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Nachricht vom 20.09.2010
Region
Gewerkschaft: Gespräche sind bisher eine Zumutung
„Das Ende von Trelleborg in Höhr-Grenzhausen“ steht auf einem Transparent, das an einem improvisierten Zaun aus Baustellen-Absperrgitter hängt. Hinter dem Zaun stehen zwei große Zelte und zwischendrin tummeln sich rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Trelleborg. „Wir streiken“ lautet kurz und bündig die Nachricht der Männer und Frauen im Streik-Camp der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), und sie tun dies ganz offiziell seit Mitte vergangener Woche.
Die Höhr-Grenzhausen. Das Streik-Camp der Trelleborg-Mitarbeiter liegt gänzlich außerhalb des Betriebsgeländes, denn das offizielle Streikbüro im alten Metallteilelager kann nicht benutzt werden, „da Trelleborg durch den Einsatz von Schlössern und Ketten den Zugang versperrt hat“, heißt es in einem Flugblatt der Gewerkschaft.

Die Hintergründe für den Streik haben in den vergangenen Wochen bereits für Schlagzeilen gesorgt: Der Trelleborg-Konzern will den Test- und Vertriebsstandort im Zentrum für Forschung und Entwicklung in Höhr-Grenzhausen bis Ende des Jahres schließen und damit ins das rund 170 Kilometer entfernte Breuberg im hessischen Odenwald umziehen. Dort residiert die Trelleborg Automotive AVS Europe unter anderem mit einer Produktionsanlage für Autozubehör.

Mehr als 160 Mitarbeiter sind nach Angaben der Gewerkschaft von den Schließungsplänen betroffen. Bereits Ende 2009, so Tobias Hanson von der Bezirksstelle Neuwied-Wirges der IG BCE, habe die Betriebsleitung einen Streit mit dem Eigentümer und Vermieter des Betriebsgeländes und der Gebäude, der Firma Metzeler Automotive in Lindau, als Grund für den Exodus genannt. Angeblich sei man sich uneinig darüber, wer für die Instandhaltung der Gebäude zuständig sei. Der Vermieter wolle die notwendigen Maßnahmen, die vertraglich abgemacht seien, nicht umsetzen. Trelleborg hat deshalb den Mietvertrag mit Metzeler Automotive gekündigt.

Unterstützt von der Gewerkschaft hatten Betriebsrat und Mitarbeiter in Höhr-Grenzhausen gemeinsam mit der Stadt im Frühjahr 2010 nach einer Lösung gesucht. Nach harten Verhandlungen mit Kommune, Land und Grundstückseigentümer sei es gelungen, die vom Trelleborg-Konzern für einen Kauf des Geländes genannten Bedingungen zu erfüllen, erklärte die Gewerkschaft noch im Juni in einer Pressemitteilung. So habe sich etwa die Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen bereiterklärt, bei einem Kauf des Grundstücks durch Trelleborg mögliche anfallende Altlasten zu übernehmen. „Das ging für alle Beteiligten an die Schmerzgrenze“, betonte damals Bezirksleiter Holger Zimmermann.

Doch selbst die Bereitschaft der Stadt, mit Millionenbeträgen den Standort sichern zu helfen, sei bei Trelleborg auf taube Ohren gestoßen, so Gewerkschaftssprecher Tobias Hanson. Und nicht einmal die Rückenstärkung für die Belegschaft durch das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium und ein von Ministerpräsident Kurt Beck erbetenes Gespräch mit der Konzernleitung hat weitergeholfen.

Inzwischen mehren sich nach Auffassung von Gewerkschaftsvertretern Anzeichen dafür, dass Trelleborg möglicherweise schon vor rund eineinhalb Jahren das Aus für den Standort Höhr-Grenzhausen zugunsten von Breuberg endgültig beschlossen haben könnte. Presseberichten zufolge war das Werk in Breuberg, das die Schweden vor zehn Jahren als Metzeler Gi-Metall von der britischen BTR-Gruppe übernommen haben, lediglich Produktionsstandort für schwingungsdämpfende Teile, die von der Automobilindustrie geordert werden. Jetzt soll es, so heißt es in einem Bericht des Internetportals „Echo Online“, zur „Europazentrale und Entwicklungszentrum für den Konzernbereich Automotive“ weiterentwickelt werden. Planung und Umsetzung eines solchen Vorhabens vollziehen sich kaum in einem so kurzen Zeitraum wie einem dreiviertel Jahr.

Gründe für eine Verlagerung des Zentrums für Forschung und Entwicklung vom Westerwald in den Odenwald gäbe es genug, nicht zuletzt residiert in Breuberg doch auch der Reifen-Riese Pirelli, der 1999 die Sparte Landwirtschaftsreifen in ein Joint Venture mit Trelleborg eingebracht hat, was 2001 in der kompletten Übernahme dieser Sparte durch den schwedischen Konzern mündete. Außerdem hat Pirelli den Standort Breuberg im Laufe der Zeit von einer reinen Produktionsanlage für alle Reifentypen zum Haupt-Produktions- und Entwicklungszentrum für PKW-Breit- und Ultra-High-Performance-Bereifungen entwickelt.

Fast gleichzeitig forcierte Trelleborg im Bereich Reifen eine Spezialisierung auf den Schwerpunkt Landwirtschaft. Interessant ist, dass der Zeitpunkt des Umzugs von Höhr-Grenzhausen nach Breuberg genau in die Abschlussphase eines so genannten Kommunikationsplanes fällt, mit dem Trelleborg bis Ende 2010 seine Rolle in der Sparte Landwirtschaft auf dem internationalen Markt festigen will. Zu diesem Zeitpunkt läuft auch die Lizenzgenehmigung für die Marke Pirelli Landwirtschaftsreifen aus.

Unter den Streikenden wächst inzwischen die Überzeugung, dass der Konzern vor diesem Hintergrund sowohl die Belegschaft und die Gewerkschaft wie auch die Politiker auf Kommunal- und Landesebene hingehalten und getäuscht habe. Und selbst der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering wies bei einer Stippvisite bei den Streikenden darauf hin, dass man im dem Fall, dass die Umzugspläne tatsächlich schon seit eineinhalb Jahren im Konzern auf dem Tisch liegen, diese Zeit für einen anständigen Sozialplan und Interessenausgleich hätte nutzen können.

„Am 14. Juni bekräftigte die Geschäftsleitung noch einmal die Umzugspläne“, so Frank Stein, Elektrotechniker im Betrieb und Kontaktmann der IG BCE. „Wir nehmen Euch mit“, wurde den betroffenen Mitarbeitern demnach erklärt, doch einen finanziellen Ausgleich für die mit dem Standortumzug verbundenen Mehrbelastungen für die Belegschaft wollen die Schweden nichts zahlen. „Die sagen einfach, das sei zumutbar“, erklärt Gewerkschaftssprecher Hanson.

Gespräche über eine sozial verträgliche Lösung für die Mitarbeiter blieben bisher ohne Ergebnis. „Das Unternehmen Trelleborg hat die Verhandlungen darüber gezielt ins Leere laufen lassen“, klagte die Gewerkschaft nach der ersten Runde Anfang September. Die Verhandlungspartner, der Betriebsrat und die zuständige Gewerkschaft IG BCE im Bezirk Neuwied-Wirges sahen sich getäuscht; sie verlangen nun mit einem Sozialtarifvertrag ein Mindestmaß an Sicherheit für die Mitarbeiter. Mit zwei Warnstreiks unterstrich die Belegschaft, dass sie bereit ist, für diese Forderungen zu kämpfen.

Doch der schwedische Konzern schaltet weiter auf stur. Auch das parallel laufende Verfahren vor der Einigungsstelle blieb bisher ohne vorzeigbares Ergebnis. In diesem Verfahren versuchen Vertreter des Unternehmens sowie des Betriebsrates unter Vorsitz eines vom Arbeitsgericht eingesetzten unparteiischen Vorsitzendeneine Einigung über den Interessenausgleich und den Sozialplan herzustellen. Nachdem nun am Dienstag vergangener Woche ein weiteres Gespräch über einen Sozialtarifvertrag für die Trelleborg-Mitarbeiter gescheitert waren, rief die Gewerkschaft zum unbefristeten Streik auf.

„Von Anfang an war klar, dass es für uns keinen Lösungsweg geben kann, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einem Wechsel nach Breuberg gezwungen werden sollen“, so Tobias Hanson, Bezirkssekretär und Verhandlungsführer der IG BCE Neuwied. In dieser sehr angespannten Verhandlungssituation habe dann der Arbeitgeber beim ersten Verhandlungstermin um eine Vertagung gebeten, um die finanziellen Spielräume auszuloten. Allerdings nur, um dann in der zweiten Verhandlungsrunde erneut eine Regelung zu einem freiwilligen Wechsel grundsätzlich auszuschließen. Hanson dazu: „Bei einer solchen Zumutung bleibt uns nichts anderes übrig, als die Verhandlungen für gescheitert zu erklären.“
 
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