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Nachricht vom 30.08.2019
Politik
Michael Lieber geht in den Ruhestand: „Ich freue mich auf diese Zeit.“
Seit 2006 war er Landrat des Kreises Altenkirchen, zuvor Bürgermeister der Stadt und Verbandsgemeinde Betzdorf. Am 1. September beginnt der Ruhestand für Michael Lieber. Im Interview mit dem AK-Kurier berichtet er von Highlights und Tiefpunkten, von Abschiedsmomenten und Vorfreude auf das, was kommt: „Ich freue mich auf diese Zeit, aber ich werde mich erst einmal ein Stück dran gewöhnen müssen.“
Michael Lieber verlässt nach 4.797 Tagen als Landrat das Altenkirchener Kreishaus. (Foto: privat/Archiv AK-Kurier)Altenkirchen. Im Kreis Altenkirchen endet um 0 Uhr am Sonntag (1. September) eine Ära: Nach 4.797 Tagen als Landrat geht Michael Lieber (65/CDU) in den Ruhestand. Der 17. Mann seit 1816 an der Spitze des AK-Landes wird von Dr. Peter Enders (60/CDU) abgelöst. Im Interview mit dem AK-Kurier zieht Lieber, der nach gesundheitlichen Problemen in den Jahren 2017 und 2018 und der Vollendung seines 65. Lebensjahres Ende 2018 das Amt niederlegt – er ist grundsätzlich gewählt bis zum Jahr 2022 –, eine Bilanz seiner Tätigkeit im Kreishaus, die im September 2006 begann und die von 2014 an für weitere acht Jahre vorgesehen war:

Inwieweit hat sich der Schritt, in den Ruhestand zu gehen, inzwischen in den Gedanken festgesetzt?
Es ist noch ein bisschen Karussell im Kopf. Mental habe ich es soweit geschafft, aber die Emotionen überwiegen doch noch. Die letzten Wochen und auch Monate haben schöne Tage gebracht, weil ich seit der Kommunalwahl weiß, dass die Nachfolge mit Dr. Peter Enders gut geregelt ist. Es sind aber auch ein paar wehmütige Abschiedsmomente dabei. Ich bin erleichtert, der Schritt war richtig, jetzt in den Ruhestand zu gehen. Aber ich muss das alles noch ein wenig verarbeiten.

Mit welchen Gefühlen verlassen Sie diesen Schreibtisch, diesen Raum, diese Mitarbeiter, dieses Haus?
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und damit auch dieses Haus, das einem so vertraut geworden ist, und besonders auch die Menschen hier in meinem Umfeld, werde ich schon sehr vermissen. Ich verlasse diesen Schreibtisch und dieses Haus mit dem Wissen, das hier in den 13 Jahren etwas geschaffen worden ist, dass von hier Impulse ausgingen, dass hier in Sachen Verwaltung und in politischer Richtung gute Entscheidungen getroffen wurden. Deswegen habe ich ein gutes Gefühl. Beim Abschied ist dennoch ein Stück Wehmut dabei.

In den vielen Jahren Ihrer Tätigkeit sind die Gestaltungsmöglichkeiten ob zusätzlicher Aufgaben und immer geringer werdender finanzieller Mittel kontinuierlich zurückgegangen. Gab es Phasen, in denen Sie über Rücktritt nachgedacht haben, alles „hinschmeißen“ wollten?
Nein, die gab es nicht, weil es einen Wählerauftrag gab und damit eine Verpflichtung, diese Arbeit zu tun. Die Gestaltungsmöglichkeiten haben sich verändert. Wir haben mit immer mehr Bürokratie zu kämpfen. Es gibt immer mehr Regelungen, die auf allen Ebenen zu beachten sind. Das beobachte ich schon mit Sorge. Dennoch gibt es immer noch Gestaltungsräume, die wir auch nutzen wollen.

Was ist das Highlight Ihrer Zeit als Landrat?
Wenn es um das Erleben gepaart mit Emotion geht, dann sind das, und da betrachte ich auch noch die 17 Jahre als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Betzdorf, Vorgänge, die sich auf dem Stegskopf abgespielt haben. Es war zunächst im Oktober 1989, als ein Zug mit 800 bis 900 Flüchtlingen aus der Botschaft in Prag sonntags morgens um 3 Uhr auf dem Bahnhof in Betzdorf ankam und diese Menschen dann mit Bussen ins Lager auf dem Stegskopf transportiert wurden. Da spürte man schon, da weht der Wind der Geschichte. Und zuletzt war es im Oktober 2015, als Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Stegskopf ankamen, als wir den Gesamtbetrieb mit dem DRK-Kreisverband übernommen hatten. Das sind die emotionalen Momente, die bei mir haften geblieben sind. Wir haben sehr viel investiert in die Schulen, in die Infrastruktur wie die Breitbandversorgung. Ganz gelungen ist uns das nicht beim Verkehr. Da haben wir zumindest mit der Initiative „Anschluss Zukunft“ weitere Anstöße und Impulse gegeben, das bei uns ein drei- und vierstreifiger Ausbau der großen Verkehrsachsen erfolgen muss. Jetzt kann man endlich etwas an ein, zwei Stellen sehen. Darauf haben wir lange gewartet – eigentlich viel zu lange. Auch bei den Kindertagesstätten, für die wir Planungsbehörde sind, hat es im Kreis eine erhebliche Entwicklung gegeben. Gut gelungen ist uns in Sachen Öffentlicher Personennahverkehr, dass vertaktete Busse im Schülerverkehr vor allem im Oberkreis und alsbald auch im Unterkreis fahren. Andere Regionen und Landkreise schauen auf uns und fragen uns, wie wir den ÖPNV realisieren.

Kann man den Missbrauchsfall von Fluterschen als den Tiefpunkt betrachten?
Ja, das war eine Situation, die man als Führungskraft mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bewältigen muss. Ich denke, das ist uns gelungen. Wir haben den Fall damals auch von externer Stelle – durch einen ehemaligen Familienrichter – aufarbeiten lassen. Wir haben Konsequenzen daraus gezogen, wobei ein Fehlverhalten Einzelner nicht stattgefunden hat. Letztlich haben das auch die Gerichte so festgestellt. Wir müssen das Kontrollnetz im Kinderschutz noch dichter und mit Frühwarnsystemen gestalten, aber es wird ein Netz bleiben. Ganz ausschließen kann man solche Fälle nie.

Werden Sie Ihrem Nachfolger öfter auf die Finger schauen?
Überhaupt nicht! Wir bereiten schon seit geraumer Zeit eine fließende Übergabe vor. Es vergeht kaum eine Woche, in der Peter Enders nicht hier ist, in der nicht schon Gespräche mit den Abteilungsleitern stattgefunden haben. Ich werde wöchentlich gewiss nicht hier auf der Matte stehen. Das schon mal gar nicht. Wenn mein Nachfolger Fragen hat, sprechen wir miteinander. Einige Mitarbeiter hier haben sich schon mit ihm bekannt gemacht. Es wird ein ganz nahtloser Übergang.

Was wird man denn in 20 Jahren über den ehemaligen Landrat Michael Lieber sagen?
Das kann ich heute nicht sagen.

Ist in 20, 30 oder 40 Jahren ein Raum in diesem Kreishaus nach Ihnen benannt?
Nein, so vermessen bin ich nicht. Wir haben Räume benannt nach dem vergessenen Landesvater Dr. Boden, dem ersten Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, der viel für die Infrastruktur getan hat, nach dem Fotografen August Sander und dem Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Wenn sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Jahren bei Treffen noch an mich erinnern, dann ist das für mich schon eine Erfüllung.

Fallen Sie in ein „Loch“, wenn Sie dem Berufsleben adé gesagt haben?
Ich werde erst einmal meine Emotionen und Gedanken sortieren müssen. In ein „Loch“ falle ich nicht. Ich richte mich dann an den Dingen aus, die ich mir schon immer vorgenommen habe. Ich lese viel, bin gerne in der Natur, ich muss an meine körperliche Fitness denken, also wird Sport sicherlich dabei sein. Ich werde einmal in der Woche Boule bei der DJK Betzdorf spielen. Ich habe auch noch ein Ehrenamt bis Mitte 2021 als Präsident des DRK-Kreisverbandes. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die mich auch öfters in die Kreisgeschäftsstelle nach Altenkirchen führen wird. Es gibt genug zu tun, aber ich kann an die tägliche Gestaltung anders herangehen als bisher, also selbstbestimmter und ohne die Vorgaben des Terminkalenders. Ich freue mich auf diese Zeit, aber ich werde mich erst einmal ein Stück dran gewöhnen müssen.

Wird Michael Lieber irgendeine Funktion in der Kreis-CDU übernehmen?
Die CDU ist meine politische Heimat und wird es auch bleiben. Ich werde mich sehr zurückhalten. Wenn ich gefragt werde, kann ich Rat geben. Es ist Zeit, dass Jüngere in Verantwortung kommen und die Geschicke lenken.

Sie werden weiterhin in Betzdorf wohnen …
Ja, wir wohnen schon 30 Jahre hier. Uns zieht nichts zurück in meine „Vaterstadt“ Mainz, wohin ich auch noch Bindungen habe. Wir wollen nicht mehr in der Stadt wohnen, sondern hier auf dem Land, wo es am Schönsten ist.

Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?
In erster Linie Gesundheit, noch viel Zeit für meine Frau, meine Familie und unseren Hund, viel Zeit, über die wir selbst bestimmen können. (EB)
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