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Nachricht vom 18.04.2019
Politik
IHK und Wirtschaftsjunioren fühlten Landratskandidaten auf den Zahn
„Was erwartet die Wirtschaft vom zukünftigen Landrat?“ Dieser Leitfrage stellten sich die Kandidaten für die Landratswahl, Andreas Hundhausen (SPD) und Dr. Peter Enders (CDU), beim einem Kamingespräch. Hierzu hatten die Wirtschaftsjunioren Westerwald-Sieg und die IHK-Regionalgeschäftsstelle Altenkirchen am Dienstagabend (16. April) ins Hotel Germania nach Wissen eingeladen. Fragen zu Themen wie Ladenöffnungszeiten, interkommunale Gewerbegebiete, Breitband- und Straßenausbau wurden gestellt, und die nach dem Leitsatz der Kandidaten.
In einem Wechselspiel beantworteten Dr. Peter Enders (2. von links) und Andreas Hundhausen (2. von rechts) die Fragen, die Oliver Boeck (links) und Jörg Röttgen (rechts) stellten. (Foto: tt)
Wissen/Kreisgebiet. Eines steht heute schon fest: Auf dem Chefsessel im Kreishaus Altenkirchen wird nach der Kommunalwahl ein neuer Mann Platz nehmen. Wer das sein wird, das stellt sich erst nach der Kommunalwahl (26. Mai) heraus, wenn die Wählerinnen und Wähler ihr Kreuzchen gemacht haben. Diese möchten der Christdemokrat Dr. Peter Enders und der Sozialdemokrat Andreas Hundhausen gerne haben. Auf dem Weg ins Kreishaus kamen die Landratskandidaten nun zum Kamingespräch zusammen, zu dem die IHK-Regionalgeschäftsstelle Altenkirchen und die Wirtschaftsjunioren Westerwald-Sieg eingeladen hatten. 60 Anmeldungen gab es, berichtete Oliver Rohrbach, Regionalgeschäftsführer der IHK Altenkirchen, im Hotel Germania in Wissen, darunter Marc Ulland, Sprecher der Wirtschaftsjunioren Westerwald-Sieg, und Viktor Kurz vom Landesvorstand der Wirtschaftsjunioren.

Wer war für den Funken zuständig?
Einen Kamin gibt es nicht im Saal, was Bernd Janssen, geschäftsführender Gesellschafter der Germania bei der Begrüßung schmunzelnd aufgriff und meinte: „Vielleicht schaffen es die Kandidaten, dass der Funke überspringt, oder die Moderatoren, dass sie uns einheizen.“ Das waren für die Wirtschaftsjunioren Oliver Boeck, der Filialdirektor der Deutschen Bank Betzdorf, und für die IHK Jörg Röttgen, Geschäftsführer von Autobedarf Weller in Altenkirchen. Sie führten durch den Abend unter der Leitfrage: „Was erwartet die Wirtschaft vom zukünftigen Landrat?“ Nach einer kurzen Vorstellung der Kandidaten, der 59-jährige Enders stammt aus Eichen (Verbandsgemeinde Flammersfeld), der 33-jährige Hundhausen aus Kirchen (Verbandsgemeinde Kirchen), fragten die Moderatoren die Bewerber, wofür sie stehen. „Sagen was man tut, tun was man sagt“, sagte Hundhausen. Es gehe um „einstehen, wofür man steht“. Was den Kreis nach vorne bringe, fasst er mit den Stichworten Infrastruktur, Wirtschaft, medizinische und pflegerische Versorgung sowie Digitalisierung zusammen. Er sieht gute Chancen, den Landkreis nach vorne zu bringen, mit Bürgern und Kommunen.

Seine Intention sei ähnlich, sagte Enders. Er lebe seit fast 60 Jahren hier, und „man hängt an seinem Landkreis“. Wichtig sei ihm, dass der Kreis in eine sichere Zukunft geführt wird, was nicht alleine gehe, sondern mit den Fraktionen und der kommunalen Ebene zusammen. Während früher Bürgerhaus und Sportplatz Themen gewesen seien, so seien es heute ärztliche Versorgung, Infrastruktur. Auf die Frage nach seinem Leitsatz als Mensch antwortete Enders: „Ich möchte die Region voranbringen in eine gute Zukunft, mit Erfahrung und Kompetenz.“ Knapp anderthalb Stunden stellten sie sich den Fragen, zum Beispiel zu Ladenöffnungszeiten, bei denen dem „Einzelhandel Steine in den Weg“ gelegt würden. Enders ging gleich auf die vier verkaufsoffenen Sonntage ein. Knackpunkt: Lägen alle Adventssonntage im Dezember, sei ein verkaufsoffener Sonntag nicht möglich. Die Menschen würden jedoch gerne einkaufen wollen, die heimischen Geschäfte würden von diesem Sonntag profitieren. Der Christdemokrat konstatierte, dass es im Landtag auf absehbare Zeit keine Mehrheit für eine Änderung gebe werde. „Ich bin für den Schutz des Sonntags“, sagte Enders, aber: „Der eine Sonntag ist mir schon wichtig“, weil der Einzelhandel profitiere. Er sehe es ähnlich, sagte Hundhausen. Für ihn sind vier verkaufsoffene Sonntage ausreichend, bei der tatsächlichen Realisierung seien die Verbandsgemeinden gefordert. Auf Röttgens Einwurf, ob ein Landrat mit den heimischen Unternehmen für die Interessen kämpfen sollte, meinte Hundhausen, dass man gut beraten sei, sich an die Spitze zu stellen. Man liege hier nicht weit auseinander, ergänzte Enders.

Hundhausen: Schulen schneller ans Netz
Buchstäblich kein Weg führte am Ausbau der Infrastruktur vorbei – ob nun Breitband oder Straße. Mit dem Breitband sei man auf dem Weg, bei den Bundesstraßen habe man einen Teilerfolg erzielt, konstatierte Röttgen. Hundhausen, der B8 und B414 erwähnte, dankte für die Initiative „Anschluss Zukunft“, bei der IHK und kommunale Familie gemeinsam gewirkt hätten. Er erwähnte das „Nadelöhr“ Uckerath auf NRW-Seite, das beseitigt werden müsse. Gemeinsam müssten Politik und IHK Druck machen. Er blickte auch auf die andere Seite des Landkreises, auf die B62, die „Lebensader“ in das Oberzentrum Siegen sei. Hier müsse man sich noch unterhalten, ob die Verbindungen so gut seien. Kreisstraßen seien ein wichtige Verbindung an das überörtliche Straßennetz. Der Landkreis Altenkirchen erhalte landesweit die drittmeisten Fördermittel, aber hier müsse man noch mehr rausholen. Das Breitband ist aus seiner Sicht auf einem guten Weg. Wichtig ist Hundhausen, dass Schulen schneller als erst 2023 an schnelle Verbindungen kommen.

Aus Sicht seines Gegenkandidaten wurde frühzeitig mit Fördermitteln mit dem Ausbau begonnen, Flammersfeld habe davon profitiert. Beim Breitbandausbau würden weiße Flecken angegangen, und bei Schulen sei in diesem Punkt ein Konzept erkennbar. Der Bundesverkehrswegeplan habe Strukturen angenommen, und die B62 sei weiter im nachgerückten Bedarf. Hier müsse man sich in Mudersbach einig werden, meinte er. Für ihn ist die B8 eine „Lebensader nach NRW“. Man könne zum Beispiel eine Umgehungen für Kircheib bauen, das Nadelöhr bleibe Uckerath: „Es wird immer schlimmer.“ Der „Flaschenhals“ müsse behoben werden, damit die Menschen schneller von der Arbeit nach Hause kämen. Der Landkreis habe das größte Kreisstraßennetz, sagte Enders, der anmerkte, dass die Planungskapazitäten beim Landesbetrieb für Mobilität limitiert seien. Aber: Es gebe Luft nach oben.

Kreisstraßen bleiben Thema
Boeck hakte bei den Kreisstraßen nach und fragte, wie es aussieht, wenn nur wenige Personen an einer Straße wohnen würden. Enders führte hier ein Beispiel aus. So habe der Landkreis bei einer Kreisstraße, die zwei Orte verbinde, vorgeschlagen, die Maßnahme vorzuziehen und die Fahrbahn zu sanieren. Diese wäre für 30 Jahre in Ordnung gewesen. Die Straße wäre in das Eigentum der Kommune übergegangen, sei aber vom Gemeinderat nicht gewünscht gewesen, so Enders: „Wenn genügend Mittel da wären, wäre es einfach.“ Inhaltlich stimme er zu, ließ sich sein Gegenkandidat ein. Er würde sich hier mehr Mut vom Kreistag wünschen. Dauerhaft müssten mehr finanzielle Mittel in die Kreisstraße investiert werden. Dem Land müsse der besondere Bedarf klar gemacht werden, befand er mit Verweis auf das große Kreisstraßennetz. Hundhausen gab sich überzeugt, dass man zusätzliche Mittel generieren könne. Enders meint, dass der neue Kreistag, der am 26. Mai gewählt werden wird, sich Gedanken machen müsse, wo Sanierungsbedarf bestehe.

Von einer Parallelität beim Breitbandausbau sprach Röttgen, und das sei eine wesentliche Grundlage für die Digitalisierung. Im Landkreis Altenkirchen sei man „frühzeitig auf den Förderzug aufgesprungen“, sagte Enders: „Wir hatten Nachholbedarf.“ Er sieht hier eine gute Entwicklung, und Ende 2019 habe man weitgehend eine Grundversorgung. Hier knüpfte Hundhausen an. Bis zur Jahresfrist habe man 30 bis 50 Megabits pro Sekunde, vielleicht auch 100: „Das hilft uns heute.“ In 15 Jahren müsse man eine höhere Bandbreite erreicht haben. 250 Megabits seien für Unternehmen nicht ausreichend. Beim Ausbau müsse mehr getan werden, hier hinke die Bundesrepublik im Europavergleich nach. Hundhausen wünschte sich, dass erst der ländliche Raum ausgebaut wird, damit dieser mit den Ballungszentren gleich ziehen kann. Ähnlich sah es Enders, Ortsbürgermeister von Eichen mit seinen 600 Einwohnern. Man habe keine Leerstände, und wenn doch, manchmal nur Tage. 2018 seien 30 Menschen zugezogen. Er war sich sicher, dass man damit punkte: Grundstücke zu bezahlbaren Preisen, Einkaufsmöglichkeiten, Schule und A3. „Merkmale unserer Region“, und das sei es, was Leute bewegt, hierher zu ziehen: „Schöne Landschaft allein reicht nicht aus.“

Enders: Mehr Kooperation statt Fusion
Der Kirchener Hundhausen schaute hier auf den Oberkreis. Mit dem neuen HTS-Anschluss gelange man eindeutig schneller aus dem Raum Betzdorf ins Oberzentrum Siegen. Er stellte fest, dass sich viele auf dieser Seite der Landesgrenze ansiedeln, weil hier die Kinderbetreuung kostenlos sei. Er konstatierte gute Voraussetzungen für die Region, die es gelte weiter zu entwickeln. Bei Gewerbegebieten sieht er Nachholbedarf, aber der Kreis könne hier nur Hilfestellung geben, das müssten die Ortsgemeinden machen. Hier spannte er den Bogen zur Kreisverwaltung: Diese sieht er als Dienstleistungs- und Servicezentrum, das Kommunen unterstützt, aber nicht Bedenkenträger sei. Interkommunale Zusammenarbeit müssten Kommunen gemeinsam auf den Weg bringen: „Wir müssen gemeinsame Gewerbegebiete schaffen.“ In der Verbandsgemeinde Flammersfeld habe man dies geschafft, brachte Enders ein. Für ihn ist eine Verstärkung der Kooperation der Landkreise eine Alternative zum Fusionsgedanken.

Boeck fragte die Kandidaten, wie sie als Landrat beim Fachkräftemangel helfen könnten. Es sei gut, dass man acht Abiturstellen inzwischen im Landkreis habe, stellte die Nähe zu Siegen mit seiner Uni heraus, was ein Pfund sei. Es gebe einen hohen Anteil an Abiturienten, die studieren. Es müsse gelingen, die Menschen wieder zurück zu bekommen, den Leuten zeigen, was sie hier bekämen. Hier müssten auch Unternehmen und IHK mitziehen, der Kreis könne vermitteln, was es gibt. „Wir müssen gemeinsam viel stärker für die berufliche Ausbildung werben“, sagte Hundhausen. Nicht jeder müsse studieren. Für ihn gehört zum Thema Fachkräfte aber auch, dass gute Kinderbetreuung, bezahlbarer Wohnraum und ausreichend Bauplätze vorhanden sind. Für ihn wichtig ist es aber auch, dass die Schulklassen gebildet werden, die für die Berufsausbildung erforderlich sind. Man müsse viel enger mit Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammer kooperieren, Firmen und Kammer Ausbildungsberufe bewerben. Beide Kandidaten betonten, dass die Kreisverwaltung nur begleitend und flankierend agieren könne.

Enders sieht eine Chance darin, wenn die drei Landkreise enger kooperieren, weil man so in der Großregion jemanden gewinnen könne, wie man am konkreten Beispiel Ärzte sehen könne. Man finde allgemein keine Auszubildenden, hakte Boeck nach. Der Kreis könne nur Rahmenbedingungen geben, befand Hundhausen: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Bildungsinhalte würden in Mainz entschieden, aber das sei kein rheinland-pfälzisches Problem, sprach er an, was Schüler mitbringen und was Unternehmen fordern. „Unsere Fachkräfte sind es, die aus dem mittleren Bildungsabschluss Berufe erlernen“, sagte Enders, der erwähnte, dass Allgemeinmediziner stiefmütterlich behandelt worden seien, „jetzt haben wir die Situation“.

Circa 400 Mitarbeiter und einen Etat von 200 Millionen Euro: Die Kreisverwaltung sei sozusagen ein kleines mittelständisches Unternehmen, meinte Röttgen. Es seien hoch motivierte Mitarbeiter und eine gute Truppe, sagte Enders. Dass Verwaltungsprozesse schneller laufen könnten, da liege noch Potenzial drin. Es sei eine sehr große Behörde, so Hundhausen. Man könne entschlussfreudiger werden. Für ihn kann ein kooperativer Führungsstil einen Mehrwert bringen. Kooperativ und kollegial, das macht für Enders die gesunde Mischung eines Führungsstils aus.

Rund 400 Mitarbeiter wollen geführt werden
Welche Akzente wollen die Kandidaten nach 100 Tagen Amtszeit gesetzt haben? Für Hundhausen besonders wichtig ist der Kreistag. Mit diesem müsse man eine vernünftige Vertrauensbasis und Zusammenarbeit finden. Ein Landrat könne viel selbst erledigen, aber eben nicht alles. Für diese erste Zeit möchte er den Fortgang beim Breitbandausbau auf der Agenda haben, und besonders am Herzen liege ihm die „Gemeindeschwester plus“. Mit diesem Thema tat sich Enders etwas schwer und beklagte, dass dies vom Land initiiert sei, aber nach zwei Jahren der Kreis die Kosten tragen müsse. Bei diesem Punkt entwickelte sich eine kleine Diskussion zwischen den Kandidaten. Zur 100-Tage-Frage meinte Enders: „Die Verwaltung funktioniert.“ Aber es sei eine Pflicht, das Haus gründlich kennen zu lernen. Als Kirchener Stadtbürgermeister mit über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe er ein Gefühl, wie öffentliche Verwaltung im Spiel mit der Verbandsgemeinde funktioniert, antwortete Hundhausen auf die Frage, welche Erfahrungen den Kandidaten helfen werde, eine Behörde mit 400 Beschäftigen zu leiten. Enders führte hier seine Zeit als Oberarzt mit 40 Mitarbeitern auf einer Krankenhausabteilung an, aber auch seine Tätigkeit als Ortsbürgermeister sowie 20 Jahre Land- und Kreistag. Von seinen Tätigkeiten sei ihm bekannt, wie es funktioniere.

Anschließend stellte das Publikum Fragen. Zum Stichwort Kultur meinte Enders, dass man in der Kultur und Musikwelt eine exzellente Aufstellung habe, und der Kreis wichtige Kulturarbeit leiste. Man habe eine Palette, die man in anderen Regionen nicht finde. Kultur sei eine freiwillige Ausgabe, und hier wünscht er sich, dass nicht so stark eingegriffen werde, um Hilfestellung leisten zu können, sagte Hundhausen, die Kommunalaussicht habe den Daumen drauf.

Zu viel Geld für Verwaltung?
Der langjährige Bundestagsabgeordnete Ulrich Schmalz erinnerte sich an seine eigene Zeit im Kreistag, als das Jugendamt nur zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehabt habe, heute seien es 90. Er beklagte, dass Menschen sich von der Verantwortung für Kinder verabschieden würden. „Wir geben zu viel Geld für Verwaltung aus“, sagte Schmalz, der meinte, der Personalkörper sei viel zu hoch und müsse auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Dafür bekam er Beifall, und die Kandidaten positionierten sich klar: „Wir brauchen eine effiziente Verwaltung“, sagte Hundhausen: „Es ist ein Irrtum, umso weniger Leute, umso besser läuft es.“ Man könne nicht zehn Prozent der Mitarbeiter an die Luft setzen, und alles sei gut. Der Bereich Jugendamt sei nicht der richtige, um über eine Verschlankung der Verwaltung zu sprechen, sagte Enders. Der Bedarf sei objektiv da, und zum Beispiel Schulsozialarbeit müsse ausgebaut werden. Die da verloren gehen, die fehlen „uns“ als Fachkräfte, sagte er. Unter anderem wurden auch der ÖPNV im Landkreis und die neuen Linienbündel angesprochen. Er sei froh, dass dieses Angebot im Oberkreis existiere, und hoffe, dass es im Unterkreis komme, sagte Enders. Es sei ein Prozess von drei Jahren, und es müsse anlaufen, bis es funktioniert: „Ich hätte da etwas mehr Geduld.“ Hundhausen hingegen meint, dass das früher geprüft werden müsse und nach einem halben Jahr gesagt werden könne, wo es gut läuft und wo nachgesteuert werden müsse. Im Anschluss an das Kamingespräch gab es noch die Gelegenheit zum persönlichen Austausch. (tt)
   
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