten, dass dadurch die Region ihren mühsam erlangten Tourismus-Status wieder verlieren würde, konterte ein Delegierter mit entschiedener Schärfe. Er sah in der zukünftigen Planung die S-Bahn im 15 Minuten Takt bis nach Siegen fahren zu lassen eine Stärkung des regionalen Personenverkehrs.

Welche Konsequenzen sich konkret bei den Themen Flüchtlingspolitik und Güterverkehr für den Kreis Altenkirchen abzeichnen, welche Chancen oder auch Risiken sich wirklich daraus ergeben wird man wohl erst in den nächsten Monaten erfahren. (phw)

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