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Nachricht vom 18.06.2016
Region
Die Region Betzdorf trauert um Pastor Georg Koch
31 Jahre diente Georg Koch in der Verbandsgemeinde Betzdorf als Pastor. Tröster, Wegweiser, Autoritätsperson und Brückenbauer – all das und mehr war der standhafte Geistliche für die Gläubigen der Region. Was und wer prägten den respektierten Seelsorger?
Pastor Georg Koch 2006 in der Kirche St. Ignatius. Fotos: Daniel PirkerBetzdorf. Viel zu früh ist Georg Koch nach schwerer Krankheit verstorben. 71 Jahre alt wurde der über Religionsgrenzen hinweg hoch angesehene Geistliche aus Niederfischbach. Noch im Mai 2015 fand ein Festgottesdienst anlässlich seines 70. Geburtstages statt. Die St.-Ignatius-Kirche platzte aus allen Nähten. Nur ein Hinweis auf das enorme Ansehen, das Koch während seiner 30 Jahre als Seelsorger in Betzdorf erworben hat. Die Gemeindemitglieder der Pfarreien Betzdorf, Scheuerfeld und Bruche scheinen zu wissen, was sie an ihm hatten.

Die Worte des Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats Betzdorf, Fabian Bodora, zeugten von tiefer Dankbarkeit: Koch stehe für einen Glauben, der sich aus der Begegnung mit den Menschen vor Ort speise und nicht nur „dogmatischer Entwurf“ sei. Der Geistliche begegne den Menschen auf Augenhöhe. Der Pastor sei Tröster, Wegweiser, Ermahner, Wanderhirte, Autoritätsperson und Brückenbauer zugleich.

Tatsächlich war Georg Koch auch ein gutes Beispiel dafür, weshalb man Menschen nicht in Schubladen stecken sollte. Schließlich pflegen nicht Wenige von der katholischen Kirche das Bild einer verknöcherten Institution, die den Menschen vorschreiben will, was sie zu tun und lassen haben. Ein Klischee in das Koch als Geistlicher nie passte. Sehr treffend drückte das sein Leitbild für seine Arbeit aus, welches er unserem Reporter für ein Portrait, das 2006 entstand, mal so beschrieb: „Ich will den Leuten helfen, ihren eigenen Weg zu finden. Ich möchte sie stärken, zu ihrer Freiheit zu gelangen und keinen Druck dabei ausüben.“

Anfänge in Saarbrücken und Koblenz

Auch dem jungen Georg Koch half ein Geistlicher „seinen Weg zu finden“. Der damalige Kaplan in Kochs Heimatort Niederfischbach war ein großes Vorbild. Zusammen mit ihm organisierte der heutige Pastor in seiner Jugend viele Freizeiten. Sein Mentor, der Kaplan, und die Zeit bei Messdienern und Pfadfindern prägten ihn so sehr, dass er mit 18 Jahren das erste Mal ernsthaft mit dem Gedanken spielte, Pastor zu werden. Allerdings war es damals unmöglich für ihn, sofort mit einer Pfarrerausbildung loszulegen, denn Voraussetzung dazu ist das Abitur. Koch konnte damals aber nur eine abgeschlossene Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten im Kirchener Amt vorweisen. Also hieß es erst mal nach Neuss zu ziehen und dort nach der Arbeit in der dortigen Stadtverwaltung am Abendgymnasium für die Hochschulreife zu büffeln.

Vier Jahre später, mit dem Abschluss in der Tasche, musste der frischgebackene Abiturient sich endgültig entscheiden. Immerhin war der 22-Jährige sich hundertprozentig doch noch nicht sicher über seine Zukunft – ein Medizinstudium war mittlerweile auch in Frage gekommen. „Allerdings schied diese Möglichkeit schnell aus – meine Physiknoten waren einfach zu schlecht“, erklärte Koch seinen damaligen Entschluss mit nicht ganz ernster Miene. Also folgte ein Studium der Theologie und Philosophie in Trier und München, das im siebten Jahr mit der Weihe zum Pastor abschloss. Seinen ersten „Kirchen-Job“ übte Koch als Kaplan in Saarbrücken aus. Was nach diesem Zwischenstopp kam, beschrieb der Pfarrer nostalgisch als seine „wildeste und schönste Zeit“: Zehn Jahre – vom dreißigsten bis zum vierzigsten Lebensjahr – begleitete er das Amt des Jugendpfarrers in Koblenz. Viele Freizeiten und Feiern verband Koch mit seiner dortigen Tätigkeit.

Traum deutete Weg nach Betzdorf
1985 musste er wieder entscheiden, welche Weggabelung er in seinem Leben wählen sollte: Eines Tages meldete sich der Trierer Bischof am Telefon. Ob er nicht Pastor für die Kirchengemeinde Betzdorf werden wolle, fragte der Chef des Erzbistums. Ein Traum hat dem damals 40-Jährigen letztendlich signalisiert, etwas Neues zu wagen und das Angebot anzunehmen. Bereut hatte er dies nie: „Die Zeit hier in Betzdorf war bis jetzt ein großer Gewinn“, gab er damals zu Protokoll. Gleichzeitig begann laut Koch erst mit dem Beginn seiner Tätigkeit als Betzdorfer Pastor sein „richtiges“ Studium: „Man muss erst mal lernen, mit den vielen Fragen zu Glauben und Leben umzugehen, die Menschen einen stellen.“

Bald merkte er, dass das übliche Werkzeug eines Pfarrers nicht mehr ausreichte, und fing deshalb ein Fernstudium der Psychologie an. Daraus versprach er sich, den Menschen bei der Bewältigung ihrer Probleme besser helfen zu können. Schließlich räumte Koch der Seelsorge einen hohen Stellenwert in seiner Arbeit ein. Sechs bis acht Stunden beriet Georg Koch Menschen in Lebensfragen.

Den zweiten Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die Predigt. „Predigen ist das, was mir am meisten Spaß macht“, sagte Koch zu dieser Aufgabe. Ungefähr zehn Mal redete er vor Gemeindemitgliedern in einer typischen Woche – Beerdigungen eingeschlossen. Jeden Morgen eines Werktags konnte man ihn lange Zeit ab 9 Uhr in einer der katholischen Kirchen der Verbandsgemeinde Betzdorf zuhören.

Ab 2001 war er neben Betzdorf auch für die Kirchengemeinden Scheuerfeld und Bruche zuständig. Obwohl ihn dies zusätzlich forderte, war ihm der direkte Draht zu den Menschen immer noch am wichtigsten.

Einen Grundsatz, den er auch bei der Kirchenführung gerne stärker umgesetzt gesehen hätte, wie er damals sagte: „Die Kirchenführung sollte offener werden gegenüber Fragen aus der Basis.“ Außerdem sollten Pastorale mehr Spielraum erhalten. Konkret forderte er mehr Freiheiten in der Sexualmoral, der Beichtpraxis und der Ökumene. Gerade die Ökumene, die Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche, lag Koch am Herzen. Unter ihm feierten katholische und evangelische Kirche gemeinsame Sonntagsgottesdienste – bis das Erzbistum Trier davon erfuhr und diese Art der Zusammenarbeit untersagte. Für Georg Koch sicher nicht ganz einfach zu akzeptieren. Schließlich erlebte er bei dieser Art der Ökumene, wie er zugab, „tief bewegende Augenblicke“.

Letzter "Zwischenruf" vor sieben Tagen
Insgesamt machte der Pfarrer mit dem silbernen Haar aber nicht den Eindruck, sich von Rückschlägen das Leben oder die Arbeit vermiesen zu lassen. So sprach eine Mischung aus Lebenserfahrung und tiefen Glauben aus ihm, als er sagte: „Ich weiß, dass das Leben auch unfair ist. Aber der Glaube hat mir auch die Kraft gegeben, strittige Situationen bestehen zu können.“

Als Georg Koch letzten Sommer den Ruhestand antrat, lag er bereits mehrere Jahre über den gesetzlichen Renteneintrittsalter. Seine Aufgabe als Pastor war für ihn immer auch Erfüllung. Für ihn stand fest: „Solange ich kann, werde ich dafür leben.“ Und genau das befolgte er bis zum Schluss. Trotz seiner kräftezehrenden Krankheit stellte er nie seinen E-Mail-„Zwischenruf“ ein. Der letzte wurde vor sieben Tagen verschickt. Die abschließenden Worte darin:

„Ein gütiger Vater wartet auf mich, um mir Heimat und Wohnung zu geben. Angst weicht, Dankbarkeit durchströmt mich, einen gnädigen Gott verkündigt zu haben. Ich schaue nach vorne! Freie und frohe Menschen zu sein – dazu sind wir berufen! So erwacht wieder Kirche in den Herzen der Menschen. Den Tanz mit dem Tod können wir wagen. Euer Wanderhirte am Horizont eines fast angstlosen Daseins.“ (ddp)
 
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