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Nachricht vom 27.12.2016
Region
Die ehrenamtliche Arbeit dreier Jahre wurde belohnt
Raiffeisen und Schultze-Delitsch veränderten die Welt nachhaltig. Ihre Genossenschaftsidee der Hilfe zur Selbsthilfe wurde in die Liste der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe aufgenommen. Josef Zolk, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Raiffeisengesellschaft, war in Addis Abeba und erlebte die Unesco-Tagung mit all ihrer Spannung.
Josef Zolk (rechts), Dr. Manfred Wilde (links) und Thomas Mende, im Konferenzsaal in Addis Abeba. Foto: prFlammersfeld. Die Raiffeisen-Idee hat es geschafft, sie wurde als immaterielles Weltkulturerbe von der Unesco anerkannt, und drei Jahre Arbeit der Raiffeisen-Gesellschaft und der Schulze-Delitzsch Gesellschaft belohnt. Josef Zolk, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Raiffeisengesellschaft, war in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und erlebte die Tagung. Er stand trotz gesundheitlicher Einschränkung für unser Interview zur Verfügung, dafür an dieser Stelle ein Danke.

AK-Kurier: Sie waren in Addis Abeba bei der Unesco-Konferenz, bei der die Genossenschaftsidee in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Wie lange dauerten die Vorbereitungen?

Zolk: "Vorweg, ich habe Erfahrungen machen dürfen, die ich nicht missen möchte. Am Ende der ganzen Geschichte bin ich glücklich und dankbar. Wir haben fristgerecht zum 30. November 2013 die Bewerbung für die Deutsche Liste eingereicht, die Arbeiten dazu hatten im Sommer 2013 begonnen. Die Arbeitssitzungen fanden in Dresden, Delitzsch, Flammersfeld und Weyerbusch statt. Am 12. Dezember 2014, das war zufälligerweise der Tag meiner Verabschiedung als Bürgermeister, wurde die Entscheidung bekannt, dass die Genossenschaftsidee durch die Kultusministerkonferenz in das bundesweite deutsche Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen und als erste und bisher einzige deutsche Bewerbung für die Unesco von der Bundesrepublik Deutschland nominiert wurde.

Die Arbeit ging deswegen sofort weiter und die zusätzlich neuen Bewerbungsunterlagen inklusive Bilder und Film haben wir dann am 16. März 2015 in Berlin dem Auswärtigen Amt und dem deutschen Unesco-Büro fristgerecht in englischer und deutscher Sprache überreicht. Die Schulze-Delitzsch-Gesellschaft und die Raiffeisen-Gesellschaft haben die Anträge jeweils gemeinsam erarbeitet und in den Gremien beschlossen. Aus dieser Kooperation ist zwischen dem Oberbürgermeister Dr. Manfred Wilde aus Delitzsch und mir eine wunderbare Freundschaft entstanden, sie ist der Garant unseres Erfolges in Addis Abeba gewesen, wobei wir beide bei der Erarbeitung und Formulierung der Bewerbungsunterlagen ein tiefes Vertrauen unserer beiden Gesellschaften hatten. Sonst hätten wir nicht so agieren und den Erfolg in Äthiopien erreichen können".

AK-Kurier: Wie ist die Organisationsform der Raiffeisen- bzw. der Schulze-Delitzsch-Gesellschaft?
Zolk: "Beide Organisationen sind ausdrücklich ehrenamtlich organisiert, also haben wir auch ehrenamtlich gearbeitet und Raiffeisen geradezu direkt erlebt und auch gelebt: „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“. Wir haben in der Vorbereitung unkompliziert zusammengearbeitet, die elektronischen Medien intensiv genutzt und uns partnerschaftlich ergänzt".

AK-Kurier: Wie war die Zusammenarbeit in Äthiopien?
Zolk: "Eine gute Kooperation wurde in den Zeiten der beiden Bewerbungen durchgehend mit dem deutschen Unesco-Büro in Berlin und Bonn gepflegt, da kann ich nur ganz herzlichen Dank sagen und in Addis Abeba vor Ort wurde diese Zusammenarbeit sachlich und menschlich noch intensiver, bereichert durch den deutschen Unesco-Botschafter, der aus Paris kam, und den Delegationsleiter vom Auswärtigen Amt. Wir waren ein tolles Team, sonst wären wir nicht erfolgreich gewesen, denn es war doch ein schwieriger Weg. Ich bin und bleibe dankbar, einen Anteil an dieser Arbeit zu haben".

AK-Kurier: Wie muss man sich eine derartige Konferenz vorstellen?
Zolk: "Die Tagung war in den Hallen der UNO, eigentlich ein Stadtbezirk für sich. Vertreter aus 173 Staaten und von vielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nahmen an der Tagung teil, die vom äthiopischen Staatspräsidenten, der Kulturministerin und den Unesco-Verantwortlichen eröffnet wurde. Stimmberechtigt waren die 24 Mitglieder des Zwischenstaatlichen Ausschusses, erfolgreich war eine Bewerbung nur, wenn alle Staaten zugestimmt haben, also Einstimmigkeit war Voraussetzung für die Anerkennung. Fast eine Stunde wurde über unsere Bewerbung diskutiert, nachdem eine Expertenkommission unseren Antrag durchaus kritisch gesehen und nicht zugestimmt hatte. Diese Sicht wurde aber von den stimmberechtigten Staaten überhaupt nicht geteilt, rund die Hälfte der stimmberechtigten Delegationen meldete sich zu Wort, alle sprachen sich ausnahmslos für unseren Antrag aus, teilweise mit sehr überzeugenden Argumenten. Es war beeindruckend zu erleben, dass weltweit die Genossenschaftsidee geschätzt, ja gewollt wird. Genossenschaft als Wertegemeinschaft mit den Zielen soziale Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Solidarität, Partizipation, demokratische Strukturen – ein weltweiter Wunsch, das wurde sehr deutlich. Wir erlebten eine Unterstützung quer durch die Kontinente. Dieses Gefühl ist nicht zu beschreiben".

AK-Kurier: Wie haben Sie persönlich Addis Abeba und die Tagung erlebt?
Zolk: "Wir sind immer noch beeindruckt von der Gastfreundschaft, ich bin dankbar, das alles erlebt zu haben. Wir wurden unterstützt, wo es nur ging. Vom Land selbst habe ich natürlich nicht sehr viel gesehen, wir waren in der Hauptstadt, dort haben wir das Nationalmuseum mit „Lucy“ ( das 1974 in Äthiopien entdeckte 2,4 Millionen alte Teilskelett einer Frau) und den größten afrikanischen Markt besucht und am ersten Tag gleich einen Gottesdienst in der äthiopisch-orthodoxen Dreifaltigkeits-Kathedrale miterlebt. Höhepunkt war hier der persönliche Segen der Geistlichen durch Handauflegung, der auch uns gespendet wurde. Wir sahen dies als sehr positiven Auftakt für die Tagung. Die Tagung selbst war natürlich durch die Beratungen geprägt, besonders eindrucksvoll empfanden wir die Freude, als der äthiopische Antrag, das Gada-System ins immaterielle Kulturerbe aufzunehmen, beschlossen war. Da war Volksfest im Kongress-Zentrum. Gada ist ein traditionelles sozio-politisches Herrschaftssystem der Volksgruppe der Oromo in Äthiopien. Es regelt die politischen, ökonomischen, sozialen und religiösen Aktivitäten der Menschen. Das Gada-System fördert den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Die Vertreter der Oromo jubelten, tanzten und zeigten in ihrer weißen Stammestracht ihre ganze Rührung und Freude, die auf uns alle übersprang."

AK-Kurier: Was bedeutet diese Entscheidung für die Region?
Zolk: "Ich hoffe, dass auch regional das Bewusstsein und das Wissen über die Genossenschaftsidee wieder steigen. Wer erlebt hat, wie wichtig diese Idee weltweit ist, kann nur hoffen, dass bei uns die Grundwerte nicht vergessen werden. Auch würde ich mir die Gründung weiterer Genossenschaften zum Beispiel im Energie- oder Sozialbereich wünschen. Touristisch erwarten wir natürlich mehr Besucher, wenn das Raiffeisen-Museum in Hamm/Sieg saniert und im Raiffeisenhaus in Flammersfeld der Unesco-Raum eingerichtet ist. Vor allem erwarten wir, dass das Raiffeisenjahr 2018 unter dem Motto „Mensch Raiffeisen. Starke Idee!“ Besucher aus nah und fern an die Ursprungsorte der Genossenschaftsidee bringen wird.
 
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