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Nachricht vom 29.04.2020
Region
Mahnende Stimmen begleiten Verabschiedung des ersten Haushaltes
Nun ist die neue Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, was haushaltstechnische Dinge betrifft, auf der sicheren Seite. Der Rat der großen Gebietskörperschaft verabschiedete in der Sitzung am frühen Mittwochabend (29. April) einstimmig den ersten Etat.
Sicherheit in Corona-Zeiten: Die Mitglieder des VG-Rates Altenkirchen-Flammersfeld tagten in der Neiterser Wiedhalle mit dem erforderlichen Abstand (Foto: hak)Altenkirchen. Gut Ding will weile haben: Das Sprichwort stand wohl weniger Pate, warum die neue Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld erst jetzt Ende April über einen einstimmig verabschiedeten ersten Haushalt verfügt. Eigentlich sollte das Zahlenwerk schon Anfang des Monats den VG-Rat passieren, doch die Corona-Krise machte den avisierten Sitzungstermin zunichte. Mit dem "Druck", die Ausarbeitung auf 278 Seiten der Kommunalaufsicht (Kreisverwaltung) vorlegen zu müssen, ging die Zusammenkunft am späten Mittwochnachmittag (29. April) über die Bühne. In der Wiedhalle in Neitersen genossen die vorgegebenen Schutzmaßnahmen wie beispielsweise die Wahrung des Abstandes oberste Priorität.

Paradebeispiel und Flaggschiff
"Den Plan, noch im alten Jahr zu verabschieden, war einfach nicht erfüllbar", begann Bürgermeister Fred Jüngerich angesichts der zum 1. Januar 2020 vollzogenen Fusion seinen Ausführungen zum Budget, das Erträge in Höhe von rund 41 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von knapp 39 Millionen abbildet. Die zahlreichen "investiven Dinge werden der Wirtschaft helfen und schließlich den Bürgern und dann der Kommune zugute kommen". Den Bau des neuen Hallenbades auf der Altenkirchener Glockenspitze stufte er als "Paradebeispiel und Flaggschiff" der Kapitalanlage ein. Dass die Zeiten als Folge der Corona-Pandemie mit veränderten Voraussetzungen gerade in Sachen Gewerbesteuereinnahmen rauer werden, steht für ihn außer Zweifel: "Ich habe schon jetzt täglich so viele Stundungsanträge auf dem Schreibtisch. Das ist der helle Wahnsinn. Unternehmen stehen nicht vor, sondern bereits in der Wand." Er sei froh und stolz darauf, "dass wir so einen Haushalt präsentieren können. Ich glaube, dass die Kreisverwaltung ihn mit gutem Gewissen durchwinken kann."

Ein Berg von Investitionen
Die Investitionen, die die VG nicht nur in diesem, sondern auch im kommenden Jahr tätigen wird und will, stellen zudem Hilfen für hoffentlich viele heimische Firmen in der aktuellen Pandemie-Phase und in der wahrscheinlich noch schwierigen Zeit danach dar. Knapp über 10 Millionen Euro werden in 2020 für Maßnahmen ausgegeben. Die dicksten Brocken sind: 750.000 Euro für Feuerwehrfahrzeuge, 340.000 Euro für die Generalsanierung Feuerwehrhaus Weyerbusch, 250.000 Euro Umsetzung Digitalpakt Grundschulen, 760.000 Erweiterung der "Glück-auf!"-Grundschule Horhausen, 1,5 Millionen Euro Neubau Kita Güllesheim, 1,6 Millionen Euro Neubau Sporthalle Weyerbusch (Abriss alte Halle, Schaffung von Parkplätzen etc.), 730.000 Euro Generalsanierung Kita Gieleroth (mit Anbau), 460.000 Euro Sanierung Stadion Oberlahr und 1,2 Millionen Euro Neubau Hallenbad Altenkirchen. Der Ansatz fürs folgende Jahr kommt noch gewaltiger daher: Den Besitzer wechseln sollen rund 20 Millionen Euro. Allein 13,8 Millionen gehen zu Lasten "Neubau Hallenbad Altenkirchen".

Kredite: 1,8 Millionen Euro
Die Vorhaben lassen sich nicht ohne neue Kredite realisieren. In den nächsten Monaten werden 1,8 Millionen Euro aufgenommen, 2021 sollen es 4,7 Millionen Euro sein. Zum 31. Dezember 2019 beliefen sich die addierten Schulden beider Alt-VGs auf 31,3 Millionen Euro (Altenkirchen 11,6 und Flammersfeld 19,7 Millionen Euro). Am 31. Dezember 2023, so die Planung, erreichen die Schulden 35 Millionen Euro. In den vier Jahren sollen knapp 7,5 Millionen Euro getilgt werden, so dass die "Netto-Neuverschuldung" im Planungszeitraum lediglich 3,7 Millionen Euro beträgt. Die vom Land ausgelobte "Hochzeitsprämie", im Haushalt als "Schuldendiensthilfen" ausgewiesen, in Höhe von einer Million Euro je Alt-VG kann jeweils im Herbst eines Jahres und in drei Tranchen (zweimal 750.000 und einmal 500.000 Euro) abgerufen werden. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind mit knapp 10,8 Millionen Euro veranschlagt.

Unterschiedliche Umlage
Noch unterschiedliche Wege gehen die Ortsgemeinden bei der Zahlung der Umlage. In der Alt-VG Altenkirchen beträgt sie nach wie vor 44,5 Prozent, in der Alt-VG Flammersfeld 46,4 Prozent. Die Differenz (1,9 Prozentpunkte) garantiert, dass der nach der Vereinnahmung einer "Hochzeitsprämie" noch verbleibende Rest der Liquiditätskredite (insgesamt betragen sie 1,2 Millionen Euro) abgebaut werden kann. Der Umlagesatz wird vom kommenden Jahr an für alle 68 (67 nach der Fusion von Neitersen und Obernau zum 1. Januar 2021) identisch sein. Die Kreisumlage (45,5 Prozent) wird mit 1,4 Millionen Euro angegeben.

Bettgenhäuser für alle
Besondere Umstände verlangen besondere Maßnahmen: Deswegen nahm Frank Bettgenhäuser als Sprecher der SPD-Fraktion für alle im Rat vertretenen Fraktionen Stellung zum Haushalt (auch um zum zügigen Ablauf der Sitzung beizutragen). "Wir verabschieden mit diesem Haushalt auch Investitionen in Höhe von 10 Millionen Euro. Ja, wir investieren in unsicheren Zeiten, und wir tun dies bei vollem Bewusstsein. Unsere Investitionen sind sehr langfristig angelegt, insbesondere möchte ich hier das geplante neue Hallenbad erwähnen, aber auch die Sportstätten, Schulen und Kitas sowie die Feuerwehr in den verschiedenen Teilen unserer VG. Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir diese jetzt aufgrund einer zugegebenen Maßen sehr kritischen aktuellen Lage stoppen würden, dann würden wir dieses Handeln in wenigen Jahren bitter bereuen. In kürzester Zeit würde sich ein Investitionsstau in unserer Infrastruktur ansammeln, den die Bürger unserer VG deutlich spüren würden und den Aufwand zur Behebung dann nicht mehr stemmen könnten. Wir wollen durch diese Invest-Planung deutlich zeigen, dass wir nicht nur an heute und jetzt, sondern auch an Morgen und unsere Kinder denken. Die zehn Millionen sind gut angelegt und abgesichert. Wir sehen, wo sie hingehen werden. ... Dieser Haushalt zeigt gelebte Fusion! Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. ... Wir müssen davon ausgehen, dass die noch vor wenigen Wochen für die Folgejahre unterstellten Steuereinnahmen nicht kommen werden. Die Ortsgemeinden werden dieses Jahr schon dramatische Rückgänge in Gewerbe- und Umsatzsteuer verzeichnen und Beträge stunden müssen. ... Ich sehe leider derzeit keine Chance, in den nächsten Jahren einen so hervorragend ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wie wir ihn vor uns haben, das wissen wir bereits heute. ... Dennoch wollen wir mit dem Haushalt 2020 ein deutliches Zeichen setzen, eine starke VG formen, damit wir eine gesunde Absprungbasis für die sehr schwierigen Jahre haben, die vor uns liegen."

Auszüge aus schriftlichen Statements
Die Fraktionen legten darüber hinaus schriftliche Kurzstatements zum Haushalt aus ihrer Sicht vor (Auszüge):
Thomas Seger (stellvertretender CDU-Fraktionssprecher): "Auf Basis des vorliegenden Zahlenwerkes und der enthaltenen Eckdaten, sowie eine gute wirtschaftliche weitere Entwicklung vorausgesetzt, sendet dieser erste gemeinsame Haushalt das überaus positive Signal aus, dass die neue Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld zukunftsfähig ist; d.h. die finanziellen Rahmenbedingungen eröffnen uns die Gestaltungsmöglichkeiten, die Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern - was Sinn und Zweck unseres politischen Handelns ist. ... Die große Unbekannte für die kommende Zeit ist aber, wie dramatisch werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Kommunen auch aus finanzieller Sicht sein. Auf der einen Seite brechen die Einnahmen weg, und auf der anderen Seite werden die Ausgaben, vor allem für soziale Leistungen, stark ansteigen. Wie wir speziell in unserer Verbandsgemeinde hiervon betroffen sind, bleibt abzuwarten."

Jürgen Salowsky (Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen): "Die 10 Millionen Euro an neuen Investitionen in den verschiedensten Bereichen sind nach unserer Einschätzung durchweg sinnvoll eingesetzt, wobei wir uns in den Bereichen Schulen und Kindergärten immer noch mehr vorstellen könnten. Auch die freiwilligen Ausgaben zum Beispiel für Kultur könnten natürlich gerne höher sein, aber finanzielle Beschränkungen zwingen uns hier manchmal zu Kompromissen und Ausgaben mit „Augenmaß“, die einzelnen Akteuren, welche wirklich gute Arbeit machen, wehtun können. Leider ist der vom Bürgermeister auch schon vor Chovid-19 angemahnte ungewisse Ausblick auf die Einnahmesituation in den Folgejahren durch die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie jetzt zur beklemmenden Gewissheit geworden. Es wird, sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei der Einkommenssteuer, Einbrüche von noch nicht abzuschätzenden Ausmaßen geben."

Haushalt 2020 ständig beobachten
Andrea Ackermann (FWG-Fraktionsvorsitzende): "Die sich durch die Corona-Virus-Pandemie abzeichnenden Verschlechterungen der Wirtschaftslage und eventuell entstehende Kostenverlagerungen bzw. Mehrkosten im Gesundheitswesen und Mindereinnahmen bei Steuern und Abgaben sind derzeit nicht zu beziffern. Dies setzt jedoch nach unser Ansicht voraus, dass je nach Entwicklung der Wirtschaftslage und der Dauer der aktuellen Situation die Auswirkungen auf den laufenden Haushalt 2020 ständig beobachtet und so weit wie möglich analysiert werden. Ob alle Investitionen wie vorgesehen im Jahre 2020 eingegangen werden können bzw. sollten, ist zu prüfen und zu entscheiden. Ob es unter den negativen Vorzeichen Sinn macht, im laufenden Haushaltsjahr die liquiden Mittel um 5,5 Millionen Euro abzubauen, sollte ebenfalls nochmals überprüft werden. Keinesfalls aber sollten die Planansätze des Finanzhaushaltes überschritten und damit die liquiden Mittel noch weiter geschmälert werden. ... Der Haushaltsplan 2021 und die Planansätze für die Jahre bis 2024 sind zur gegebener Zeit völlig neu zu kalkulieren, wenn die Pandemie abgeebbt ist, die Wirtschaftslage sich wieder normalisiert hat und die finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt abzusehen sind."

Dr. Johannes Noll (Vorsitzender FDP-Fraktion): "Die neue VG Altenkirchen-Flammersfeld ist die drittgrößte Verbandsgemeinde in Rheinland-Pfalz bezogen auf die Einwohnerzahl. Bezogen auf die angegliederten Ortsgemeinden, rangiert die VG Altenkirchen-Flammersfeld sogar auf Rang zwei. Dies vorausgeschickt, erklären sich die hohen Aufwendungen von 38.906.620 Euro im Ergebnishaushalt. Dem stehen geplante Erträge von 41.283.382 Euro gegenüber. Es ergibt sich ein geplanter Jahresüberschuss von 2.376.762 Euro. Der Finanzhaushalt dient der Liquiditäts-und Investitionsplanung und schließt mit einer geplanten Veränderung des Finanzmittelbestandes von insgesamt 5.478.054 Euro. Aus den genannten Zahlen ergibt sich eine solide Haushaltsplanung für das Jahr 2020. Bedingt durch die Corona-Pandemie wird es wahrscheinlich Abweichungen sowohl bei den Erträgen, als auch bei den Investitionstätigkeiten geben. Die vorgelegte Haushaltssatzung ist jedoch geeignet, das Wirtschaftsjahr 2020 gut abzubilden und auf sich ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Das Team um Bürgermeister Fred Jüngerich hat in diesem Haushaltsentwurf viele wichtige Weichen gestellt." (hak)
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