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Nachricht vom 12.03.2010
Kultur
Ernesto Cardenal - Revolutionär und Christ
Der Abend mit dem großen Dichter und Revolutionär Nicaraguas, Ernesto Cardenal, wird in die heimische Geschichte eingehen und für mehr als 600 Menschen sicher unvergesslich bleiben. Zur Konzertlesung mit dem weltberühmten Poeten und Revolutionär und einstigen Priesters hatte der Eine-Welt-Laden Altenkirchen eingeladen. Die Formation "Grupo Sal" bot eine spannungvolle Reise durch die Musik Lateinamerikas, die Texte Cardenals boten einen wundervollen Querschnitt durch die Werke des Dichters.
Von Helga Wienand
Altenkirchen. Ernesto Cardenal, die große Stimme Lateinamerikas, kam mit den Musikern der "Grupo Sal" in die Christuskirche in Altenkirchen, und der Donnerstagabend, 11. März, war von der ersten Minute an ein Genuss. Dieses besondere Erlebnis machte der Eine-Welt-Laden Altenkirchen möglich, der zum 15. Geburtstag diese besondere Veranstaltung bot. Mehr als 600 Personen ließen sich fesseln und nach rund zwei Stunden gab es stehende Ovationen.
Ernesto Cardenal, 85 Jahre alt - trotz kleiner Statur füllte der Poet, Revolutionär und einstige Priester den Raum. Seine äußere Erscheinung, dazu gehören die weiße Mähne und die schwarze Baskenmütze, hat längst Kultstatus und ist Markenzeichen geworden. Seit rund 25 Jahren geht Cardenal mit den Musikern auf Tournee; die Konzertlesung unter dem Titel "Den Himmel berühren" führte in das vielschichtige Werk des großen Dichters. Die ausgewählten Texte las Klaus Götte in deutscher Sprache, bevor man die Stimme Cardenals hörte. Die Liebe und das Gegenteil davon, die Suche und die Sehnsucht nach Gott, der besondere Blick des Dichters auf sein Heimatland, auf Unterdrückung und Zerstörung kamen in den Texten vor. Die besondere Poesie der Dichtkunst, die den unterschiedlichen Werken Cardenals den Ausdruck verleiht, begeistert Menschen weltweit. Vielleicht liegt das Geheimnis der Wirkung seines literarischen Werkes auch in dieser Sprache, die Bilder und Visionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft heraufbeschwört.
"Die Liebe zur Schönheit der Natur und zu den Frauen hat mich zu Gott geführt, und die Liebe zu Gott zur Revolution", heißt es in einem seiner Werke. So nahm Cardenal die Zuhörer im ersten Teil der Lesung mit in seine Welt, in das lebendige Bild einer kleinen Stadt in Costa Rica. Die Liebe findet Cardenal in der Natur, den Menschen, in jedem Detail eines pulsierenden Kosmos. Das Gegenteil von Liebe - der Kapitalismus einer Wall Street, einer gefräßigen Börse und deren unmenschliches Geheimnis kam beim streitbaren Dichter in deutlicher Sprache zu Gehör. "Die wichtigste Erfindung in den 50er Jahren waren die Beruhigungsmittel", so ein zynisches Zitat. Die Wall Street habe das Schicksal Nicaraguas entschieden, diese Räuberbarone seien nie im Gefängnis gelandet - früher nicht und heute nicht. Ernesto Cardenal - da vereinen sich Religion, Politik und Liebe. Diese besondere Mischung macht das Werk des Dichters, der 1980 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, so spannend.
In den gelesenen Texten spielte die geliebte Heimat eine wichtige Rolle. Der Blick des einst Exilierten aus dem Flugzeug auf sein geschundenes Land - es gehörte ebenso in die Lesung wie seine tiefe religiöse Überzeugung.
Die Musiker der "Grupo Sal" sorgten mit ihrer Darbietung lateinamerikanischer Musik für eine passende Stimmung in der Kirche und ein begeistertes Publikum wollte mehr hören. Die Formation präsentierte den kulturellen Reichtum der Musik des lateinamerikanischen Kontinents mit all seinen Facetten. Die großen Komponisten Lateinamerikas kamen ebenso vor wie die eigenen Kompositionen, die durch die große Spielfreude der Musiker und ihre Perfektion glänzten. "Grupo Sal" musiziert nicht nur, sie leben die Musik vor dem Publikum virtuos und leidenschaftlich. Die musikalische Reise durch Lateinamerika und die Texte Ernesto Cardenals - einfach genial dieser Abend.
Gesammelt wurde nach der Pause, und zwar für das Projekt in Cardenals Geburtsstadt Granada in Nicaragua. Dort gründete er mit dem österreichischen Schauspieler Dietmar Schönherr im Jahr 1988 das internationale Kultur- und Entwicklungsprojekt "Casa de los tres mundos". Hier wird die Kultur der Vergangenheit aufgearbeitet, aber auch Ausbildung und Schulprojekte für das arme Land ins Leben gerufen und gefördert. 1994 verließ Cardenal die Politik, aus Protest gegen den autoritären Stil seines Genossen Daniel Ortega. Mit dem Hugo Chávez, dem Präsidenten Venezuelas, pflegt er freundschaftliche Beziehungen.
Die Vorsitzende der Initiative des Eine-Welt-Ladens in Altenkirchen, Gudrun Weber-Gerhards, hatte vor Beginn der Veranstaltung ihren Dank an die Sponsoren und Helfer ausgesprochen, ohne deren Mithilfe dieser ungewöhnliche Abend nicht möglich geworden wäre.
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Ernesto Cardenal, der große Dichter, Revolutionär und ehemalige Priester begrüßt sein Altenkirchener Publikum. Fotos: Helga Wienand
       
       
       
 
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