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Nachricht vom 02.07.2020
Region
"Buchungsversäumnis": 2,4 Millionen Euro sind futsch
"Auf den letzten Drücker" vor dem Start in die Sommerferien hat der Verbandsgemeinderat Altenkirchen-Flammersfeld in seiner Sitzung am späten Donnerstagnachmittag (2. Juli) noch für einen Paukenschlag gesorgt. Unter dem eigentlich wenig spektakulär daherkommenden Tagesordnungspunkt 7 "Haushaltssituation der Verbandsgemeinde" verbarg sich der "Verlust" von 2,4 Millionen Euro an liquiden Mitteln (allgemeine Rücklage).
Der Förderturm in Willroth, ein markantes Bauwerk im Kreis Altenkirchen, soll beleuchtet werden. (Foto: hak)Altenkirchen. Da wird in akribischer Kleinarbeit der erste Haushalt für die fusionierte Verbandsgemeinde (VG) Altenkirchen-Flammersfeld aufgestellt, am 29. April verabschiedet, und "Wumms" klafft eine Lücke in Höhe von 2,4 Millionen Euro an liquiden Mitteln (allgemeine Rücklage). Dass den Verantwortlichen ob dieser Tatsache nicht unbedingt zum Scherzen in der Zusammenkunft des VG-Rates am Donnerstagnachmittag (2. Juli) in der Stadthalle Altenkirchen war, verstand sich von selbst. Das Gremium nahm schließlich einstimmig die Reduzierung der liquiden Mittel um eben diese 2,4 Millionen Euro zur Kenntnis und hielt, ebenfalls ohne Gegenstimme, an den geplanten Projekten und Investitionsmaßnahmen für das Jahr 2020 unverändert fest.

Der Hintergrund
Worum es sich dreht: Der Verbandsgemeinderat Altenkirchen-Flammersfeld hatte den ersten Haushalt am 29. April beschlossen. Zugrunde gelegt worden waren liquide Mittel aus der Alt-VG Altenkirchen in Höhe von 5,6 und aus der Alt-VG Flammersfeld minus 1,24 Millionen Euro. Schließlich fiel auf, dass in der Alt-VG Altenkirchen eine Einzahlung aus dem Jahr 2019 in Höhe von eben diesen 2,4 Millionen Euro nicht in die allgemeinen Rücklage hätte gebucht werden dürfen, da es sich um die letzte Quartalszahlung 2019 der Gemeindeanteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer handelte, also den Ortsgemeinden zugestanden hätte. Deswegen fehlt der VG nunmehr ein Betrag im Haushalt genau in dieser Höhe, dessen Kompensation in den nächsten Jahren nur durch eine höhere Kreditaufnahme ausgeglichen werden kann. Das zeigt sich bereits jetzt im prognostizierten Schuldenstand zum 31. Dezember 2023, der sich von 35 auf 37 Millionen Euro erhöhen könnte. "Das war ein Buchungsversäumnis", sagte Bürgermeister Fred Jüngerich.

Die Einheitskasse
Warum es zu diesem Fauxpas gekommen war, erläuterte Jüngerich: "Die VG hat eine Einheitskasse, in die alles Geld fließt, das eingeht - sowohl für die VG als auch für die Ortsgemeinden. Zum Jahresende ist der Schnitt in der Alt-VG Altenkirchen erfolgt, und wir waren ob der 5,6 Millionen Euro froh, dass wir damit nicht gedeckte Investitionen und den Liquiditätskredit der Alt-VG Flammersfeld ablösen konnten." Dann sei der Fehler aufgefallen und die Kommunalaufsicht (die Kreisverwaltung) umgehend informiert worden, die mitgeteilt habe, dass, "wenn ihr parat kommt, kein Nachtragshaushalt erforderlich ist". Er, Jüngerich, habe keine ordnungs- oder strafrechtlichen Konsequenzen verfolgt, geschweige denn Köpfe rollen lassen. "Denjenigen, denen es passiert ist, hat es mehr als leid getan", führte er aus, "dann schmeiße ich keinen raus. Wir tragen den Fehler als Haus, wir kommunizieren es öffentlich."

Die Reaktion
"Das ist nicht schön, das ist wie im richtigen Leben", bezog für alle im Rat vertretenen Fraktionen Frank Bettgenhäuser (SPD) Stellung zu dem Vorgang. So etwas könne passieren, und es werde passieren. Es sei ja kein Geld weggekommen, nur bei der VG gebucht worden, "Überraschungen tauchen manchmal auf". Beim Umgang mit Fehlern erkenne man die Professionalität eines Unternehmens oder einer Verwaltung. Und das war, so konnte die Reaktion im Sitzungssaal gedeutet werden, wirklich professionell.

Die Lösung
Ein wenig profitiert die VG bei diesem finanziellen Missgeschick von der Corona-Pandemie. Durch den erzwungenen Lockdown zwischen Mitte März bis in den Mai hinein stehen offenbar, so die Auskunft Jüngerichs, weniger Ausgaben für den Neubau des Hallenbades auf der Glockenspitze in Altenkirchen und der Kita Güllesheim an, so dass für 2020 kein Liquiditätsengpass entsteht, der einen Nachtragshaushalt zur Folge gehabt hätte. Im 2020er-Haushalt sind fürs Schwimmbad 1,2 und für die Kita Güllesheim fast 1,7 Millionen Euro an Ausgaben angesetzt. Dass sich Verzögerungen bei der Umsetzung der beiden Großprojekte ergeben können, scheint nicht unwahrscheinlich. "Wenn man langsamer baut, gibt man auch langsamer Geld aus", zeigte Jüngerich auf, der sich schließlich für die Haltung des Rates, der mit Darstellung der Situation sehr zufrieden war, bedankte: "Ich verneige mich vor allen für diese Entscheidung."

Die Beleuchtung
Noch markanter wird sich in naher Zukunft der Förderturm der Grube Georg in Willroth darstellen. Er wird beleuchtet und soll, so die Ideengeber, die Bürgerinitiative Willroth und die Ortsgemeinde Willroth, den touristischen Nutzen steigern. Das Projekt ist mit 120.000 Euro angesetzt. Aus dem LEADER-Topf wird eine 75-prozentige Förderung erwartet. Die dann noch verbleibenden ungedeckten Kosten in Höhe von 30.000 Euro werden durch Spenden von bislang 12.000 Euro weiter reduziert. Zuschüsse haben die Ortsgemeinde Willroth (2000 Euro), die Bürgerinitiative Willroth (2500 Euro), der Förderverein Bergbau- und Hüttentradition (5000 Euro) sowie die Ortsgemeinden Horhausen und Krunkel (jeweils 1500 Euro) avisiert. Die VG Altenkirchen-Flammersfeld, so der einstimmige Beschluss, bringt einmalig maximal 5000 Euro ein. Ob sich die VGs Puderbach und Rengsdorf-Waldbreitbach beteiligen, ist noch offen.

Die Stromkosten
Laut aktuellem Stand soll die (Vor-)Finanzierung des Projekts über den Förderverein Bergbau- und Hüttentradition erfolgen. Für die Beantragung des Geldes aus der LEADER-Kasse ist zu erwarten, dass eine Finanzierungsbestätigung angefordert wird. Der Verein jedoch verfügt nicht über Finanzmittel in der dann geforderten Höhe, so dass Jüngerich ermächtigt wurde, zur Absicherung der Finanzierung eine Bürgschaftserklärung für die VG Altenkirchen-Flammersfeld abzugeben. Einfacher stellt sich die Situation beim Handling der Folgekosten, sprich des Stromverbrauchs, dar. Laut ersten Berechnungen kommen pro Jahr rund 3000 Euro zusammen. Angestrahlt werden soll der Förderturm von 20 bis 1 Uhr (Sommer) und von 18 bis 1 Uhr im Winter. Die Bürgerinitiative Willroth, der Förderverein Bergbau- und Hüttentradition, die Ortsgemeinde Willroth sowie die VG Altenkirchen-Flammersfeld vierteln diese 3000 Euro, so dass für jeden 750 Euro angerechnet werden. Die VG setzt zudem ihr Maximum auf 1000 Euro pro Jahr fest.

Die Zustimmung
Quer durch die Bank zeigten sich alle Fraktionen von dem Projekt angetan. "Die Beleuchtung des Bauwerks hat für die gesamte Region einen touristischen Nutzen, denn der Turm wird als Touristenattraktion gesehen", meinte Torsten Löhr (CDU). Bettgenhäuser sprach von einem "markanten Zeichen an der A 3, das ein ganz wesentlich Stück Heimat ist. Wir schaffen einen Leuchtturm für unsere Heimat". Auf die grundsätzliche Lichtverschmutzung wies Jürgen Salowsky (Bündnisgrüne) hin, die Leuchtzeiten seien jedoch ein Kompromiss. Für Andrea Ackermann (FWG) bedeutet der Förderturm den Punkt, der signalisiere, "wir sind gleich zu Hause. Durch die Beleuchtung wird das Highlight noch mehr hervorgehoben". Dr. Johannes Noll (FDP) sagte: "Wir machen einen Leuchtturm", wobei er den Bezug zu einem "Leuchtturmprojekt" knüpfte.

Der Nachrücker
Mit einer ein wenig veränderten Mannschaft bestreitet der Rat die kommenden Sitzungen. Für den ausgeschiedenen Josef Zolk (CDU), der seinen Wohnsitz an den Rhein verlegt hatte, rückte Michael Becker (CDU) nach. Die Fusion bedingt, dass nach und nach alles im Ortsrecht angeglichen werden muss. Deswegen genehmigte die Zusammenkunft auch einstimmig eine für die Groß-VG geltende Vergnügungssteuersatzung. Ebenfalls ohne Widerspruch erhielt die Mittelrheinische Treuhand GmbH aus Koblenz den Auftrag, die Jahresabschlüsse der Verbandsgemeindewerke (Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung) jeweils zum 31. Dezember der Jahre 2020, 2021 und 2022 zu prüfen. Schließlich werden die Parkplätze an der Raiffeisenhalle in Güllesheim zu einer Multifunktionsfläche umgestaltet. Künftig ist das Areal für größere Veranstaltungen (Gewerbeschauen, Messen oder Märkte) nutzbar, die Parkmöglichkeiten bleiben erhalten. 40.000 Euro sind vorgesehen, aus der LEADER-"Quelle" fließen 75 Prozent als Zuschuss und somit 30.000 Euro, der Rest ist Sache der VG. (hak)
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