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Nachricht vom 09.06.2020
Region
Sieg-Radweg wartet im AK-Land noch immer auf Vollendung
Unvollendete Dinge sind keine Seltenheit. Beispiele gefällig?! Zu nennen wären Antonio Gaudis Kirche "Sagrada Familia" in Barcelona, Sinfonien großer Komponisten aus längst vergangenen Epochen oder direkt vor der Haustür der "Sieg-Radweg", der im Kreis Altenkirchen nur in wenigen Teilstücken das Licht der Welt erblickt hat. Bis zum Jahr 2024 soll er, so ein "Realisierungszeitfenster", auf seiner kompletten Länge im AK-Land durchgängig befahrbar sein.
Im benachbarten Rhein-Sieg-Kreis wissen Pedaleure, wie zu fahren haben. (Foto: hak)Kreis Altenkirchen. Der Sieg-Radweg ist im Kreis Altenkirchen noch weit davon entfernt, mit einer Durchgängigkeit zwischen Niederschelderhütte und Fürthen zu glänzen. Zu viele Abschnitte sind noch gar nicht als Trasse für Pedaleure gebaut, so dass die 43 Kilometer im AK-Land als Flickschusterei daherkommen. Ob die Fertigstellung im Jahr 2024, wie es ein "Realisierungszeitfenster" vorsieht, geschafft ist? Lutz Nink als Chef des Landesbetriebs Mobilität in Diez legt sich nicht auf einen Zeitpunkt der "Inbetriebnahme" fest: "Nein, das ist angesichts der aktuellen Projektstände nicht möglich." In Sachen Kostenvolumen hält er sich auf Anfrage des AK-Kuriers ebenfalls bedeckt: "Schätzungen gibt es zum Teil für die einzelnen Maßnahmen, die bereits in Planung sind und je nach Planungsstand. Eine Schätzung über das Gesamtvolumen bis zur Fertigstellung eines durchgängigen Sieg-Radweges gibt es nicht." Schon viele Jahre zieht sich inzwischen die Realisierung einer Extra-Fahrbahn für Radler hin, die an Hamm, Wissen, Betzdorf, Kirchen und weiteren Ortsgemeinden vorbeiführt.

Der aktuelle Stand der Dinge
Nink schlüsselt den aktuellen Stand der Dinge auf. Konkret in der Planung befinden sich derzeit mehrere Abschnitte: Frankenthal bis Siegenthal (RE-Entwurf in Bearbeitung); Siegenthal bis Niederhövels (verschiedene Varianten für eine Führung entlang der B 62 zur Entscheidungsfindung über die weitere Planung werden derzeit erarbeitet); Niedergüdeln bis Dasberg (Genehmigungsplanung für das anschließende Planfeststellungsverfahren wird erstellt. Verfahrenseinleitung möglicherweise im Jahr 2021); Dasberg bis Wallmenroth (Genehmigungsplanung ist fertig, das Abstimmungsverfahren wird eingeleitet. Wenn das Verfahren glatt durchläuft und der Grunderwerb geregelt werden kann, kann ein Baubeginn in 2021 in Aussicht gestellt werden. Der vorgenannte Abschnitt würde dann im Anschluss umgesetzt).

Neue Forschungsergebnisse
Komplexer gestaltet sich laut Nink die Realisierung der Schutzstreifen in der Ortsdurchfahrt Betzdorf: "Die Umsetzung der Markierung für die Radwege ist wahrlich nicht trivial. Inzwischen liegen neue Forschungsergebnisse zum Thema Sicherheit von Schutz- und Radfahrstreifen vor, die empfehlen, bei der Markierung von Radfahr- und Schutzstreifen größere Breiten als die Regelbreiten vorzusehen. Da die dafür notwendigen Breiten jedoch nicht zur Verfügung stehen, haben wir uns dazu entschlossen, die Markierung zunächst probeweise aufzubringen und den Verkehrsablauf zu beobachten. Da es teilweise auf Zentimeter ankommt, muss die Straße zur Vorbereitung dessen exakt vermessen werden, bevor dann der Markierungs- und Beschilderungsplan erstellt wird. Die entsprechenden Leistungen sind inzwischen vergeben, so dass in Kürze mit den Arbeiten begonnen wird. Die zunächst vorgesehene Deckensanierung der B 62 wird daher zurückgestellt."

Eine weitere Abstimmung
Das ist aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss, wie Nink darlegt: "Sobald uns die Markierungspläne vorliegen, beabsichtigen wir, diese nochmals mit den Beteiligten wie Verkehrsbehörde, Polizei, etc. abzustimmen und gegebenenfalls im Rahmen eines weiteren Termins zu erörtern. Sollten dann keine Bedenken bestehen, könnte die Markierung nach verkehrsbehördlicher Anordnung durch die Untere Straßenverkehrsbehörde der VG Betzdorf-Gebhardshain aufgebracht werden." Für die Ortsdurchfahrt Niederschelderhütte gilt: "Hier wurde der Radweg im Rahmen der Ausbauplanung für die Ortsdurchfahrt mit geplant. Baurecht liegt über einen Bebauungsplan vor, die Umsetzung soll im nächsten Jahr beginnen." Weitere Abschnitte stünden zur Planung an, die sukzessive von West nach Ost, also von Wissen bis zur Landesgrenze NRW, abgearbeitet würden. Zur Planung vorbereitet werden laut Nink aktuell die Abschnitte B 62 - Ortseingang Wissen, von Roth kommend und L 278 zwischen Heubrücke und Kreisverkehrsplatz L 278/B 62.

Insgesamt 162 Kilometer
Der Sieg-Radweg, der laut Wikipedia 162 Kilometer lang ist und die Quelle des Flusses im Rothaargebirge bei Netphen-Walpersdorf mit dessen Mündung in den Rhein bei Niederkassel-Mondorf momentan nur auf dem Papier in einem Rutsch verbindet, ist in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Rhein-Sieg bereits komplett befahrbar, inzwischen hüben wie drüben identisch beschildert und wird einmal im Jahr ein Teil der Bühne bei der Großveranstaltung "Siegtal pur". Dennoch lässt er sich (noch) nicht nach allen Regeln der PR-Kunst promoten. "Als Produkt ist der Flussradweg so nicht zu vermarkten", weiß Thorsten Engels, der stellvertretende Geschäftsführer des Touristikverbandes Siegen-Wittgenstein. In seinem Beritt führe die Strecke, "wenn es dann geht", über Wege abseits der Straßen. "Wir raten aber auch zum Umstieg auf den Zug, um die vielfach nicht vorhandene Trasse im Kreis Altenkirchen zu überbrücken. Die Nachfrage ist ohnehin nicht besonders groß. Hin und wieder gibt es ein paar Wagemutige, die sich dennoch versuchen", ergänzt Engels.

Erst gar keine Werbung
Auf der Internetseite des Westerwald-Touristik Service wird erst gar nicht für das Freizeitangebot geworben. "Er ist ja nicht uneingeschränkt befahrbar und nicht komplett beschildert", nennt Maja Büttner vom Dachverband in Montabaur den Grund für die Missachtung. In den Verwaltungen im Rhein-Sieg-Kreis schlagen, wie auch im Altenkirchener Kreishaus, wegen der bruchstückhaften Realität zwischen Fürthen und Niederschelderhütte hin und wieder Beschwerden auf. "Der Sektor ist nicht attraktiv. Da gibt es nicht zu beschönigen. Wir publizieren das auch", lautet eine Aussage, die durch die Information auf der Homepage der Naturregion Sieg gestützt wird: "Aufgrund der schlechten Qualität des Radwegs im Abschnitt Landkreis Altenkirchen steht dort ein familienfreundlicher Radfernweg bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Der aktuelle Weg verläuft vielfach unmittelbar auf der stark befahrenen Bundesstraße 62 und ist zu gefährlich. Die Verantwortlichen im Land, Kreis und Gemeinden arbeiten mit Nachdruck an einer durchgängigen Verbindung. Dem Benutzer wird daher zur Zeit empfohlen, zwischen Au/Sieg und Mudersbach-Niederschelderhütte die Deutsche Bahn (RE 9) zu benutzen."

20 Planabschnitte
Die Etappe im Kreis Altenkirchen ist aktuell in 20 Planungsabschnitte eingeteilt. Nur wenige sind inzwischen fertiggestellt. Dazu zählen beispielsweise die 3,75 Kilometer zwischen Niederhövels und Niedergüdeln oder die rund 250 Meter zwischen der Blähausstraße und dem Bereich Hufenhardt (bei Wissen), die im Jahr 2018 "ihrer Bestimmung" übergeben wurden. "Der Sieg-Radweg ist auf dem Gebiet des Landkreises Altenkirchen größtenteils als weitestgehend unselbstständiger Radweg entlang der B 62 geplant. Lediglich der knapp drei Kilometer lange Abschnitt ,SR 2 Etzbach-Pirzenthal' ist als eigenständiger Radweg abseits der Bundestraße geplant. Planungshoheit hat hier der Landkreis Altenkirchen, während üblicherweise diese bei Bund oder Land und als Folge dessen beim LBM liegt", verlautet aus dem Kreishaus. Zur Erklärung: Ein "unselbstständiger" Radweg ist immer ein Radweg, der bei einer Straßenplanung quasi mitgezogen wird, also mehr oder weniger parallel auf, mit oder neben einer Straße verläuft. Ein "selbstständiger" Radweg ist zum Beispiel einer über einen Wirtschaftsweg und damit losgelöst von einer Straßenführung.

Hängebrücke á la Helmeroth?
Womit wir bei einem Nadelöhr wären: Bei Etzbach muss aufgrund der Topografie die Sieg abseits von vorhandenen Querungen übersprungen werden. Das geschieht bei der Großveranstaltung "Siegtal pur" mit einer Gerüstbrücke, die dem Kreis gehört und die vom THW für den ersten Sonntag im Juli (dieses Jahr fällt der Radwandertag wegen der Corona-Pandemie aus) immer auf- und abgebaut wird. Als dauerhafte Lösung wird momentan der Bau einer immer nutzbaren Hängebrücke (wie über die Nister bei Helmeroth) angestrebt. Hinter dem Pflug liegt die Idee einer Seilzugfähre. Für Berno Neuhoff von der Regionalentwicklung der Altenkirchener Kreisverwaltung ist das der "Gordische Knoten, der durchschnitten werden muss", um letztendlich die volle Durchgängigkeit nach Fertigstellung der anderen Teilabschnitte zu erlangen. "Bis zum Ende des Jahres sollen die Genehmigungsunterlagen für das Planfeststellungsverfahren bei der Planfeststellungsbehörde eingereicht werden. Das Planfeststellungsverfahren ist notwendig, um Baurecht zu erlangen", wird in einer Mitteilung der Kreisverwaltung weiter ausgeführt. Wie lange sich diese Prozedur hinzieht, vermag niemand zu sagen.

Sonderweg im Oberkreis
Einen Sonderweg hat die Verbandsgemeinde Kirchen für ihren Beritt zwischen der Stadt Kirchen und der Kreisgrenze bei Niederschelderhütte zunächst einmal eingeschlagen. "Es gibt Bestrebungen, den Sieg-Radweg abseits der Bundesstraße zu führen, um einen attraktiveren Sieg-Radweg umzusetzen. Die Planungshoheit und Finanzierung für einen eigenständigen Radweg abseits der Bundesstraße liegen bei der Verbandsgemeinde bzw. den Ortsgemeinden. Landesbetrieb Mobilität und Verbandsgemeinde Kirchen haben vereinbart, dass die Verbandsgemeinde Kirchen die Möglichkeiten der Radwegeplanung abseits der Bundesstraße auslotet. Falls sich diese Planungen als nicht umsetzbar erweisen sollten, würde der LBM nach unserem Kenntnisstand die derzeit ruhenden Planungen ab 2021/2022 für einen straßenbegleitenden Radweg an der B 62 wieder aufnehmen", berichtet Andreas Schultheis als Pressesprecher der Kreisverwaltung. Und Elisa Heilig von der Verbandsgemeindeverwaltung Kirchen ergänzt: "Aktuell beschäftigen sich die Gremien der Verbandsgemeinde mit diesen Überlegungen."

Mehrwert mit zwei Aspekten
Das Plus einer komplettierten Trasse hebt beispielsweise Hamms Bürgermeister Dietmar Henrich in zwei unterschiedlichen Ansätzen hervor: "Wäre er durchgängig befahrbar, wäre der Anreiz natürlich größer, ihn auch zu nutzen." Er sieht nicht nur einen "touristischen Mehrwert", sondern ebenfalls einen für die Freizeitgestaltung der heimischen Bevölkerung. "Radfahren, auch mit E-Bikes, ist in", sagt Henrich, der auf der anderen Seite bei der Vervollständigung des Radweges um die "hochproblematische Situation" mit zum Beispiel den Anliegen des Naturschutzes (FFH-Gebiete) weiß, die es zu lösen gelte. Sein Fazit: "Die Komplexität des Themas ist für viele nicht erkennbar." (hak)
   
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