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Nachricht vom 01.03.2020
Kultur
Buchtipp: „Eine Zeitreise in 175 Geschichten“, herausgegeben von Wolfgang Dobras
Zum 175. Jubiläum des Mainzer Altertumsvereins wurden auf 408 Seiten 175 Geschichten mit 362 Abbildungen gesammelt, die die besondere Verbundenheit der Landeshauptstadt mit ihrem Altertumsverein zeigen. Zwar sammelt der Verein seit langem keine Altertümer mehr, aber er setzt sich immer noch für den Erhalt des kulturellen Erbes ein und hat in diesem Bestreben Meriten gesammelt. Das Erforschen und Vermitteln der Vergangenheit ist zentrales Ziel. Die Sammelobjekte sind heute im Bestand des Landesmuseums.
Buchtitel. Foto: VerlagOppenheim/Dierdorf. 1844 gegründet, ist der Mainzer Altertumsvereins (MAV) einer der ältesten Vereine der Stadt. Daher lässt sich an seiner Geschichte auch die Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts verfolgen. Von der „First Lady“ Rosmerta, dem im Gründungsjahr bei Ausgrabungen in Mainz-Finthen entdeckten antiken Bronzekopf, bis zur Erweiterung als „Kurmainz-Verein“ im Jahr 2018. Es wird ein Verein im ständigen Wandel gezeigt, denn die Autorinnen und Autoren aus Geschichte, Archäologie, Buchwissenschaft und Kunstgeschichte verknüpfen den Verein mit dem großen Geschehen örtlicher und deutscher Geschichte.

In der Gutenberg-Stadt wurden am Theodorustag früher alljährlich die „besten Söhne Gutenbergs“ gefeiert. Zu ihnen gehörte die Drucker- und Verlegerfamilie von Zabern. International bekannt wurde der Altertumsverein durch „Blussus und Menimane“, beziehungsweise deren Grabstein, der nicht nur Rückschlüsse auf die Kleidung der Zeit gewährt, sondern auch die älteste römische Schiffsdarstellung nördlich der Alpen enthält.

In den politisch turbulenten Jahren 1848/49 lassen sich Mitglieder des Altertumsvereins im „revolutionären“ Demokratischen Bund nachweisen. 1852 war ein besonderes Jahr, in dem der Verein sowohl das Römisch-Germanische Zentralmuseum und den Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine gründete, zeitgleich mit der Gründung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. 1854 bewahrte das Vereinsmitglied Medizinalrat Josef Wittmann den Eisenturm, ein Zeugnis der „Hohenstaufischen Periode“, vor dem Abriss und der Verein ihn zum Vereinslokal aus. Der Verein half den Opfern der Pulverturm-Explosion, die 1857 riesige Schäden in der Stadt anrichtete. 1858/59 war für den Altertumsverein eine ergiebige Zeit, weil bei Geländearbeiten zahlreiche Fundstücke und Baubefunde der römischen Kaiserzeit zutage traten.

Das heute bekannteste unter den Ehrenmitgliedern war sicherlich Bismarck, das höchstrangige König Johann von Sachsen. Zu den feinen Gästen der Weinwirtschaft des Carl Josef Wallau zählte auch der Mainzer Altertumsverein, der als Werbemaßnahme alljährlich nach Ostern seine Mitglieder zu einem „Convivum romanum“ einlud. Dann gab es beispielsweise „vulgo Lendenbratus cum vermiculis“. Wirtssohn Carl Wallau, der ein bewegtes Leben führte, wurde später Oberbürgermeister von Mainz und in dieser Funktion auch Ehrenpräsident des Altertumsvereins.

In Vorsorge vor Ausbruch des Kriegs zwischen Preußen und Österreich, lagerten Vereinsmitglieder die wertvollsten Objekte aus den gerade erst neugeordneten Museen im Kurfürstlichen Schloss aus. Fünf Jahre später, 1870/71 hat aber wohl niemand an diese Vorsichtsmaßnahme gedacht, ebenso wenig im Ersten Weltkrieg, erst die Angst vor einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg führte 1939 zu Auslagerungsmaßnahmen.

In dem umfangreichen Band werden viele Aspekte angesprochen, einflussreiche Persönlichkeiten und singuläre Funde genannt. Mehrere Aufsätze stellen den kirchenpolitischen Kontext in den Fokus. Auch die Verbindung zum Mainzer Carneval-Verein wird beschrieben. Das Mitgliederverzeichnis nannte vor dem Ersten Weltkrieg 383 ordentliche Mitglieder, darunter eine Brauerei, zwei Lehrerinnen, zwei Rabbiner und ein Bischof. Nach dem Krieg forschten Wissenschaftler der französischen Besatzungsmacht in den Sammlungen und Archiven. 1933 betraf die „Gleichschaltung“ auch den MAV und Schatzmeister Dr. Siegmund Levi musste ausgeschlossen werden.

Der Zweite Weltkrieg brachte zunächst das Ende der Vorträge und Führungen im Kurfürstlichen Schloss, nach den Luftangriffen 1942 und dem finalen Angriff 1945 fanden die einrückenden amerikanischen Truppen nur noch eine Trümmerlandschaft vor. In den folgenden Jahren kämpften der Verein um den Wiederaufbau und den Denkmalschutz vieler Mainzer Baudenkmäler, nicht immer erfolgreich, denn 1948 begann ein hastiger, ziemlich unkoordinierter Aufbau. Nicht verhindert werden konnte zum Beispiel der Abbruch des bischöflichen Palais.

1965 war der Mitgliederstand auf 653 gestiegen. Die stärkste Berufsgruppe bildeten die Oberschul- und Hochschullehrer. Die Bestände des MAV erlebten eine wechselvolle Geschichte und wurden 1967 dem Land Rheinland-Pfalz überstellt. Ludwig Lindenschmits Portrait ist Bestandteil des Titelbilds des vorliegenden Bandes, denn die nach ihm benannte Plakette wird seit 1974 vergeben.

Im Jahre 1994 feierte der Mainzer Altertumsverein sein 150-jähriges Bestehen. Daher ist der 89. Jahrgang der vereinseigenen Mainzer Zeitschrift ganz dem Jubiläum gewidmet, das mit einem reichhaltigen Programm gefeiert wurde.

2010 wurde das Landesmuseum Mainz nach einem Gesamtumbau wiedereröffnet und die alten Bestände des MAV erstrahlten im neuen Licht. Geschichtsvereine engagierten sich 2016 bei der Feier „200 Jahre Rheinhessen“. Der große Zuspruch zu dem Jubiläum zeigt, dass gerade in Zeiten fortschreitender Globalisierung eine Suche nach Heimat und regionaler Identität ein Bedürfnis ist. Der Gedanke des Bewahrens bildet einen Gegenpol gegen zu schnelle Veränderungen der Lebenswelten.

Die unterhaltsame literarische Zeitreise ist erschienen im Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Oppenheim am Rhein. ISBN 978-3-961760-70-1. htv
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