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Nachricht vom 03.05.2020
Region
Ärztliche Beratungsstelle an Kinderklinik berichtet über Kindeswohl
Die Ärztliche Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen e.V. (ÄB) an der Siegener DRK-Kinderklinik stellte Ende April ihren Jahresbericht 2019 vor. Darin vermeldet Antje Maaß-Quast, die Fachkraft der Einrichtung, mit 192 Fällen erneut gestiegene Fallzahlen für die Region.
Antje Maaß-Quast. Foto: DRK-Kinderklinik Siegen gGmbHSiegen. Darüber hinaus haben 32 professionelle Helfer von Jugendämtern, Familienhilfeeinrichtungen, Schulen und Familientagesstätten kollegiale Beratung in Anspruch genommen. „Das Jahr 2019 war gekennzeichnet durch eine intensive Einzelfallarbeit, bei der oft eine fallbezogene Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, insbesondere mit den Jugendämtern und der Kinderschutzgruppe (KSG) der DRK-Kinderklinik stattgefunden hat. Die Gesamtzahl der betreuten Familien hat gegenüber dem letzten Jahr zugenommen, seit Anfang 2018 stieg die Fallzahl um mehr als 32 Prozent an“, erläutert Maaß-Quast.

Der Anstieg der Zahlen begründet sich in der intensiven Öffentlichkeitsarbeit durch regelmäßige Fortbildungen im Bereich der Beratungsstelle sowie der Kinderschutzgruppe und der guten Vernetzung mit anderen Institutionen der Jugendhilfe und der Justiz. Ein weiterer Effekt besteht wahrscheinlich in der wachsenden Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit auf Länder- und Bundesebene durch die „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“ und die voranschreitende Platzierung der Themen in öffentlichen Institutionen und der Öffentlichkeit allgemein.

Das frühe Erkennen von körperlichen und psychischen Anzeichen bei Kindeswohlgefährdung ist wichtige Voraussetzung für einen gelingenden Kinderschutz. Um eine „Kultur des Hinsehens“ zu fördern und die Handlungsfähigkeit von Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern sowie sozialpädagogischen Fachkräften zu stützen, wurde 2019 zweimal die Fortbildung „Erkennen und Vorgehen bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen“ in Zusammenarbeit mit Dr. Beyerlein, Chefarzt und Leiter der Kinderschutzgruppe, in der Kinderklinik angeboten. Die Fortbildung war bei jedem Termin mit knapp 60 Teilnehmern ausgebucht, das Angebot wird 2020 fortgeführt. Um bereits Auszubildende in pädagogischen und pflegerischen Berufen für die Thematik zu schärfen und zu sensibilisieren, unterrichtet Maaß-Quast regelmäßig in den Schulen des Berufskollegs AHS und im Rahmen der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege-Ausbildung am BiGS (Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe Südwestfalen).

Aufgrund von Vernetzung mit anderen Institutionen (ÄB, interdisziplinäres Team der Kinderschutzgruppe (KSG) und Kinderschutzambulanz (KSA) der DRK-Kinderklinik) gelingt eine vollständige Begleitung der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern. Die Begleitung reicht von der ersten Einschätzung der Gefährdung über die Betreuung der Betroffenen und deren Familienmitglieder bis hin zur Nachbetreuung. Zugenommen haben in diesem Zusammenhang wahrzunehmende Termine zur Zeugenaussage bei der Kripo und die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen. Die notwendige Vernetzung mit den niedergelassenen Pädiatern und den niedergelassenen Kinder-und Jugendpsychiaterinnen hat sich weiterentwickelt. Im Frühjahr wurde in Kooperation mit der Universität Siegen eine Veranstaltung für Student/innen der Sozialpädagogik zum Thema „Kindeswohlgefährdung – Kinderschutz – Zusammenarbeit mit Jugendhilfe“ von der Ärztlichen Beratungsstelle ausgerichtet. Darüber hinaus wurde ein Vortrag im Fachbereich Biologie im Rahmen einer Seminarveranstaltung für Lehramtsstudent/innen gehalten, der auf positives Echo stieß und zu weiteren Kooperationen führte.

Bereits seit März 2018 ist das Angebot der Ärztlichen Beratungsstelle auf der Informations- und Beratungsplattform KidKit.de (www.kidkit.de/hilfe-vor-ort) genannt und verlinkt.

Im Jahr 2019 bezogen sich 109 Beratungsanfragen auf Mädchen und junge Frauen, 83 Anmeldungen auf Jungen (2018: 104/70). Der Anteil der Beratung von Mädchen und Frauen an den gesamten Beratungsfällen beträgt damit 57 Prozent (2018: 60 Prozent). Der Anteil der Beratung von Jungen beträgt 43 Prozent (2018: 40 Prozent). Die Verteilung hat sich also im Vergleich zum Vorjahr etwas verändert. Größere Unterschiede der Meldezahlen nach Geschlechtern zeigen sich in diesem Jahr im Bereich der unter 3-jährigen Kinder, hier liegt die Fallzahl der Jungen deutlich über der Zahl der gemeldeten Mädchen (gleich zu 2018).

Hinsichtlich des Vorstellungsgrundes betrug der Anteil der Misshandlungssyndrome (sexueller Missbrauch, Kindesmisshandlung, Vernachlässigung) für die Gesamtgruppe 99 Prozent (2018: 94 Prozent) und machte damit den weitaus größten Teil der Anmeldungen aus. Bei den Mädchen stand wie im Vorjahr mit Abstand (62 Prozent) der Verdacht auf sexuelle Misshandlung an erster Stelle. Bei den Jungen ging es in diesem Jahr bei den Anmeldungen vorwiegend um den Bereich der körperlichen Misshandlung (60 Prozent), gefolgt von dem Verdacht auf emotionale Misshandlung (34 Prozent). Der Verdacht auf sexuellen Missbrauch wurde in 29 Prozent der Anmeldungen bei den Jungen genannt (2018: 27 Prozent).

Multiprofessionelle Zugänge der Diagnose, Beratung und Therapie bekommen so für die betroffenen Kinder und Familien eine ganz besondere Bedeutung. Hier liegt eine große Chance, aber auch eine besondere Herausforderung in der Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen der Kinderklinik im Blick auf eine gelingende und auf das Kindeswohl ausgerichtete Vernetzung untereinander und mit Institutionen nach außen.

All diese Zahlen zeigen deutlich auf, wie wichtig eine solche Beratungsstelle für die Region ist. „Dabei steht bei all der professionellen Herangehensweise immer ein Leitsatz im Vordergrund: „Hilfe statt Strafe“ ist unser primäres Ziel“, fasst Maaß-Quast ihre Arbeit kurz zusammen. Unter dem Aspekt, dass gerade in der jetzigen Zeit von Corona und den damit verbundenen geschlossenen KitAs und Schulen, viele Kinder und Jugendliche keinen oder kaum Kontakt mit entsprechenden Betreuungs- und Lehrkräften haben, bitten die Kinderschutzfachkräfte der Kinderklinik explizit darum, in Krisensituationen im häuslichen Umfeld telefonisch oder persönlich Kontakt aufzunehmen und professionelle Hilfe jederzeit in Anspruch zu nehmen. (PM)


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