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Nachricht vom 12.04.2019
Politik
Kandidaten streiten um die besten Ideen für Europas Zukunft
Im Mai steht die Europawahl an – doch zwischen welchen Positionen können die Bürger wählen? Bei der Bürgerdiskussion der Europa-Union im Kreis Altenkirchen zeigten die Kandidaten der Parteien die unterschiedlichen Alternativen für die Zukunft Europas auf.
Ralf Seekatz, Karsten Lucke, Markus Schulte, Michael Lieber, Hellmut Meinhof, Gerhard Wenz (v.l.n.r.) (Foto: Europa-Union)Altenkirchen. Einen europäischen Einheitsbrei gab es nicht bei der traditionellen Podiums-Diskussion, zu der die Europa-Union im Kreis Altenkirchen Kandidaten verschiedener Parteien für die Europawahlen eingeladen hatte. „Brauchen wir europäische Steuern und eine Sozialunion? Lohnt es sich, für Europa mehr Geld auszugeben? Soll die Europäische Union mehr Aufgaben bekommen? Welchen Stellenwert hat der Schutz der EU Außengrenzen? Wie wichtig ist uns der wirtschaftliche Erfolg der Europäischen Union? Welche Rolle spielen Sicherheit und Verteidigung?“ Zu diesen und vielen anderen Fragen kamen die anwesenden Kandidaten laut Pressemitteilung der Europa-Union zu ganz unterschiedlichen Antworten.

Zu Beginn stellten die Teilnehmer ihre wichtigsten Prioritäten für die nächste europäische Legislaturperiode dar. Für die CDU sprach sich der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Ralf Seekatz für einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen und den sofortigen Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex aus und lehnte zugleich einen europäischen Mindestlohn und eine Sozialunion ab.

Demgegenüber stellte Karsten Lucke (SPD), erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Bad Marienberg und Ortsbürgermeister von Lautzenbrücken, das soziale Europa in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Europa bedürfe mehr „sozialen Klebstoffs“, um die Ursachen des Auseinanderdriftens zu bekämpfen. Europa sei zudem die richtige Antwort für fast alle Politikbereiche, so Lucke.

Für die Grünen betonte Professor Dr. Gerhard Wenz aus Sankt Ingbert die Bedeutung von Maßnahmen gegen den Klimawandel, die sinnvollerweise nur auf EU-Ebene umgesetzt werden könnten. Er sprach sich für die Einführung einer Kohlendioxid-Steuer aus. Das Europäische Parlament solle die Möglichkeit erhalten, eigenständig Gesetzesvorschläge einzubringen, forderte Wenz.

Hellmut Meinhof (FDP), Mitglied des Stadtrates Bad Neuenahr-Ahrweiler, betonte die Bedeutung einer klaren Ordnungspolitik und der Einhaltung des Prinzips der Subsidiarität, nach dem nur solche Politikbereiche der europäischen Ebene zugewiesen werden, die auf einer anderen Ebene nicht bewältigt werden können. Er forderte eine effiziente Verwaltung und einen schlanken Staat und betonte die Bedeutung von Digitalisierung und wirtschaftlicher Stärke. Eine gute Wirtschaftspolitik sei die beste Sozialpolitik.

Im weiteren Verlauf der Diskussion standen die Themen „Europa in der Welt“ und „Europas Wohlstandsversprechen“ im Mittelpunkt. Dabei kam auch das Publikum zu Wort mit Fragen zum Themenbereich Migration und Flüchtlingskrise und Europas Haltung gegenüber dem erstarkenden China. Markus Schulte, der Vorsitzende der Europa-Union im Kreis Altenkirchen, der die Diskussion moderierte, zitierte EU-Kommissar Oettinger, der immer wieder betone, dass es zwei Arten von Ländern in der EU gebe: solche die klein seien und solche, die wüssten, dass sie klein sind. Im globalen Maßstab seien alle europäischen Länder klein, auch Deutschland. Großbritannien erfahre gerade sehr schmerzhaft, dass es im globalen Maßstab außerhalb der EU zukünftig nicht mehr in derselben Liga spielen werde. Das Land habe allein ganz einfach nicht mehr das Gewicht, vergleichbar gute Handelsbedingungen mit Japan oder den USA zu bekommen, wie sie als EU-Mitglied genossen habe. Alle Teilnehmer teilten die Ansicht, dass die Länder Europas angesichts vieler globaler Herausforderungen ihre Werte und Interessen in der Welt nur gemeinsam wirksam umsetzen könnten.

Michael Lieber, der Landrat des Kreises Altenkirchen und Gastgeber der Veranstaltung betonte, die Erhaltung eines lebenswerten ländlichen Raumes sei von allergrößter Bedeutung für den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit auch für die Zukunft Europas. Lieber hatte auch einige Anliegen, die die Kandidaten nach Europa mitnehmen sollten. So forderte er höhere Schwellenwerte für europäische Ausschreibungen bei Dienstleistungen, so dass bei Aufträgen bis zu einer gewissen Größe auch regionale Unternehmen problemlos zum Zuge kommen könnten. Er sah auch Möglichkeiten für weiteren Bürokratieabbau.

Der Moderator hielt den Kandidaten auch kritische Punkte zu ihren Positionen bzw. den Positionen ihrer Parteien vor. So wies er darauf hin, dass die CDU zwar eine europäische Armee und größere Sicherheitsanstrengungen fordere, die Bundesregierung in der NATO aber
die zugesagte Finanzierungsleistung bisher nicht erbringe. Ralf Seekatz erkannte dies an und vertrat die Ansicht, Deutschland müsse, um glaubwürdig zu sein, in diesem Bereich in der Tat mehr tun. In Richtung SPD fragte er, wie sich die moderate Zuteilung im Bundeshaushalt für Entwicklungshilfe und insbesondere Afrika mit der Forderung auf europäischer Ebene nach einer Bekämpfung der Fluchtursachen in Einklang bringen lasse. Karsten Lucke wollte dies nicht gelten lassen. Es gehe hier nicht ausschließlich um Geld. Es gehe auch darum, gegenüber Afrika eine Politik auf Augenhöhe zu verfolgen. An Professor Wenz ging die Frage, ob die Grünen ihre scharfe Opposition zu TTIP angesichts des sich jetzt abzeichnenden Risikos von Handelskriegen revidieren würden. Er entgegnete, dass das endgültige Aus für TTIP der einzige positive Aspekt der Präsidentschaft von Donald Trump gewesen sei. Hellmut Meinhof, der sich gegen eine Ausweitung der EU-Haushalts positioniert hatte, fragte Schulte, ob es für die Umsetzung einer ambitionierten Europa-Politik und drängender neuer Aufgaben nicht auch mehr Geld bedürfe. Meinhof entgegnete, es sei grundsätzlich wichtig, dass öffentliche Haushalte auf größtmögliche Effizienz ausgerichtet seien. Mehr Geld allein sei nicht mit guter Politik gleichzusetzen. Bei allen Unterschieden in vielen wichtigen Fragen stimmten die Kandidaten doch darin überein, dass es sich lohne, für Europa zu kämpfen. (PM)
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