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Nachricht vom 02.10.2020
Wirtschaft
Die Dimensionen der Digitalisierung: Technologie, Kulturwandel, Organisation
Digitalisierung ist mehr als nur Technologie. Es gehört ein Kulturwandel dazu. Strategien und Firmenkulturen müssen auch transformiert werden. Das wurde beim 16. WW-Lab Innovation Talk deutlich, als der IT-Experte Jürgen Arendt von der Debeka-Versicherung das Thema „Digitale Transformation in der Versicherungsbranche am Beispiel der Debeka“ näher brachte und so einen Einblick in den digitalen Wandel gab.
Hartmut Lösch (links) begrüßte zum 16. WW-Lab Innovation Talk Jürgen Arendt. Foto: (tt)Betzdorf. Homeoffice und Videokonferenzen sind nur zwei Beispiele, die beim Lockdown und der Pandemie gezeigt haben, wie digitaler Wandel in den (Arbeits-)Alltag einwirkt. Ein Wandel, eine Veränderung. Ohne das Stichwort Digitalisierung undenkbar. Und diese Veränderungen wären, hätte man sie Anfang 2020 gefragt, wohl von vielen noch als weit entfernt klingende Zukunftsmusik angesehen worden. Es ging schnell. Immer schneller, ganz losgelöst von der Pandemie, läuft auch der digitale Wandel in kürzeren Zeitphasen ab. Eine exponentielle Entwicklung. Wie sich die digitale Transformation in der Versicherungsbranche darstellt, das war nun das zentrale Thema der interessanten und informativen Veranstaltungsreihe WW-Lab Innovation Talk am Dienstagabend (29. Oktober) in den Räumen von Hartmut Lösch.

Er ist der Inhaber von WW-Lab an der Viktoriastraße in Betzdorf und hatte wieder, gemeinsam mit der IHK Koblenz und von Partnern unterstützt, zum Talk eingeladen. Der Termin mit Jürgen Arendt von der Debeka Koblenz war schon früh im Jahr für Juni festgezurrt. Dann kam Corona - und auch der WW-Lab Innovation Talk musste seinen Tribut an die Pandemie zahlen. Umso mehr freute sich Lösch nun die Teilnehmer, darunter IHK-Regionalgeschäftsführer Oliver Rohrbach, begrüßen zu können. Natürlich unter den Hygienevorgaben. „Sich persönlich zu treffen und miteinander zu sprechen, das ist schöner als nur digital miteinander zu kommunizieren“, unterstrich Lösch. Ein Gruß galt Betzdorfs Wirtschaftsförderer Michael Becher, Stadtbürgermeister Benjamin Geldsetzer sowie Landtagsabgeordnetem Michael Wäschenbach.

„Alexa, rücke in den Fokus“
„Alexa, schalte die Musik aus“, sagte Lösch bei der Eröffnung. „Alexa“ hatte für musikalische Unterhaltung gesorgt, als sich die Teilnehmer registrierten und ihre Plätze auf Abstand einnahmen. „Alexa“ rückte auch später beim Vortrag von Arendt noch in den Fokus – zumindest gedanklich und ausblickend. Arendt ist seit 2002 bei dem seit 1905 bestehendem Unternehmen Debeka beschäftigt, seit 2010 als Hauptabteilungsleiter für IT.

Die Veranstaltungsreihe WW-Lab Innovation Talk hatte sich bislang aus unterschiedlichen Perspektiven dem Themenkomplex Digitalisierung genähert, zuletzt zum Beispiel anhand von Onlinebestellungen bei Lebensmittel und deren automatisierten Zusammenstellung, Verpackung und Auslieferung. Der AK-Kurier berichtete auch über den davor stattgefundenem Talk, als es um ein Unternehmen ging, dass in seinem Fachgeschäft Handwerkern ermöglicht, nach Geschäftsschluss noch einkaufen zu können – in dem Laden und ohne, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter vor Ort sind. „Digitale Transformation in der Versicherungsbranche am Beispiel der Debeka“: So lautete nun das Thema, zu dem Lösch als Referenten Arendt vorstellte. Der Saarländer, der im Westerwald lebt, berichtete, dass Versicherer bei dem digitalen Wandel noch nicht so gut aufgestellt seien. Erst seit ungefähr drei Jahren habe man sich auf den Weg gemacht, die digitale Transformation umzusetzen. Hierzu gehört auch eine Kundenplattform, die von drei Versicherungsunternehmen gemeinsam aufgebaut wird. Bei diesem Prozess ist Arendt mit federführend für die Debeka mit von der Partie. Den Weg, den man nun eingeschlagen habe, ende nicht wirklich: Damit verdeutlichte Arendt, dass es ein fortlaufender Prozess ist, der auch mit von einer exponentiellen Entwicklung bestimmt wird – und das ist nicht nur in der Versicherungsbranche der Fall. In immer kürzeren Zyklen gehen Wandel und Veränderungen einher. Mit Arendt, der Wirtschaftsinformatik in Worms studierte, hatte Lösch einen guten Griff getan.

Digitalisierung und Do-It-Your-Self-Mentalität
Ansprechend brachte er näherer, was Digitalisierung für ein Unternehmen bedeutet. Er erläuterte auch die Wechselwirkung mit der (Unternehmens-)Kultur, anhand von Debeka. Diese sei der größte deutsche private Vollversicherer und einer der größten Lebensversicherer. Das „gesegnete Alter“ von 115 Jahren sei ein Indiz dafür, dass man in der Vergangenheit alles richtig gemacht habe. Dieses Selbstbewusstsein habe sich gefestigt. Dass man alles perfekt gemacht hat, das veranschaulichte er: „Wir pflegen unseren Rasen mit der Nagelschere.“ Ausgeprägt sei die Do-It-Your-Self-Mentalität.

Auch bei der Debeka erkannte man, dass man sich dem digitalen Wandel annehmen muss. Bei diesem angestoßen und laufenden Prozess sei es auch darum gegangen, die Strategie und Firmenkultur zu transformieren, skizzierte Arendt Zusammenhänge. 2017 habe man begonnen, einen „Kulturwandel“ zu betreiben. Bei dem Vortrag zeigte sich, dass Digitalisierung eben mehr ist als reine Technologie. Digitale Transformation hat demnach auch etwas damit zu tun, ein Bewusstsein zu schaffen für die Thematik. Dies veranschaulichte Arendt. Nach seinem Dafürhalten muss zum Beispiel „Silodenken“ abgelegt und stattdessen projektorientiertes und interdisziplinäres Arbeiten praktiziert werden. Digitalisierung sei ein Wandel von Hierarchien hin zu einem Netzwerk, skizzierte der IT-Experte. Demnach gehört Kooperation mit dazu. „Interdisziplinäre Teams gab es vorher nicht“, sagte er. Neue Formen der Zusammenarbeit und ein neuer Umgang mit Wissen und Kreativität waren wichtige Aspekte, die der IT-Fachmann auf dem Weg zur Digitalisierung und digitalen Transformation herausstellte.

Kundenerlebnis mit vorgefertigtem Service
Einen Fokus seines Vortrages legte er auch auf die Kundenplattform, die drei Versicherungunternehmen, gemeinsam aufbauen. Das Koblenzer Unternehmen ist mit von der Partie. Per App und Web-gestützt sollen die Kunden hier jeweils für ihr eigenes Versicherungsunternehmen zum Beispiel Änderungen der Adresse, Geburtsanzeigen und Leistungsbelege einreichen können. Mit einem vorgefertigten Service soll sehr schnell ein Kundenerlebnis geschaffen werden, so Arendt. Aus seiner Sicht hat es sehr gute Chancen, sich zu einem Branchensystem zu entwickeln.

„Die Künstliche Intelligenz (KI) wird exponentiell wachsen“, sagte Arendt. Als Versicherungsgeber habe man in diesem Bereich noch nicht so viel gemacht. Man sei aber dabei ein Kompetenzzentrum aufzubauen. Eine Frage sei es, ob KI besser eine Versicherung verkaufen kann als ein Außendienstmitarbeiter? Kranken- und Lebensversicherungen seien ein komplexes Produkt. „Nicht die Komplexität einer Versicherung ist es, die den Verkauf ausmacht, sondern die Nähe der Mitarbeiter zu den Menschen.“

Generation mit digitalem Ansprechpartner
Während dem Vortrag war „Alexa“ still – aber Arendt lenkte den Blick darauf: Sein Sohn auf dem Weg zum Abitur frage „Alexa“ oder Google, wenn er etwas wissen möchte. Arendt sprach von einem Paradigmenwechsel: Es sei eine Generation, die darin einen Ansprechpartner hat und diesem vertraut. Viele hätten diesen Paradigmenwechsel jedoch noch gar nicht auf dem Schirm, befand der Fachmann. Seine Familie habe vier „Alexa'“ im Haus – und: Künftig, so seine Prognose, werden „unsere Häuser“ noch mehr sprachgesteuert sein. „Die Digitalisierung wird unsere ganze Gesellschaft massiv beeinflussen. Da wird kein Stein auf dem anderen bleiben.“

„Spracherkennung im Verbund mit KI wird in den nächsten 10 bis 20 Jahren viel verändern“, war sich der Referent sicher. Alles mögliche habe jetzt schon „Alexa“ eingebaut, sagte Arendt, der die These vertrat: „Wir werden in den nächsten Jahren kaum noch ein Produkt haben, was nicht so etwas Ähnliches wie ,Alexa' eingebaut haben wird.“ Er meinte, dass alles darauf hinauslaufen werde, dass „wir die Infrastruktur hinter ,Alexa' nutzen werden“. Lösch dankte Arendt für die Einblicke in die digitale Versicherungswelt. Vertieft wurde das interessante und spannende Thema anschließend bei einem Austausch – in der Pandemie auf Abstand. Der nächste WW-Lab Innovation Talk soll im Mai stattfinden. Voraussichtliches Thema soll dann die Digitalisierung in der Medizin sein, ließ Lösch anklingen. (tt)
       
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