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Nachricht vom 08.01.2020
Wirtschaft
Studie: Kann Deutschland noch genießen?
Bei ausreichend Wirtschaftswachstum bleibt die deutsche Arbeitslosenquote rückläufig, so meldete die Agentur für Arbeit Ende des vergangenen Jahres. Trotzdem liegen im europäischen Vergleich andere Länder vorne, was die Zufriedenheit der Bürger betrifft. Zu diesem Ergebnis kam der World Happiness Report 2019, aber was steckt dahinter? Vielleicht können die Deutschen einfach nicht mehr genießen, so spekulierten Wissenschaftler des Marktforschungsinstituts Rheingoldsalon schon 2012.
Foto und Quelle: Alexas_Fotos | pixabay.comGenuss ist Wohlbefinden
Als wichtiges Element der Selbstfürsorge sorgen Genusserfahrungen für Ausgeglichenheit. Besonders im gegenwärtigen Stress- und Krisenzeitalter braucht man die damit verbundenen Gefühle, um seelische Balance zu erreichen. Was als Genuss empfunden wird, ist personenabhängig. Von einem Wanderausflug mit der Familie bis hin zu Wellness-Trips, gutem Essen bis hin zu Zigarrengenuss begleitet von passenden Getränken: So viele Genussmöglichkeiten wie heutzutage gab es in der Vergangenheit selten. Trotzdem erklärte fast die Hälfte aller Deutschen in der Genussstudie des Rheingoldsalons, dass Genießen im stressigen Alltag zunehmend schwerer fällt. Über die Hälfte der jüngeren Generation gab sogar an, kaum noch Wohlbefinden zu erleben. Deutschland hat das Genießen verlernt, schlussfolgerten die Studienverantwortlichen und halten diese Entwicklung in einer Krisenzeit kaum für überraschend.

Wenn Genießen anstrengend wird
Viele Bundesbürger haben angesichts der globalen Entwicklungen das Gefühl, die Weltprobleme stemmen zu müssen. So fassten die Forscher des Rheingoldsalons ihre Beobachtungen zusammen. Man fühle sich, als dürfe man sich in einer problematischen Zeit wie der gegenwärtigen keine Genüsse erlauben. Über 80 Prozent aller Studienteilnehmer gaben passend dazu an, ihr Genussempfinden von erbrachten Leistungen abhängig zu machen. Wo Genuss von Legitimationen abhängt, wird das Genießen zu einer Anstrengung. Um Momente unbeschwert auszukosten, muss man loslassen können. Genau dazu sind die meisten Deutschen nicht mehr in der Lage. So scheinbar nicht einmal, was das Sexleben betrifft – den sinnlichsten aller Genüsse. Der Grund für die Genussprobleme scheint die perfektionistische Natur der Leistungsgesellschaft zu sein. Sogar erlebter Genuss verliert im Leistungszeitalter nachträglich an Boden, weil er als unverdient empfunden wird und schlechtes Gewissen verbreitet.

Verplanter Alltag
Echter Genuss ist momentan und spontan. Leider bleibt für Spontanität in einem Stresszeitalter wie dem heutigen nur wenig Zeit. Der Alltag der meisten Menschen ist vollumfänglich verplant. Anders wird man den privaten und beruflichen Anforderungen der Gegenwart kaum noch gerecht. Genusserfahrungen im Sinne echter Höhenflüge stellen sich unerwartet und überraschend ein, aber für Überraschungen bleibt zwischen Alltagsroutinen kein Platz. Wie die Genussstudie bestätigt, ist das einem Großteil aller Bundesbürger bewusst. Obwohl sich mehr als zwei Drittel mehr Spontanität und Genuss im Leben wünschen, bleibt diese Sehnsucht in den meisten Fällen unbefriedigt. Schade, denn was ist das Leben schon ohne Genuss? (PRM)
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