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Nachricht vom 20.11.2018
Kultur
Neu erschienen: „Raiffeisen – Ein Leben für eine gerechte Gesellschaft“
Neuwieds Oberbürgermeister Jan Einig, Werner Böhnke und Josef Zolk, ehemalige Vorstände der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft sowie der Autor Paul-Josef Raue stellten die eben erschienene Biografie über den Gründer der modernen Genossenschaften am 20. November in der Stadt-Galerie Neuwied, ehemalige Mennonitenkirche vor. Die laufende Ausstellung „Heimat“ bot das passende Ambiente.
Sie stellten gemeinsam das Buch vor. Von links: Josef Zolk, Paul-Josef Raue, Jan Einig und Werner Böhnke. Fotos: Helmi Tischler-VenterNeuwied. Jan Einig bezeichnete es als freudigen Anlass, dieses Buch, das die Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft zusammen mit Neuwied beauftragte, in Gegenwart der beiden sehr engagierten Herren Böhnke und Zolk vorstellen zu können.

Die Stadt Neuwied nimmt das „Raiffeisen-Buch“ in ihre 2003 initiierte Schriftenreihe zur Geschichte und Gegenwart Neuwieds auf. Die Stadt identifiziere sich mit ihrem großen Sohn, der weit über die Region hinaus Bedeutung erlangt hat. Über 20 Millionen Menschen sind inzwischen Mitglieder einer Genossenschaft.

Werner Böhnke stellte fest, das Buch reihe sich ein in eine Fülle von Aktivitäten im Raiffeisenjahr 2018. Raiffeisens Thema „soziale Gerechtigkeit“ sei im Hinblick auf die aktuelle Diskussion wieder angesagt. „Mensch Raiffeisen – eine starke Idee“ komme zwischen den Zeilen des Buches heraus. „Der Blick nach vorne ist unsere Aufgabe.“

Der Autor Paul-Josef Raue bekannte, dass er bis vor zwei Jahren Raiffeisen noch gar nicht kannte, aber bald beim vielen Lesen merkte, dass der Mann sehr aktuell ist. Sein erster Impuls sei gewesen, dass an der Idee Raiffeisens etwas dran sein muss. „Genossenschaft“ hörte sich demokratisch an und ist es auch. Als nächstes entdeckte er den hoch spannenden Menschen Raiffeisen. Und er erfuhr, dass junge Menschen sich schwer tun mit der Orientierung und daher an Genossenschaften mehr interessiert sind als alte. Am Beispiel des alten Theaters in Erfurt zeigte er auf, dass man sogar für seine Interessen eine Genossenschaft gründen kann. Die Tatsache, dass in einer Genossenschaft jeder nur eine Stimme hat, bedeutet Vorteil wie Nachteil: Jeder kann mitreden, die Menschen erfahren Respekt.

Raue erzählt Geschichten von und über Raiffeisen. 40 Kapitel mit je einer Geschichte, die zwei bis sechs Seiten umfasst. Die Hälfte davon behandelt die Not der Menschen im Westerwald, die den Antrieb bildete für Raiffeisens Idee. Das Backhaus in Weyerbusch war zur Zeit der Hungersnot Existenzsicherung: Raiffeisen hat gegen den Willen des Landrats Geld bei den Wohlhabenden gesammelt für Mehl. Er hat seine eigene Karriere riskiert um Menschen zu helfen. Aber die Menschen mussten dafür etwas leisten. 1879 befand Raiffeisen: „Wir müssen uns selbst helfen. Alle Bedingungen dazu sind vorhanden, alle Mittel und Kräfte stehen uns reichlich zu Gebote. Wir brauchen dieselben nur zur Anwendung zu bringen. Es ist durchaus nicht nötig, nach fremder Hilfe auszuschauen. Dies ist sogar vom Übel und wirkt nur lähmend auf die eigenen Kräfte, welche auf das höchste angespannt werden müssen, wenn mit Sicherheit bessere Zustände herbeigeführt werden sollen.“

Raue erläuterte weiter, dass Raiffeisen hervorragend zu Neuwied passe, weil er die längste Zeit in Heddesdorf verbrachte. 1902 wurde bei der Einweihung des Raiffeisen-Denkmals Neuwied zum Wallfahrtsort, es war ein gigantischer Event. Zwei Jahre danach wurde Heddesdorf Stadtteil von Neuwied.

Eine Zuhörerin wies darauf hin, dass die Not der Menschen im Rheinland im 19. Jahrhundert mehrere sozial-politische Reformer hervorbrachte: Marx, Kolping, Kettler und eben Raiffeisen. Dessen Konzept zur Hilfe war, ergänzte Raue: 1. Bildung, 2. Wohlergehen, 3. Soziale Gerechtigkeit. Das gilt auch heute noch oder wieder.

Der profunde Raiffeisen-Kenner Josef Zolk antwortete auf einen Hinweis auf die Tafeln heutzutage, dass Raiffeisen diese ablehnen würde, weil er Almosen ablehnte. Zolk verwies auf das Raiffeisen-Denkmal, das auf der einen Seite Raiffeisen zeigt, der sich zu den verarmten Bauern beugt und auf der anderen Seite den Bauern, der die Kurve gekriegt hat.

Das Buch wechsele die Blickrichtung und stelle andere Scheinwerfer auf, es sei ein Gewinn für alle, die sich mit Raiffeisen und seiner Idee, die zwischenzeitlich zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde, beschäftigen wollen.

Jan Einig war sich sicher, dass Raiffeisen über das Festjahr 2018 hinaus weiterleben wird in der Region. „Das Buch wird viele Leser finden und erfreuen!“

Erschienen ist die unterhaltsame Biografie im Verlag „KLARTEXT“, ISBN 978-3-8375-2026-2.

Die Ausstellung „Heimat – Eine künstlerische Spurensuche“ in der Stadtgalerie Neuwied ist noch bis zum 2. Dezember zu sehen. htv


       
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