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Nachricht vom 01.02.2016
Region
Wahlplakate sorgen für Zorn und Unmut in Wissen
Es gibt seit der Nacht von Samstag, 30. Januar, auf Sonntag, 31. Januar eine Plakatierung einer Partei in der Innenstadt von Wissen, die nicht auf allgemeine Zustimmung stößt und für erheblichen Unmut in der Bevölkerung sorgt. "Das wollen wir hier nicht!" - so der allgemeine Tenor.
Überall in der Innenstadt, hier am Regio-Bahnhof Wissen, sorgen die Wahlplakate für viel Ärger. Fotos: Helga Wienand-SchmidtWissen. Die Partei „Der III. Weg“ ist in Rheinland-Pfalz mit ihrem Spitzenkandidaten Klaus Armstroff zur Landtagswahl zugelassen. Das bestätigt der Landeswahlleiter und es ist auf der Seite des Landeswahlleiters nachzulesen. Diese Partei hatte im Bereich der Innenstadt von Wissen im Schutze der Dunkelheit ihre Plakate angebracht. Ein Fahrzeug mit OE-Kennzeichen war unterwegs gewesen und hatte insbesondere im Bahnhofsbereich die Plakate an den Laternenmasten angebracht.

Nun am Montag regt sich Widerstand, die Diskussion in der Stadt ist im Gange. "Das muss wieder weg, so was wollen wir hier nicht", sagen offen und ehrlich Jürgen Linke, Burkhard Müller, Michael Kohl, Daniela Langenbach, Bernhard Klappert, Claudia Kostka und Thomas Nauroth dem AK-Kurier. Sie sind ebenso entsetzt wie viele andere auch, die ihren Namen nicht nennen oder lesen wollen.

Nun sind die Aussagen dieser Plakate für ein friedliches Zusammenleben der Menschen nicht gerade förderlich, aber sie sind in unserer Welt der Demokratie, der Freiheit und politischen Willensbildung erlaubt. Auch das Plakatieren war ordnungsgemäß beantragt und genehmigt worden. Dies bestätigte das Ordnungsamt der VG-Verwaltung auf Anfrage. Aber schon bei Tageslicht war schnell klar: das wollen die Wissener nicht in ihrer Stadt. Das zeigen jedenfalls die Reaktionen, die beim AK-Kurier schon am Sonntag einliefen. Die Menschen in der Stadt die das wahrgenommen haben und sich öffentlich äußern sind entsetzt.

Das ist verständlich, denn schaut man auf die Stadt und ihre Vergangenheit, muss man sich erinnern. Wissen: seit mehr als 1100 Jahren ein Ort, der sich in allen wechselhaften Strömungen der Geschichte sein eigenes Gesicht bewahrte. Egal, ob als Grenzort zwischen den Herrschaftsansprüchen der Fürstentümer des Mittelalters, Preußen hinterließ seine Spuren, und die Nazis unter Hitler konnten zwar Einzug halten, aber so richtig Fuß fassen konnten sie auch hier nicht. Der Esel, heute Wappentier der KG Wissen stammt aus einer unseligen Zeit, als die NS-Herrschaft sogar den Veilchendienstagsumszug verbieten wollte. Aber die Wissener wussten damals schon, wie sie damit umgehen konnten. Sie verhöhnten die Partei und ihren Führer und der Esel hielt Einzug.

Immer war Wissen ein Ort, in dem Fremde, woher auch immer sie kamen, aufgenommen wurden. Immer zeigte die Bürgerschaft ein menschliches Gesicht, so kann man es in vielen Berichten und Geschichten der jüngeren Vergangenheit nachlesen. Es gibt viele Personen, die diese besonderen Geschichten erzählt haben. Nicht zuletzt Zwangsarbeiter des NS-Regimes wie etwa der Franzose Octave Fort, oder die Russin Toya Tarasuk, die vor vielen Jahren den weiten Weg von Amerika auf sich nahm, um noch einmal Wissen zu sehen und die Menschen zu finden, die damals ihr Überleben sicherten.

Es gibt in Wissen ein bundesweit einmaliges Projekt, das nennt sich Jahrmarkt Wissen. Hier zeigen Menschen seit Jahrzehnten, dass die Verantwortung für eine friedliche Welt nicht an den eigenen Grenzen halt macht.

Die Stadt Wissen wurde um ihr Engagement der Städtepartnerschaften von der EU ausgezeichnet. Auch jetzt in der aktuellen Flüchtlingssituation zeigt die Wissener Bürgerschaft ein humanes Gesicht und man hilft wo es nur geht. Mit Wohnraum, mit Spenden, mit dem Treffpunkt des Cafés International. In Wissen versorgt und betreut das Christliche Jugenddorf minderjährige Flüchtlinge. Diese Auflistung ist völlig unvollständig, denn es gibt viele Menschen, die sich privat engagieren, der AK-Kurier berichtete jüngst über die Kleiderkammer in der Schulstraße. Es gibt den privaten Sprachunterricht und in vielen weiteren Dingen helfen Frauen und Männer den Neubürgern.

Junge Männer aus Eritrea, aus Syrien, aus Afghanistan oder anderen Krisengebieten leben ebenso wie geflüchtete Familien in Wissen und den Dörfern rundum. Die meisten sind einem mörderischen Krieg entkommen und vertrauen auf den Schutz des Staates und der Gesellschaft. Wie müssen sie solche Plakate empfinden? Welcher neue Hass wird da bewusst geschürt?

Nun ist der Spitzenkandidat dieser Partei, Klaus Armstroff, Jahrgang 1957, schon lange bekannt dafür, dass er gegen Flüchtlinge hetzt. Und dies in besonders aggressiver Form, so dass sich 2014 auch schon der Verfassungsschutz mehrerer Bundesländer mit ihm beschäftigen musste. Früher bei der NPD, er saß mal im Kreistag von Bad Dürkheim, gründete er die Partei "Der III. Weg", die in Rheinland-Pfalz drei Stützpunkte unterhält. Es gibt unbestätigte Hinweise, dass das Umfeld von Armstroff am Brandanschlag auf das Asylbewerberwohnheim in Limburgerhof beteiligt gewesen sein soll. Helga Wienand-Schmidt

Anmerkung der Redaktion: Um nicht auch noch Werbung für die Partei zu machen, wird auf die Detailfotos der Plakate verzichtet. Die Botschaften samt ihren schrecklichen Bildern wollen wir den Lesern nicht zumuten. Da gibt es Sätze wie: "Kriminelle Ausländer raus" - wobei das Wort Kriminelle so klein gedruckt ist, dass man nur "Ausländer raus" wahrnimmt. Gespielt wird mit einem grausamen Foto eines Totenschädels, "Volkstod stoppen!" ist da zu lesen, und vieles mehr. Die verwandte Fäkalsprache auf einem der Plakate werden wir nicht wiederholen.
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