AK-Kurier
Ihre Internetzeitung für den Kreis Altenkirchen
Nachricht vom 27.01.2021
Region
Hallenbad in Altenkirchen: Bürokratie verzögert Baubeginn
Selbst für Deutschlands Dauerkanzlerin ist sie ein Bremsklotz ohnegleichen. Die gewaltige Bürokratie, in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach aufgebaut, führt Angela Merkel aktuell in der Corona-Pandemie drastisch vor Augen, dass es gerade allerorten im Förderalismus klemmt, dass ein Vorwärtskommen (wenn überhaupt) nur in Trippelschritten möglich ist. Auch auf lokaler Ebene wird die Kleinigkeitskrämerei bis zum Umfallen geritten.
Das alte Altenkirchener Hallenbad muss länger in Betrieb bleiben, weil sich der Bau des neuen deutlich verzögern wird. (Foto: Archiv vh)Altenkirchen. Über dem Neubau des Altenkirchener Hallenbades steht kein guter Stern. So muss ein Zwischenfazit lauten, denn derzeit sorgt ausufernde Bürokratie für kein Fortkommen bei der Verwirklichung des Projektes, für das bereits Ende des Jahres 2015 der Verbandsgemeinderat der Alt-VG Altenkirchen sein grundsätzliches Okay gab. Eine allererste Planung war von einer Eröffnung des Indoor-Pools im November 2022 ausgegangen. Nach und nach wurde der Termin mit einem Fragezeichen versehen und auf Anfang 2023 verschoben. Aktuell beträgt der zeitliche Verzug schon rund neun Monate, wie der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, Fred Jüngerich, auf Anfrage des AK-Kuriers bestätigt. Die neue Sportstätte wird in unmittelbarer Nähe zur Großsporthalle im Sportzentrum auf der Altenkirchener Glockenspitze und in beinahe direkter Nachbarschaft zur alten Schwimmhalle, die im Juni 1970 eingeweiht wurde, verwirklicht. Die Kosten sind mit 15,5 Millionen Euro veranschlagt. Längst sollten die ersten Gewerke ausgeschrieben und die Aufträge vergeben sein.

Mehrfach bei ADD nachgefragt
Aktuell wartet der Bauherr noch immer, und das schon seit Monaten, auf den Bewilligungsbescheid, der die finanzielle Förderung in trockene Tücher packt. Jüngerich lässt den Vorgang noch einmal Revue passieren. "Im vergangenen Jahr haben Mitarbeiter des Rathauses mehrfach bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD nachgefragt, wie der Stand der Dinge hinsichtlich des Bewilligungsbescheides sei und ob alle Unterlagen vorlägen. Daraufhin hat man uns mehrfach signalisiert: ja, es ist alles da, der Bewilligungsbescheid kommt, mit ihm sei zu rechnen." Ende Oktober sei ein mehrseitiges Schreiben mit über 20 Fragen zugestellt worden, "die sich zum Teil auch noch beantworten ließen. Die erste Frage zielte darauf ab, dass die Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsanalyse als Vergleich zwischen Neubau und Altbausanierung gefordert wurde". Eine solche Untersuchung hätte, so Jüngerich, einen hohen sechsstelligen Betrag gekostet, "die Beantwortung dieser Frage in Verbindung mit den Kosten, die aus Steuergeldern beglichen werden, ist völlig absurd".

Telefonkonferenz mit Vorwürfen
Es schloss sich eine Telefonkonferenz an, an der neben Jüngerich Mitarbeiter der Verwaltung, der ADD, der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord und dem Architekturbüro Krieger (Velbert), das das neue Hallenbad plant, teilnahmen. "Ich habe darin zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund statischer Untersuchungen eines hiesigen Büros bereits im Jahr 2015 erkannt wurde, dass eine Sanierung des Bades völlig unwirtschaftlich aufgrund des maroden Zustandes nach fünf Jahrzehnten Nutzungsdauer ist", berichtet Jüngerich und muss eine Retourkutsche verdauen: "Dann bekamen wir nur zu hören, dass wir den verfahrensrechtlichen Weg nicht eingehalten und neben der fehlenden Wirtschaftlichkeitsberechnung schon den Bauantrag beim Bauamt des Kreises eingereicht hätten. Natürlich haben wir das, weil wir auch eine Baugenehmigung benötigen, deren Erteilung ebenfalls ihre Zeit braucht und wir deswegen das Zuwendungs- und Baugenehmigungsverfahren parallel haben laufen lassen. Uns hatte vorher niemand gesagt, dass das nicht erlaubt ist. Zudem haben wir in dieser Größenordnung noch nie etwas gebaut." Das könne man uns vorwerfen. Unwissenheit schütze vor Strafe nicht.

Mainz hält sich bedeckt
Auch beim Innenministerium in Mainz sei im vergangenen Jahr mehrfach nachgefragt worden, um den Fortgang des Prozesses zu erfahren. "Da hieß es immer, der Vorgang liege noch bei der ADD, und die Dinge sind auf dem Weg", rekapituliert Jüngerich und bilanziert: "Wir erstellen nun eine Wirtschaftlichkeitsanalyse in abgespeckter Form, die nur einen kleinen fünfstelligen Betrag kostet, aber auch das ist hinausgeworfenes Geld." Inzwischen wurde der Bestand des alten Hallenbades bei einem Ortstermin vom Architekturbüro Krieger aufgenommen. Mit dem Resultat wird in den kommenden zwei Wochen gerechnet, so dass die Aufstellung gen ADD geschickt werden kann. "Dann erwarten wir den lange ersehnten Bewilligungsbescheid", greift Jüngerich ein wenig optimistischer der Zeit voraus, ehe er den "schwarzen Peter" den beiden am Verfahren beteiligten Behörden zuschiebt: "Wir sind inzwischen neun Monate im Verzug. Das ist für mich ein Unding. Ich weise auch jede Schuld von den Mitarbeitern des Rathauses zurück."

Unklarheit über Zuschüsse
Schon im zweiten Halbjahr 2020 hatte die Bürokratie erstmals "auf sich aufmerksam" gemacht, als ein Disput um die Höhe der Förderung (und vom wem sie gezahlt wird) entstanden war. "Das Ministerium des Innern des Landes sagte im September 2018 den VGs Altenkirchen und Flammersfeld während des Fusionsprozesses eine Förderung von drei Millionen Euro zu. Nachdem im Frühjahr 2020 feststand, dass es dem Landkreis kraft aufsichtsbehördlicher Verfügung verwehrt ist, eine Kreiszuwendung zu geben, für die sich Landrat Dr. Enders und der Kreistag stark gemacht hatten, erhielt ich Anfang April von der Behördenleitung der ADD in Trier das fernmündliche Signal, dass die Landeszuwendung um die ausgefallene Kreiszuwendung in Höhe von 750.000 Euro auf 3,75 Millionen Euro erhöht werde", erklärte Jüngerich damals, "der förmliche Bewilligungsbescheid steht wegen Prüfung bautechnischer Fragen leider immer noch aus. Die restlichen Mittel für den Badneubau müssen über die allgemeine Rücklage der früheren VG Altenkirchen sowie über den allgemeinen Kreditmarkt bereitgestellt werden." Die zunächst avisierten drei Millionen Euro gliedern sich in eine Grundförderung (zwei Millionen Euro, das ist die Maximalförderung für ein Hallenbad dieser Größenordnung) und einen Bonus für die geräuschlose Fusion (eine Million Euro).

Verbot der Doppelförderung
"Als leider nur vorübergehender ,warmer Regen' schien zu Beginn des Jahres 2020 dann die Mitteilung des Büros des Bundestagsabgeordneten Erwin Rüddel, der Bund sei bereit, aus dem Bundesprogramm ,Sanierung und Neubau kommunaler Einrichtungen Sport, Jugend und Kultur' der Verbandsgemeinde einen Betrag von 2,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen zu wollen", führte Jüngerich ergänzend aus. Als Bürgermeister sei er verpflichtet gewesen, diese mögliche zusätzliche Einnahme mit dem Innenministerium des Landes zu erörtern. Ihm sei gesagt worden, dass die Landeszuweisung um die Höhe der in Aussicht gestellten Bundeszuweisung gekürzt werde für den Fall, "dass wir die Bundeszuweisung annehmen würden". Das sogenannte Verbot der Doppelförderung - das es von Seiten des Bundes nicht gibt - sei „geübte Förderpraxis des Landes“. Auch Jüngerichs Versuche, eine „win-win-Situation“ für das Land und die VG zu erzielen, seien leider fehlgeschlagen: "Dies hatte zur Folge, dass wir die Annahme der Bundesförderung ablehnen mussten. Das Bauvorhaben steht auch ohne Bundesförderung auf soliden Füßen. Dennoch hätte uns der zusätzliche Förderbetrag des Bundes von 2,5 Millionen Euro eine niedrigere Investitionskreditaufnahme und somit einen niedrigeren Schuldendienst beschert."

Erstes große Gebäude im Sportzentrum
Geplant ist, so war in der Sitzung des Verbandsgemeinderates Altenkirchen kurz vor Weihnachten 2017 beschlossen worden, ein Schul- und Sport- und damit kein Spaßbad. Das grundsätzliche Okay für einen Neubau lag zu diesem Zeitpunkt schon zwei weitere Jahre zurück (29. Oktober 2015). Bis die Eröffnung gefeiert werden kann, heißt es Daumen drücken, damit der "Senior", der aktuell geschlossen ist (seit dem 14. März 2020) weiterhin auch nach der Corona-Zwangspause seine Pflicht erfüllt. Am 27. Juni 1970 eingeweiht, war das Hallenbad das erste größere Gebäude auf der Glockenspitze im langsam entstehenden Sportzentrum. Diplom-Architekt Horst Wohle (Essen) hatte es als "Kleinschwimmhalle mit Schwimmbecken 8 x 25 Meter nach dem Forschungsauftrag des DSB/DSV für die Stadt Altenkirchen mit zentraler Kleiderabgabe" geplant. Damalige Kosten: 1,425 Millionen Mark. Noch einmal hatte Jüngerich hervorgehoben, dass "wir uns zum neuen Hallenbad bekannt haben, weil die Bevölkerung uns das wert ist, weil es uns die Kinder und Schüler wert sind". (vh)
Nachricht vom 27.01.2021 www.ak-kurier.de