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Nachricht vom 22.09.2019
Region
Der Wald leidet dramatisch: Kreiswaldbauverein lud zur Begehung ein
Flächig klaffen überall braune Stellen in den Fichtenbeständen: Der Fichte geht es alles andere als gut. Trockenheit, Hitze und nicht zuletzt der Borkenkäfer setzen dem Nadelgehölz massiv zu – die Fichte stirbt. Die Situation ist dramatisch. Das wurde bei einer Waldbegehung deutlich, zu der der Kreiswaldbauverein Altenkirchen den neuen Landrat Dr. Peter Enders eingeladen hatte. Es war kein Waldspaziergang mit Erholungscharakter, sondern einer, der Sorgenfalten auf die Stirn projizierte und die Situation verdeutlichte.
Revierförster Stefan Wulf schaut unter die Borke dieser Fichte: der Buchdrucker (Borkenkäfer) war schon da. (Foto: tt)Mudersbach/Kreis Altenkirchen. „O Tannenbaum, wie treu sind deine Blätter“, werden die Kinder bald wieder singen. Das Bild vom immergrünen Baum verbindet man auch mit der Fichte. Aber die Realität zeigt etwas anderes, und man könnte in diesen Tagen durchaus einstimmen: „O Fichte, leise rieseln deine Nadeln.“ Auch die grünen Nadeln. Davon zeugte im Mudersbacher Wald ein Weg, auf dem unter anderem Friedrich Freiherr von Hövel, Vorsitzender des Kreiswaldbauvereins, Landrat Dr. Peter Enders und Vertreter von Haubergsgenossenschaft und Waldinteressenten entlang schritten. Auf dem Weg lagen auch grüne Nadeln, und am Ende öffnete sich eine bereits eingeschlagene Fläche. Auf dieser war in einen rund 80 Jahre alten Bestand Tabula rasa gemacht worden. Der Hang liegt kahl da – und Fichten in die angrenzenden Bestand, an dem die Gruppe gerade vorbei gegangen war, werden auch noch Bekanntschaft mit der Motorsäge machen.

Es sieht überall schlimm aus
Bei dem Waldbegang in Mudersbach waren es nur punktuelle Betrachtungen – innerhalb der annähernd 600 Hektar Wald der Haubergsgenossenschaft und der Waldinteressenten Mudersbach, und im Landkreis Altenkirchen mit rund 100 Haubergsgenossenschaften. Es sieht überall schlimm aus. Überall leidet die Fichte und ist krank, stirbt der Nadelbaum ab, der landläufig als Brotbaum bezeichnet wird. Fast schon mahnend stehen die betroffenen Bäume als Gerippe kahl. Die Schadensbilder, die in Mudersbach in Augenschein genommen wurden, stehen exemplarisch und sind kein Alleinstellungsmerkmal.

Ausgangspunkt für die Waldbegehung war der Otto-Hellinghausen-Platz in Mudersbach. Auch von dort aus, unten im Siegtal, waren braune Bereiche in den Fichtenbeständen auszumachen, was nicht implizieren soll, dass links und rechts davon, nur, weil es noch grün erscheint, die Fichten vital da stehen. Zu dem Waldbegang begrüßte Kreisvorsitzender von Hövel. Er freute sich, dass Enders, der ja gerade neu im Amt sei, der Einladung des Kreiswaldbauvereins Altenkirchen so schnell gefolgt sei.

Landesweit höchster Käferbefall
„Normalerweise würde man bei so einem Termin bitten, Gummistiefel und Regenjacke mitzubringen“, sagte der Vorsitzende: „Das braucht man nicht, weil auch im September noch mit T-Shirt im Wald spazieren gegangen werden kann.“ Was der Kreisvorsitzende äußerte, trifft einen Kern, um den es bei dem Waldbegang ging und der mit zu der dramatischen Situation, von der bei dem Ortstermin gesprochen wurde, geführt hat: Es fehlt Niederschlag. Dazu kommen hohe Temperaturen und Käferkalamität. Man habe sich bemüßigt gefühlt, den neuen Landrat einzuladen, weil man mit dem Thema konfrontieren möchte. Enders sei auch Mitglied im Kreiswaldbauverein, und als Landrat qua Amt Vorsitzender des Haubergschöffenrates. Der Landkreis Altenkirchen sei mit über 50 Prozent bewaldet. Schlecht sei die Situation mit Blick auf den Käferbefall, führte der Kreisvorsitzende aus. Im landesweiten Vergleich habe der Landkreis Altenkirchen den höchsten Befall an Käfern. Andererseits habe man hier den geringsten Niederschlag, sowohl 2018 als auch 2019. „Das verträgt unser Wald nicht“, unterstrich von Hövel: „Optisch sieht man, dass sich der Wald großflächig verabschiedet“. Es fehle der Fichte an der Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Gerade die Fichte töte den Käfer mit Harz. Die Krux: Es fehlt an Niederschlag. „Es ist kein Druck mehr auf den Leitungen, die arme Fichte kann den Käfer nicht mehr ertränken“, verdeutlichte er. So können sich die zusätzlich von permanent hohen Einträgen wie Stickstoff geschwächten Bäume gegen Buchdrucker und Co., also den Borkenkäfern, nicht mehr zur Wehr setzen, skizzierte er. Stickstoff komme zum Beispiel vom Autoverkehr und von der Landwirtschaft. So seien die Bäume vorgeschwächt – und die Hitze tue das Übrige.

Auch wenn es bei den großflächigen Fichtenbeständen leichter auszumachen sei, so sei das Laubholz auch geschädigt, merkte der Vorsitzende an: „Die Buchen gehen auch langsam kaputt, es ist nur nicht so augenscheinlich.“ Für den Kreisvorsitzenden und den Verein ist der Oberbegriff Klimaschutz eine Hauptforderung. Wichtig sei es auch, dass die Schäden beseitigt werden, Stichwort Wiederaufforstung. Vor allem geht es den Aktiven darum, dass der Wald erhalten bleibt, „mit seinen vielfältigen Funktionen“. Der Wald sei Rohstofflieferant, aber auch weit mehr noch: Lärm- und Wasserschutz und Luftreiniger, aber auch Erosionsschutz. Hier knüpfte von Hövel gerade auch in Mudersbach an: Für die örtliche Trinkwasserversorgung seien die Basis Stollen. Der Wald wiederum halte das Wasser zurück, und im Boden gespeichert, werde es peu à peu abgegeben. „Wir benötigen aber auch nach wie vor einen bewirtschafteten Wald“, betonte er und spannte den Bogen zum CO2. Ein Hektar Wald speichere sechs Tonnen Kohlendioxid, im Holz und Boden. Deshalb spreche auch diese langfristige Speicherung für einen bewirtschafteten Wald. Denn wenn der gewachsene Rohstoff beispielsweise als Dachstuhl seine Verwendung finde, werde das gespeicherte Kohlendioxid über viele Jahrzehnte weiter gebunden. Es gebe darüber hinaus bei der Verwendung von Holz einen weiteren Vorteil gegenüber energieintensiven Produkten wie beispielsweise Stahlträgern.

Womit aufforsten?
Dass derzeit die Motorsägen in den Wäldern knattern und für Fakten auf den betroffenen Flächen sorgen, ist das eine. Zurück bleiben Flächen, die aufgeforstet werden müssen. Jedoch wisse man in keiner Weise, mit was bepflanzt werden sollte – bei dem Termin wurden unter anderem Douglasie und große Küstentanne erwähnt. Im Frühjahr werde gepflanzt. Man müsse jedoch schauen, wie die Kulturen den Sommer überstehen, wenn dieser wieder zu heiß werde, sagte von Hövel – und: Lebt die ausgewählte Baumart auch noch in 30 Jahren? Es sei vieles spekulativ, ließ sich der Vorsitzende ein. „Wir sind ganz extrem von der Dürre betroffen“, betonte von Hövel, unter anderem im Beisein von Bürgermeister Maik Köhler und Vertretern von Haubergsgenossenschaft und Waldinteressenten. „Es ist nur 60 Prozent unseres normalen Niederschlages runter gekommen.“ Zu wenig Regen, zu große Hitze: „Der Wald leidet sichtbar unter dem Klimawandel“, konstatierte der Kreisvorsitzende. Dies sei auch mit finanziellen Einbußen verbunden. Statt 90 Euro pro Festmeter erziele man nur noch einen Erlös von rund 40 Euro – ein Einkommensverlust für Waldbesitzer und Staatsforst.

Franz Kick, Forstamtsleiter in Altenkirchen, berichtete, dass das Einzugsgebiet 23.000 Hektar Wald umfasse. Gewöhnlich schlage man 110.000 Festmeter in allen Holzarten ein. 2019 seien es bereits 208.000 Festmeter, der September sei noch gar nicht berücksichtigt. Davon seien 198.000 Festmeter Fichte. Trotz dieser enormen Zahl: Die Fichte allein ist nicht betroffen. Auch Eiche und Buche bekämen zusehends Probleme, sagte der Forstamtsleiter. Das Laubholz schwächele. „Es ist die Klimaveränderung, die Klimakatastrophe“, sagte Kick und skizzierte: In der Vegetationsphase bleibe der Niederschlag aus. Teilweise seien die Bäume vertrocknet, kam er zurück zur Fichte, größtenteils seien sie aber auch vom Borkenkäfer befallen: „Die Bäume können sich nicht mehr wehren, weil nicht mehr genug Harzdruck drauf ist.“ Der Baron brachte hier eine Forderungen ein: Wichtig sei es, das Klima weiter zu schützen, und er meinte: „Bei einer weiteren Erwärmung um vier Grad Celsius könnten wir Mitte des Jahrhunderts hier eine Steppe haben.“

Nur noch Holz für den Export
Ein Waldbild, wie man es hier in Mudersbach sehe, das habe man in allen Revieren, sagte der örtliche Revierförster Stefan Wulf. Es müsse auch Verkehrssicherungspflicht betrieben werden, was ein logistisches Problem sei und Vorlauf benötige. Das Stichwort Verkehrssicherungspflicht brachte er gleich vom Treffpunkt Otto-Hellinghausen-Platz aus näher. In Blickrichtung des Ortsteils Niederschelderhütte, entlang der Bundesstraße 62 (B62), war ein brauner Bestand zu sehen. Dieser soll im Oktober an zwei Sonntagen, am 13. und 20. Oktober, gefällt werden. In Kooperation mit dem Landesbetrieb Mobilität will man dies vornehmen, sagte Wulf. In diesem Bereich sei man in der komfortablen Situation, bei den sonntäglichen Fällarbeiten die Stahlwerksstraße als Umleitung für den Autoverkehr nutzen zu können. Das alles ist auch mit Kosten verbunden. „Zwei Tage, das kostet einen Haufen Geld“, sagte der Kreisvorsitzende von Hövel. Bedeutend für die Waldbesitzer sei es auch, dass die gefällten Stämme in dem besagten Bereich größtenteils liegen bleiben werden, sagte der Revierförster. Nur Holz für den Export soll noch rausgezogen werden, hieß es mit Verweis auf die Preise. Im Siegtal gebe es einige Bestände, die an Straßen gefällt werden müssen.

„Im ganzen Landkreis ist es so“, konstatierte auch Landrat Enders. Er ist selbst Kleinstwaldbesitzer in einer Waldbesitzergemeinschaft. Erst kürzlich sei in der Verbandsgemeinde Flammersfeld zwischen Eichen und Bruchermühle eine solche Sicherungsmaßnahme vorgenommen worden, schilderte er. „Was ist hier eine Fläche frei geworden!“, sagte er, als er mit Bürgermeister Köhler an seiner Seite an der besagten Fläche im Mudersbacher Wald, oberhalb der Schindensiedlung, stand. Zweifelsfrei grandios ist dort nun der Panoramablick auf die Eiserfelder Brücke der A45. Aber allen Beteiligten bei der Waldbegehung wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lieber gewesen, statt die Autobahnbrücke am Horizont hier weiterhin den 80 Jahre alten Fichtenbestand zu sehen – gesund und vital. Und um die etwas jüngere Nachbarschaft der nun teils noch am Wegesrand für den Abtransport gelagerten Bäume ist es auch nicht so gut bestellt. Man sei in der Zwickmühle, stellte Revierförster Wulf heraus: „Wir haben es hier erst einmal gestoppt, um das gefällte Holz überhaupt noch vermarkten zu können.“

Ein Teil geht nach China
Auf passende Länge gebracht, werden die Stämme im Überseecontainer nach China verschifft. Landrat Enders fragte nach, was China mit dem Holz mache? Es sei ein riesiges Land mit Rohstoffbedarf, hieß es. „Das ist Globalisierung live“, sagte Alois Hans, Geschäftsführer der Holzvermarktungsgesellschaft Westerwald-Sieg GmbH und Geschäftsführer des Kreiswaldbauvereins. Allerdings, und das wurde angemerkt, darf das Holz einen bestimmten Durchmesser nicht unterschreiten, um aus der Region den Weg über den Rhein bis nach Antwerpen oder Rotterdam und weiter ins Reich der Mitte antreten zu können. Dass man das Holz nach China vermarkten könne, dabei sei von Vorteil, dass man einen kurzen Weg bis in die Häfen am Rhein habe. Starkholz könne man besser vermarkten als schwächere Stämme unter 20 Zentimeter, hieß es. Am „Zopfstück“, also oben am Stamm, wird gemessen, berichtete Hans. Holz der „Kategorie A2“, also mit einem Durchmesser von 20 bis 24 Zentimetern, dürfe auch nur in einem geringen Anteil dabei sein, schilderte Kick.

Es wurden auch Sägewerke angesprochen. Diese könnten jedoch auch nicht mehr aufnehmen, als die Kapazitäten hergeben würden. Hier stoße man physikalisch an Grenzen, sagte Hans. Das sei wie bei den vorhandenen Ärzten, konstatierte Landrat Enders. Bei dem Ortstermin wurde weiter herausgestellt, dass Borkenkäferholz nicht lagerfähig sei. Angesprochen wurde auch der Bläuepilz, der zu einer starken Verfärbung des Holzes führt. Von Hövel erinnerte, dass der Landkreis RWE-Aktien besitze und appellierte, sich als Aktionär dafür einzusetzen, dass etwas weniger CO2 produziert werde, damit „die Beschleunigung nicht weiter geht.“ Er räumte ein, dass der Landkreis den Waldbesitzern, den Haubergsgenossenschaft und Waldinteressenten nicht direkt helfen könne. Es gebe jedoch Berührungspunkte. Exemplarisch erwähnte er das Stichwort Verkehrssicherung. Er sprach auch das Einrichten von Nasslagern an und appellierte um das „wohlwollende Zutun der Behörde“ in der Kreisstadt. Kick erwähnte, dass man Energie- und Palettenholz nicht vermarktet bekomme. Wenn man dies an Braunkohlekraftwerke verkaufen könnte, „wäre dies auch eine Hilfe“, meinte er in Richtung Enders.

Mehr Förster gefordert
Nachdem starke Randbäume an betroffenen Flächen im Zuge der erforderlichen Abholzungsmaßnahmen mit verschwunden sind, sind Bäume, die bislang mitten im Wald standen, sozusagen an den Rand gerückt – und bieten Angriffsfläche. „Es muss nur eine kleiner Wind kommen, der früher gar nichts gemacht hätte“, verdeutlichte von Hövel die Situation. Hans-Georg Gerhardus beklagte, dass das Land Rheinland-Pfalz an Förstern spare. Es werde abgebaut. Dies müsse unbedingt gestoppt werden, die Reviere müssten kleiner werden, brachte er mit ein. Als ein Problem, dass auf „uns“ zukommt, bezeichnete der Kreisvorsitzende das Stichwort Beförsterung. Er vertrat die Meinung, dass der Wald zur Grundversorgung der Bevölkerung gehöre. Wo die Fichte verschwunden sei, da werde jedoch 50 Jahre nichts mehr aus dem Wald zu holen sein. 30 bis 40 Euro pro Hektar und Jahr werde man bei der Beförsterung nicht mehr zahlen können.

Die Botschaft sei angekommen, sagte Landrat Enders nach dem Austausch bei der Waldbegehung. Beim Stichwort Nasslager und der Bitte des Kreisvorsitzenden um das „wohlwollende Zutun der Behörde“ bot der Landrat kurze Wege an. Auch das Stichwort Verkehrssicherungspflicht griff er auf. Bei dem Waldbegang öffnete Revierförster Wulf mit dem Messer die Rinde einer Fichte, die oben noch grün, aber unten schon abgestorben war: Unter der Borke kamen die Gänge zum Vorschein, die der Borkenkäfer gebohrt hatte. Für die Waldinteressenten waren Vorsteher Erfried Gerhardus und Beisitzer Friedhelm Mockenhaupt mit von der Partie, für die Haubergsgenossenschaft die Beisitzer Thomas Krumbeck und Hans-Georg Gerhardus. Es war bei dem Waldbegang auch angesprochen worden, dass es sich hier um eine ganz andere Situation handelt als beispielsweise bei einem Windwurf nach einem Sturm. Bei einem solchen Ereignis stellt sich das Schadensbild nach dem Abflauen dar – während es hier weiter geht. An dieser Stelle sei nur der fehlende Niederschlag erwähnt. (tt)
       
       
       
     
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