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Nachricht vom 03.09.2010
Region
Heuschrecken haben Wolf-Garten Betzdorf gefressen
Geahnt hat es jeder, jetzt ist offiziell. Am 1. November wird der Standort Wolf-Garten in Betzdorf dicht gemacht und es bleibt die Forschungabteilung mit 24 Mitarbeitern. Erneut zeigt sich das unschöne Gesicht eines ungezügelten Kapitalismus. Diesmal wird die Marke Wolf-Garten von den "Heuschrecken" made in USA geschluckt, und der Standort Betzdorf platt gemacht. Die Hoffnung auf eine Umkehr im Denken des amerikanischen Mutterkonzerns MTD mit Sitz in Saarbrücken ist wie eine Seifenblase geplatzt.
Nur noch bis 1. November: Wolf-Garten Betzdorf. Eine Ära geht zu Ende. Fotos: Helga WienandBetzdorf. Zorn, Wut, Enttäuschung und Trauer - diese Stimmungslage beherrschte die kurzfristig einberufene Pressekonferenz zum Thema Wolf-Garten in Betzdorfs kleinem Ratssaal. Fakt ist: Wolf-Garten wird am 1. November geschlossen. Damit kann der Heuschrecken-Kapitalismus "Made in USA" erneut einen "Erfolg" verbuchen.
Fast auf den Tag genau, als der amerikanische Konzern am 2. September 2009 Wolf-Garten kaufte, wurde die Schließung des Standortes jetzt öffentlich. Da halfen auch zehn Jahre Lohnverzicht absolut nichts, die 240 Arbeitsplätze sind weg.
Erhalten bleiben soll bis 2013 die Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit 24 Mitarbeitern und der Standort Etzbach mit 12 Mitarbeitern. Für den Rest der Wolf-Belegschaft geht es jetzt um Sozialpläne und Interessensausgleiche sowie den Einstieg in sogenannte Transfergesellschaften, an deren Ende meistens die endgültige Arbeitslosigkeit steht.
Zu dem äußerst traurigen Anlass "begrüßte" Bürgermeister Bernd Brato Landrat Michael Lieber, die Landtagsabgeordneten Dr. Josef Rosenbauer und Dr. Matthias Krell, die Betriebsratsmitglieder und den 1. Bevollmächtigten der IG Metall Betzdorf, Leonhard Epping. Brato bedauerte, dass alle Aktionen und Gespräche nicht zum gewünschten Erfolg geführt hätten. Brato forderte von der großen Politik klare Handlungsrichtlinien: "Deutlich mehr Rückgrat muss die Politik haben, wer soll denn dann noch dem Kapitalismus die Grenzen und Schranken aufzeigen, wenn nicht die Politik. Wir wünschten hier andere Lösungen, ich bin ja froh, dass jetzt ein paar wenige Arbeitsplätze bleiben," sagte ein bitter enttäuschter Bürgermeister. Solche Entwicklungen seien nicht hinnehmbar, man müsse solchen Managern deutlich machen: "Bis hierhin und nicht weiter!", fügte Brato an und verurteilte die Heuschrecken-Mentalität.
Zum Sachstand berichtete Epping von den gescheiterten Verhandlungen, die am Donnerstag das endgültige Aus für Wolf-Garten brachten. "Mit dem 1. November wird Wolf-Garten Betzdorf nicht mehr existieren", sagte Epping. Auch fehle noch die Unterschrift der Geschäftsleitung zu den Verhandlungen zum Sozialplan und dem Interessensausgleich, der alle Bereiche umfasse. Dies steht noch aus, und deshalb wollte Epping zu diesen Punkten weder Zahlen noch Details nennen. Der Verhandlungswille und die Bereitschaft über diese Dinge zu verhandlen würden erst dann glaubhaft, wenn Geschäftsführer Peter Janssen von MTD dies auch unterzeichne. Der Sozialausgleich mit einem Volumen liege auf dem Tisch und sei noch nicht unterschrieben.
Harsche Kritik am Verhalten der MTD wurde laut. Man habe lediglich das Anstandsjahr abgewartet, um jetzt den Standort platt zu machen und gezielt abzuwickeln. Das vom Betriebsrat, der TBS und der IG Metall vorgelegte Konzept sei gut gewesen und sei es noch, führte Epping aus. Dass es ein Jahr nach der Insolvenz in Betzdorf keine schwarze Zahlen gegeben habe, sei für den Konzern nur noch Antrieb gewesen, den Standort mit seinen Mitarbeitern wie eine Zitrone weiter auszuquetschen. Folgende Kriterien hätten zur (angeblich, die Redaktion) Ablehnung des vorgelegten Konzeptes geführt: Schlechte Straßenverhältnisse, fehlende Anbindung ans überregionalen Straßennetz, Schnee und von Betzdorf aus sei die Logistik ins französische Valmond (Standort von MTD) wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht bedienbar.
Dass diese Argumente albern sind, versteht sich fast von selbst. Die nächsten Schritte sind die Gespräche mit der Agentur für Arbeit und die weiteren Verhandlungen zum Thema Sozialpläne und Transfergesellschaft. Dafür stehen etwa 14 Tage zur Verfügung. Mehr als 5000 Unterschriften zur Rettung von Wolf-Garten wurden gesammelt. Dies zeigen den hohen Stellenwert des Unternehmens und den Rückhalt in der Region. Epping dankte im Namen der IG Metall auch für die Hilfe auf Bundes-, Landes- Kreis- und kommunaler Ebene durch die Politiker der CDU und SPD.
"Die Hoffnung ist gestorben", sagte ein zorniger Landrat Michael Lieber. Es mache traurig und wütend zugleich, wenn man so hilflos zusehen müsse, wie Menschen ihre Existenz und ihren Arbeitsplatz verlieren. Er forderte einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens, um einem solchen Treiben zukünftig Einhalt gebieten zu können. "Das Familienunternehmen MTD wirbt mit dieser Tradition eines sozial engagierten Familienunternehmens. Diese Chance, sich in einem solchen Sinne zu präsentieren, hat das Unternehmen vertan, es gab Kontakt in die Firmenzentrale nach Cleveland, die haben noch nicht einmal geantwortet. Ich werte dies als unfreundlichen Akt", schimpfte Lieber. "Wenn wir die Abteilung Forschung und Entwicklung behalten und sie hier im Landkreis fördern, dann muss dies auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein, und keine Alibiveranstaltung werden", forderte Lieber mit dem Blick auf eine kleine Chance. Sichtlich beeindruckt habe ihn die Solidarität der Menschen in der Region.
Sichtlich betroffen ist der kommissarische Betriebsratsvorsitzende Uli Hüsch. "Alles wurde vom Tisch gefegt, ganze Familien verlieren ihre Existenz, mir fehlen da die Worte", sagte Hüsch. Aber der Streitfunke ist auch noch da. Jetzt wird um die Sozialpläne und Abfindungen verhandelt, und wenn es sein muss, geht die Wolf-Belegschaft auch dafür erneut auf die Straße. Wenn's denn mal nützt... (Helga Wienand)
   
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