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Nachricht vom 26.02.2021
Region
Offener Brief an Dreyer: Verlässliche Öffnungsstrategie für Einzelhandel gefordert
Steigende 7-Tage-Inzidenz-Werte auf der einen und der Ruf nach einer Öffnungsstrategie für den ländlichen Raum bzw. den Einzelhandel auf der anderen Seite: Passt das zusammen? In einem Offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer macht die Kommunalpolitik aus dem Kreis auf ein mögliches Sterben vieler inhabergeführten Geschäfte als Konsequenz aus der Corona-Pandemie aufmerksam und fordert eine durchdachte Abkehr von der Abschottung.
Tote Innenstädte? In einem Offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer macht die Kommunalpolitik aus dem Kreis Altenkirchen auf ein mögliches Sterben vieler inhabergeführten Geschäfte aufmerksam. (Foto: Archiv)Kreis Altenkirchen. Viele lokale Einzelhändler stehen nach Wochen des Lockdowns an der Schwelle zum Exitus. Kein Umsatz, fortlaufende Kosten, zäh oder gar nicht fließende finanzielle Hilfen und aufgebrauchte Rücklagen sind die Schlagworte, die die Situation beschreiben. Seit Wochen wird quer durch die Republik eine verlässliche Öffnungsstrategie gefordert, die angesichts steigender Infektionszahlen nicht eine Selbstverständlichkeit sein muss. In einem Offenen Brief macht die Kommunalpolitik aus dem Kreis Altenkirchen auf die lebensbedrohliche Situation der Einzelhändler aufmerksam und möchte eine klare und verlässliche Öffnungsstrategie bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz am 3. März verabschiedet wissen. Das sind Auszüge aus dem Schreiben, das von Landrat Dr. Peter Enders, Fred Jüngerich (Bürgermeister VG Altenkirchen-Flammersfeld), Joachim Brenner (Erster Beigeordneter VG Betzdorf-Gebardshain), Wolfgang Schneider (Bürgermeister VG Daaden-Herdorf), Dietmar Henrich (Bürgermeister VG Hamm), Ulrich Merzhäuser (Erster Beigeordneter VG Kirchen) und Berno Neuhoff (Bürgermeister VG Wissen) unterzeichnet ist: "So unterschiedlich die Herausforderungen der verschiedenen Regionen in Deutschland auch sind, gibt es doch Aspekte, die uns alle einen. Hierzu gehört im Moment die große Sorge um die Entwicklung unserer Innenstädte. ... Wie dringend nötig Perspektiven für den Handel sind, hat auch der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE) Josef Sanktjohanser, der aus der Stadt Wissen stammt und mit dem wir in Verbindung stehen, in seinem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht. ... Diese Anliegen können wir 1:1 nachvollziehen."

Immer häufiger Hilferufe
Weiter heißt es: "Wir bitten Sie und die Ministerpräsidenten der Länder eindringlich, sich vor der gemeinsamen Konferenz am 03.03.2021 damit (Anmerk. der Red.: dem Schreiben) auseinanderzusetzen, bevor viele Lichter in unseren kleinen und mittleren Städten in Rheinland-Pfalz vielleicht für immer ausgehen, weil nichts oder zu wenig geschieht. ... Es ist dringend Zeit zu handeln, damit die Herzen unserer Lebenszentren nicht aufhören zu schlagen. Der nun bereits seit November anhaltende Lockdown für Gastronomie, Kultur und Handel zwingt zahlreiche Gewerbetreibende in unserem ländlichen Raum in die ,Knie'. An die Bürgermeister der Verbandsgemeinden sowie an den Landrat werden immer häufiger Hilferufe herangetragen, die deutlich machen, dass nach dem Ende des Lockdowns nicht einfach alles zur vorherigen Normalität zurückkehren wird."

Richtung Global Player
"Kunden werden vor dauerhaft verschlossenen Türen stehen, da die Ladeninhaber die Durststrecke nicht überstanden haben oder wenden sich ganz dem Online-Handel der Global Player zu", führt das Schreiben weiter aus. "Die gezahlten staatlichen Hilfen reichen häufig nicht aus, um den bereits zuvor angegriffenen Einzelhandel zu retten. Neben den finanziellen Schwierigkeiten fehlt es aber auch an Hoffnung, Mut und klarer Perspektive, sich einer ungewissen Zukunft zu stellen. Wir Kommunen im ländlichen Raum investieren viel in unsere Innenstädte. Infrastrukturelle Verbesserungen, grüner Raum zum Leben und Verweilen, Sicherheit und kulturelle Angebote. All das stemmen wir trotz schwieriger Haushaltslagen. ... Doch unsere Bemühungen drohen durch diesen undifferenzierten und teilweise widersprüchlichen Lockdown zu scheitern. Wir brauchen eine klare und differenzierte Öffnungsstrategie und eine Unterscheidung zwischen ländlichem Raum und großen Städten, flankiert von Hygienekonzepten, Schnelltests und Inzidenzwerten, die es erlauben, selbst zu entscheiden und keine ,starren' Regelungen, die alle ,über einen Kamm' scheren."

Oberzentren werden unterstützt
"Die Oberzentren in Rheinland-Pfalz werden in den Jahren 2021 und 2022 aus dem Modellvorhaben „Innenstadt-Impulse“ finanziell unterstützt", wird weiter angeführt, "Ziel dieses Modellvorhabens ist es, die Innenstädte zu retten. Mit Erstaunen haben wir daher auch der Berichterstattung der Lokalpresse entnommen, dass das Land den Handel in großen Städten mit 250.000 Euro fördert. Und was ist mit dem Rest? Für Mittelzentren oder Grundzentren stehen, nach Ihrer Aussage, Hilfen unter Haushaltsvorbehalt - eine vage Aussicht. Die Städte und Gemeinden unterhalb der Grundzentren gehen gleich ganz leer aus. Auch das geplante „Termin-Shopping“ ab 1. März in Rheinland-Pfalz ist gutgemeint, hilft aber unseren Händlern in unseren Klein- und Mittelstädten nicht, wenn eine Person beziehungsweise ein Hausstand lediglich eine Viertelstunde ins Ladenlokal darf. Der Landrat und die Bürgermeister der Verbandsgemeinden im Landkreis Altenkirchen sowie die Industrie- und Handelskammer in Altenkirchen sind daher zutiefst besorgt, dass unsere Klein- und Mittelstädte in Altenkirchen, Betzdorf, Hamm, Herdorf, Daaden, Kirchen und Wissen veröden und viele Einzelhändler nicht mehr öffnen, wenn es keine konkreten und bessere Perspektiven gibt und nicht differenziert rasch geöffnet werden kann. Das alles, wie gesagt, natürlich mit Blick auf die Inzidenzwerte und unter Einhaltung der Hygienekonzepte."

Kleinräumig strukturiert
"Rheinland-Pfalz und der Landkreis Altenkirchen sind kleinräumig strukturiert. Hier können kleine Einzelhandelsgeschäfte im Gegensatz zu den Oberzentren oder Factory-Outlet-Centern unter der Beachtung von Hygiene- und Abstandsregeln unseres Erachtens gefahrlos umgehend geöffnet werden", lautet die Forderung, "unser Bundesland wirbt immer mit den Stärken des ländlichen Raums. Wir in den kleineren und mittleren Kommunen erwarten, dass dieser kleinteiligen Struktur im Einzelhandel nun auch Rechnung getragen wird. Diese Forderung halten wir unter Abwägung mit dem Gesundheitsschutz für absolut vertretbar, denn die Öffnung des Handels wird in unserer Region keine Menschenmassen anziehen. Kunden, die ohnehin den hiesigen Supermarkt besuchen, könnten den Einzelhandel vor Ort dann uneingeschränkt mit unterstützen. ... Davon würden alle profitieren, anstatt weiter auf teure und bürokratische Staatshilfe zu warten oder nur die Global Player an der Krise partizipieren zu lassen."

Lassen Sie uns nicht im Stich!
"Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, haben Sie ein Herz für die kleinen Kommunen, die 75 Prozent des Landes ausmachen, und für die schwächsten Glieder in der Kette, den örtlichen Einzelhandel", lautet der Appell, "lassen Sie uns nicht im Stich, ansonsten ist zu befürchten, dass dieser Einzelhandel nach der Pandemie für immer verschwunden ist und unsere kleinen Städte als Orte des Handels und der sozialen Treffpunkte sterben. Die Politik darf ihre Entscheidungen nicht nur nach Branchen treffen, sondern muss auch die Größe von Teilräumen berücksichtigen. Je nach Größenordnung eines Landkreises muss dieser regional selbst abwägen dürfen. Auch das ist kommunale Selbstverwaltung in Krisenzeiten des 21. Jahrhunderts. Bitte geben Sie in der neuen Rechtsverordnung dafür Spielräume. Schaffen Sie eine klare Öffnungsperspektive für den örtlichen Einzelhandel und die Gastronomie. Auch die gelegentlichen Öffnungsmöglichkeiten an Sonntagen bitten wir, in diese Überlegungen mit einzubeziehen."
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