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Nachricht vom 21.12.2023    

Klinikreform: Über 400 Menschen geben Klinik-Betriebsrat noch mehr Rückenwind

Die Öffentlichkeit nimmt die vorgesehene Herabstufung des Altenkirchener DRK-Krankenhauses noch lange nicht als gegeben hin. Nach dem Protestzug mit über 700 Teilnehmern quer durch die Stadt haben über 400 Menschen in der evangelischen Christuskirche bei einer „Kundgebung“ ihre Solidarität mit den Beschäftigten gezeigt und den Erhalt weitreichender ärztlicher Kompetenzen vor Ort eingefordert.

Bestens besucht: Die „Kundgebung“ war vom Marktplatz in die evangelische Christuskirche verlegt worden. (Foto: vh)

Altenkirchen. Es ist eine Ad-hoc-Entscheidung der evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen: Angesichts des miserablen Wetters am späten Donnerstagnachmittag (21. Dezember) bietet sie gut vorausschauend schon gegen 14.30 Uhr anstelle des Marktplatzes ihr Gotteshaus am Schlossplatz ohne Zögern als vorm Regen und Sturmböen geschützten Ort einer "Kundgebung" an, die der Betriebsrat des Altenkirchener DRK-Hospitals angesichts des Orkans, der um es ob der geplanten Degradierung herum tobt, initiiert hat. Über 400 Zuhörer bekunden jeweils mit ihrer Teilnahme, dass ihnen die Zukunft des Krankenhauses und der der Mitarbeiter absolut nicht egal ist. Die Insolvenz der DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland Pfalz (anmeldet am 8. August) hat mit Verspätung die Windstärke deutlich erhöht. Nach dem die von der Zahlungsunfähigkeit betroffenen fünf Kliniken in Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied zunächst ohne Einschränkung weiterarbeiten, sieht sich gut zwei Monate später, nämlich vom 19. Oktober an, die DRK-Trägergesellschaft Süd-West als des Insolvenzunternehmens übergeordnete Chefetage massivem Gegenwind ausgesetzt, als sie ihre Pläne zur Umgestaltung des Zuschnitts der einzelnen Kliniken vorstellt mit dem Ergebnis, dass Altenkirchen am massivsten von der Umsetzung eines neuen Konzepts betroffen sein wird. Ein Protestzug, ebenfalls nicht von der Sonne verwöhnt - die meisten der rund 700 Mitmachenden gehen unter Regenschirmen einmal quer durch die Stadt – gibt Ende Oktober einen ersten Fingerzeig, was die Bevölkerung von den DRK-Plänen hält. Andrei Badiu, der Vorsitzende des Betriebsrates der Klinik in Altenkirchen, hat eine einfache Formel parat, warum dieser zweite Schritt in die Öffentlichkeit sein muss: „Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf“, zitiert er aus dem Song „Mit freundlichen Grüßen“ (MfG) der deutschen Hip-Hop-Gruppe „Die Fantastischen Vier“.

„Der Zuspruch hilft weiter“
„Der Zuspruch, der erneut zuteil wird und der auch gezeigt wurde bei der Demonstration am 27. Oktober, hilft weiter“, betonte Moderator Ralf Käppele in seinem Auftaktstatement, „denn ohne eine solche Unterstützung von euch, eine Unterstützung aus den Vereinen und Verbänden, aus der Geschäftswelt, aus den Betrieben und aus der Politik, die der Betriebsrat und die Sache erfahren hat, ohne die wäre der Betriebsrat Altenkirchen, der auch immer wieder von Zweifeln geplagt wird, ob das überhaupt Sinn macht, was er tut, vielleicht diesen Zweifeln erlegen.“ Wie unterschiedlich die Ausgangslage für den Betriebsrat gegenüber den das DRK beratenden Anwälten sei, machte Käppele an einer Zahl fest: Dafür seien laut Bericht des Sachwalters in der Insolvenz 4,5 Millionen Euro ausgewiesen: „Hier kämpfen Amateure gegen Vollprofis.“ Der Betriebsrat werde in die Richtung „toxisch“ verortet, ihm werde unterstellt zu lügen, aber auf Nachfrage werde diese Behauptung nicht konkretisiert, „da kommt nichts mehr“ wusste Käppele. „Das Krankenhaus muss bleiben“, machte Thomas Wunder als Vorsitzender des Aktionskreises Altenkirchen unmissverständlich deutlich. Er schoss sich auf die DRK-Manager ein: „Wie ihr mit den Mitarbeitern umgeht, das ist eine Schande.“ Wunder erinnerte an die schweren Corona-Zeiten, in denen die Mitarbeiter „Stellung für uns alle gehalten haben“, und sie hätten es nicht verdient, zu Weihnachten die Kündigungen zu erhalten. „Wir fordern eine klare und verbindliche Beschäftigungsgarantie für alle Mitarbeiter, sie sollten sich um Gottes Willen nicht wegbewerben müssen, wir brauchen euch“, sagte Wunder und ergänzte: „Von Anfang an war die Zerschlagung des Krankenhauses Altenkirchen geplant. Wir wollen keine Abrissbirne.“

„Zwei Etagen aufs Krankenhaus oben drauf“
Vehement verlangte Altenkirchens Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz, das geplante Westerwaldklinikum in Altenkirchen anzusiedeln, „zwei Etagen aufs Krankenhaus oben drauf, und wir haben genau das, was die Politik uns verspricht, nämlich eine flächendeckende Versorgung zwischen den Zentren, die uns umgeben.“ Und da sei er Logistiker, „der beste Standort ist Altenkirchen und nicht Müschenbach.“ Das in Müschenbach seien Fantastereien, „und von denen müssen wir uns verabschieden“. Lindenpütz machte in Richtung Beschäftigte deutlich, dass „wir, die Stadt Altenkirchen und der Stadtrat, hinter und vor ihnen stehen in den Bemühungen um den Erhalt des Krankenhauses“. Fred Jüngerich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld nahm sich der Kommunikation zwischen Beschäftigen und Arbeitgeber an, die „unter aller Kanone war“. Er verfolge das gesamte Thema schon seit 2019, als es bereits um das besagte Krankenhaus in Müschenbach, „die Toplösung“, gegangen sei. „Und seit dieser Zeit beobachte ich die strategische Schwächung des Standortes Altenkirchen durch die Verlagerung einzelner Gewerke von Altenkirchen nach Hachenburg. Wenn ich dann gesagt bekomme, ,eure Bilanz stimmt nicht, eure Gewinn- und Verlustrechnung stimmt nicht’, ist es kein Wunder, wenn ich vorher Fakten schaffe, dass dann das Gutachten so aussieht wie es aussehen muss. Und wenn ich dann in der Zeitung lese, dass ein landespolitisch verantwortlicherer Mensch aus Hachenburg propagiert, ,wir müssen jetzt die Pläne in Müschenbach vorantreiben’, frage ich mich, was da nicht stimmt?“ Er, Jüngerich, stehe zu einer großen Lösung mit rund 500 Betten, „von mir aus auf dem Marktplatz in Hachenburg, aber keine Behelfslösung in Müschenbach auf der ,grünen Wiese’, die dem besagten Menschen allenfalls als Denkmal zu dienen bestimmt ist“.



„Bleiben Sie gesund, denn das Leben hier ist gefährlicher geworden“
Urologe Prof. Dr. Horst Schuldes, der per gemeinsamer Praxis mit Dr. Jens Otto über Belegbetten in unmittelbarer Nachbarschaft verfügt, berichtete aus seinem Alltag mit all seinen unterschiedlichen Krankheitsbildern. „Wenn es dieses Krankenhaus nicht mehr geben sollte und der Patient im Krankenwagen bis nach Bonn, Siegburg, Troisdorf oder Koblenz mit einer Kolik transportiert werden muss, ist das nicht toll“, erläuterte Schuldes, „daran kann man sterben, oder man kann überleben.“ Wenn eine Niere staue, käme eine Entzündung mit Vereiterung hinzu, „und wenn man die nicht schnell ableitet, weil man durch die Gegend fahren muss mit Gerüttel und Geschüttel, gibt es eine Blutvergiftung mit Todesfolge“. Das könne so passieren. „Die Laseroperation der Prostata machen wir überregional. Wir haben damit in diesen DRK-Krankenhäusern ein Alleinstellungsmerkmal“, betonte Schuldes, „das würden wir alles aufgeben. Wir haben zum Teil auch Patienten aus dem Ausland.“ Ihm war wichtig: „Ich möchte weiterhin nach Altenkirchen fahren, weil ich weiter mit meinen Mitarbeitern zusammenarbeiten möchte für unsere Patienten.“ Oberärztin Alexandra Müller (Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie) ergriff zunächst Partei für den Betriebsrat, der „ordentlich Shitstorm“ über sich habe ergehen lassen müssen, „reingeworfen in einen Mist aus Insolvenzverfahren und Anwälten, und trotzdem geben sie nicht auf“. Sie blickte besonders auf die Arbeit im Schockraum: „Wenn auch immer Krankenhäuser in der näheren Umgebung angesprochen werden, ist keiner außer Altenkirchen baulich oder personell dazu in der Lage, einen Schockraum zu führen. Die Einzigen, die das können, ist Altenkirchen mit seinen Mitarbeitern.“ Schließlich wurde Müller vor dem Hintergrund der gesamten Entwicklung sehr deutlich: „Es ist eine Unverschämtheit an ihnen, es ist auch eine Unverschämtheit an uns, die das jahrelang so gelebt haben. Bleiben Sie gesund, denn das Leben hier ist gefährlicher geworden.“

„Noch größere Probleme beim Abbau der stationären Versorgung“
„Mit Abbau der stationären Versorgung werden wir noch größere Probleme haben, Patienten im Krankenhaus irgendwo unterzubringen, als es jetzt schon der Fall ist“, blickte Hausärztin Susanne Georg-Nies von der „anderen“ Seite auf die vorgezeichnete Entwicklung, „wir müssen schon jetzt stundenlang telefonieren, um Patienten unterzubringen.“ Mit frühzeitiger Kommunikation hätte man Lösungen erarbeiten können, „wenn man gewollt hätte“ und die eine flächendeckende Gesundheitsvorsorge gewährleistet hätten. Auch unausweichliche Umstrukturierungen wären möglich gewesen, um zu bestehen, „aber doch nicht, wenn man eine Region völlig abhängt“, erkannte Georg-Nies. Wer solle in den abgebauten Strukturen arbeiten und welche Ärzte? Gesundheit sei ein Grundbedürfnis aller Menschen, und die Gesundheitsversorgung sei Voraussetzung für jegliche Art von Entwicklung. Corinna Simmerkuss berichtete über die vor wenigen Tagen gegründete Bürgerinitiative (BI) „Gute Gesundheitsversorgung im Raiffeisenland“, weil die Menschen in der Region das Gefühl hätten, in Fragen der Gesundheitsversorgung nicht gehört zu werden und weil über ihre Köpfe hinweg entschieden werden soll. Die BI möchte, so Simmerkuss, die Bürger informieren und aufklären. „Wir möchten versuchen, eine Gleichgewicht herzustellen zwischen den Bürgern und der Politik, in den meisten Fällen ist es so, dass die Politik einen großen Wissensvorsprung hat, der in vielen Fällen aber leider zum Nachteil eines großen Teils der Bevölkerung eingesetzt wird“, verdeutlichte Simmerkuss und stellte für sich selbst Grundsätzliches fest: „Alles ist im Gesundheitssystem dem Geld geschuldet. Es geht nicht um die Menschen. Alles wird ausschließlich auf die Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Alle haben sich dem Maximierungsprinzip des Geldes zu unterwerfen.“

„Wir haben Angst, dass ein Kahlschlag passiert“
Leider würden die Verhandlungen über Interessensausgleich und Sozialplan weitergeführt, so Badiu, „obwohl wir immer noch nicht wissen, wie viel Personal noch hier bleiben darf. Wir haben die Angst, dass ein Kahlschlag passiert, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden. Aufgrund dessen haben wir eine Einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Koblenz eingereicht. Wir werden versuchen, unsere Rechte, ob wir sie im Insolvenzverfahren haben oder nicht, durchzufechten. Wir werden weiter kämpfen.“ Es sei ihr ein Anliegen, so die stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates, Dr. Isabella Jung-Schwandt, Äußerungen wie „der Betriebsrat ist toxisch und verlogen“ zu bremsen: „Wir machen sicher nicht alles richtig, aber wir lügen nicht.“ Käppele forderte ein, mehr Demokratie zu wagen. Dazu gehöre auch die Kommunikation miteinander, „nicht Ergebnisse einem vor den Latz zu knallen, sondern miteinander zu reden, möglicherweise konträr zu diskutieren und vielleicht zu einem konstruktiven Ergebnis zu kommen. Das sehe ich hier leider nicht.“ Sie begrüße jede Initiative, so Jung-Sdchwandt, „die auch nur einen einzigen Arbeitsplatz an unserem Standort erhält. Wir können es uns nicht leisten, dass auch nur noch eine einzige Fachkraft aus dieser Region verschwindet.“ (vh)


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