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Nachricht vom 05.10.2020
Region
Frühe Hilfen werden im Kreis Altenkirchen von „wellcome“ ergänzt
„Wellcome - Praktische Hilfe nach der Geburt“ steht für die Entlastung von jungen Familien durch Ehrenamtliche. Das primärpräventive Angebot ist nun auch im Kreis Altenkirchen als moderne Nachbarschaftshilfe verfügbar für Eltern, die im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes Unterstützung benötigen.
Die Arbeit von "wellcome" kann im Kreis Altenkirchen beginnen (von links): Ilka Brec, Rose Volz-Schmidt, Klaus Schneider, Beate Saddeler-Hassel, Joachim Türk und Anna Spiegel. (Foto: hak)Altenkirchen. In dem Wort "wellcome" ist doch ein "L" zu viel - oder? Wird das englische Wort für willkommen, nämlich welcome, gemeint, lautet die Antwort ja. Die Schreibweise mit dem doppelten Buchstaben in der Mitte darf nicht als Fehler angestrichen werden, wenn sich das Wort aus den Silben "well" aus wellness (Wohlbefinden) und "come" aus welcome (willkommen) zusammensetzt. Es soll verdeutlichten, dass es hilfebedürftigen Familien gut gehen soll und Neugeborene willkommen sind. Diese beiden Ziele verfolgt die Initiative "wellcome - Praktische Hilfe nach der Geburt", die am späten Montagnachmittag (5. Oktober) in der Stadthalle Altenkirchen fürs AK-Land vorgestellt wurde und die an den Kreisverband des Kinderschutzbundes angedockt ist. Das Jugendamt des Kreises, das den gemeinnützigen Verein mit der Realisierung für die Region beauftragt hat, sieht das Projekt als Ausbau der Präventionskette im Bereich der frühen Hilfen. Da der Schwerpunkt der Angebote der Lobby für Kinder bereits in diesem Bereich liegt, soll "wellcome" eine wichtige Ergänzung sein. Soziale Herkunft und Einkommen spielen bei "wellcome" keine Rolle. Die Unterstützung ist unabhängig davon, ob es das erste Kind ist oder ob es bereits Jungen und/oder Mädchen als Geschwister gibt.

Ilka Brec ist Koordinatorin vor Ort
Das Baby ist da, die Freude riesig – und nichts geht mehr: Die ersten Monate nach der Geburt eines Kindes können für junge Familien sehr herausfordernd sein. Es gibt viele Gründe, warum oft weit und breit keine Hilfe in Sicht ist. Die eigene Familie lebt nicht „um die Ecke“, der Kontakt zur Nachbarschaft existiert nicht, oder der Vater hat noch keine Elternzeit. Wer in dieser turbulenten Phase keine Hilfe hat, bekommt sie von "wellcome". Deswegen ist einmal pro Woche (montags von 11 bis 13 Uhr) eine telefonische Sprechstunde im Angebot, in der junge Eltern bei der Koordinatorin des neuen Standortes, der Pädagogin Ilka Brec, ehrenamtliche Unterstützung beantragen können. Sie arbeitet seit vielen Jahren in verschiedenen Bereichen der Familienhilfe. "Es darf keine Haushaltsunterstützung sein", erläutert sie, "es muss sich wirklich um das Kind drehen. Vorstellbar ist beispielsweise eine Begleitung zum Kinderarzt." Natürlich steht vor dem Start des Beistandes zunächst ein "gegenseitiges Beschnuppern", ob "beide Seiten überhaupt zueinander passen", wie es Brec formuliert. Für die Vermittlung der Ehrenamtlichen wird eine einmalige Gebühr von maximal 10 Euro berechnet, für den Einsatz "vor Ort" bis zu 5 Euro pro Stunde. Damit werden beispielsweise die Versicherung und die Fahrtkosten der Engagierten finanziert. Die Werbung für das pro Familie auf maximal ein Jahr befristete Angebot ist bereits in die Wege geleitet. Brec vertraut zunächst Flyern, die unter anderem in Arztpraxen und den regionalen Krankenhäusern ausgelegt sind. Aktuell hat sie drei "Einsatzkräfte" im Raum Altenkirchen "unter Vertrag". Weitere Mitmachende - vor allem für den Raum Betzdorf - werden händeringend gesucht.

Ministerin: Als Unterstützungssystem bewährt
Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz und seit 2016 Schirmherrin von "wellcome" in Rheinland-Pfalz, betonte vor rund 50 Gästen und der Moderatorin, Beate Saddeler-Hassel, der Vorsitzenden des Kinderschutzbundes im Kreis: "‚Wellcome‘ ist eine wichtige Ergänzung zu den anderen Hilfen. Die Ziele von ,wellcome' und des Familienministeriums sind, in allen Familien die Bedarfe zu decken. Es hat sich als Unterstützungssystem bewährt. Die Ehrenamtler schließen eine Lücke." Für Joachim Türk, Beisitzer im Bundesvorstand des Kinderschutzbundes, "passt das Projekt perfekt zum Kinderschutzbund". Der Landkreis und der lokale Kinderschutzbund seien "mit vielen tollen Leuten und vielen tollen Angeboten" besonders engagiert. Altenkirchens Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt wünschte sich, dass sich jedes einzelne Kind in der Region "willkommen fühlt und dass sich Altenkirchen zur besten und beliebtesten Kleinstadt für Familien mit Kindern in Rheinland-Pfalz entwickelt".

Von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz
Die Gründerin von "wellcome", Rose Volz-Schmidt, charakterisierte die Arbeit als "Hilfe von Mensch zu Mensch und von Herz zu Herz". Sie freute sich, dass die Initiative dort angesiedelt ist, wo eine gute Struktur existiere, und nicht auf der "grünen Wiese" gegründet worden sei. Als "absolut zuverlässigen Partner für die Jugendhilfe im AK-Land" bezeichnete Klaus Schneider, Beigeordneter des Kreises und für Soziales zuständig, den Kinderschutzbund. Präventionsarbeit, in den zurückliegenden Jahren stetig ausgeweitet, "ist absolut notwendig. Darüber sind sich alle Fraktionen im Kreistag einig". Auch Sabine Becher-Lichte, Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin im DRK-Krankenhaus Kirchen, berichtete von einer ständigen Erweiterung des Netzwerkes für frühe Hilfen. "Ich sehe viele Familien, die von diesem Hilfsangebot profitieren werden", erklärte sie und nannte explizit die Eltern von Zwillingen oder Alleinerziehende. Ursula Langen skizzierte ihren ersten Einsatz als Ehrenamtlerin bei einer nigerianischen Familie mit einem acht Wochen alten Mädchen, das noch einen Bruder (drei Jahre) hat, während der Ehemann die Woche über auf Montage ist. Die Verständigung erfolge im Schulenglisch, eine Fahrt zum Arzt mit Mutter und Mädchen war bereits ein Teil der Tätigkeit, die Langen "viel Spaß macht".

Merkel: Kultur des Hinsehens
Prominente und Paten tragen "das Sozialunternehmen für Familien", das sich als Pionier auf dem Gebiet der Social-Franchise-Sparte versteht und als Non-Profit-Organisation geführt wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Schirmherrin deutschlandweit: „Das Konzept von ,wellcome' überzeugt mich. Diese praktische und lebensnahe Hilfe für junge Familien, besonders für junge Mütter in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes, ist ein gutes Beispiel für eine Kultur des Hinsehens. Das ist der beste Schutz vor Vernachlässigung und Misshandlung.“ Die Geschichte von ,wellcome' begann mit der Geburt der ältesten von nunmehr drei Töchtern von Volz-Schmidt. Obgleich selbst ausgebildete Sozialpädagogin und in harmonischer Partnerschaft lebend, fühlte sie sich nach einer schweren Entbindung und ohne familiäres Netzwerk vor Ort überfordert und erschöpft. Deswegen gründete die gebürtige Schwarzwälderin 2002 "wellcome" mit dem Ziel, überforderten Familien möglichst frühzeitig zu helfen. Als zudem auch noch langjährige Leitungskraft in der Familienbildung, Supervisorin und Beraterin hatte und hat sie explizit gute Kompetenzen in der Entwicklung sozialer Organisationen und einen besonderen Blick auf die Menschen, die darin arbeiten. Volz-Schmidt wurde mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt sie 2009 das Bundesverdienstkreuz.

Mehr als 4000 Ehrenamtliche
Ebenfalls 2009 wurde Volz-Schmidt auch formal zur Sozialunternehmerin: als geschäftsführende Gesellschafterin der "wellcome" gGmbH. Sie betreibt mit ihrer Kollegin und Geschäftsführerin Kirsten Harnisch-Eckert sowie ihrem Team aus Hamburg heraus alle Aktivitäten der "wellcome" gGmbH. Die "Familie“ bekam Zuwachs: Das Kernangebot der praktischen Hilfe nach der Geburt wird ergänzt durch den Spendenfonds für Familien in Not und die Online-Plattform www.ElternLeben.de. Derzeit engagieren sich bundesweit mehr als 4000 Ehrenamtliche in rund 4200 Familien und an rund 230 "wellcome"-Standorten in 14 Bundesländern Deutschlands. Ableger gibt es in Österreich und der Schweiz. Weitere Gründungen sind in Planung. Pro Standort und Team werden im Jahr rund 11.000 Euro benötigt. Die Einnahmen rekrutieren sich aus Spenden, öffentlichen Zuschüssen sowie den Gebühren aus den Tätigkeiten in den Familien. (hak)

Ilka Brec ist zu erreichen: Tel. 0151/266 38 751 oder per Mail an altenkirchen@wellcome-online.de. Informationen über die Homepage www.wellcome-online.de
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