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Nachricht vom 24.02.2024    

Mahnwache in Hamm: Zwei Jahre Krieg in der Ukraine sind zwei Jahre zu viel

Zwei Jahre Krieg in der Ukraine: Seit zwei Jahren sterben Menschen grundlos, seit zwei Jahren flüchtet die Zivilbevölkerung in Richtung Westen, seit zwei Jahren kennt Wladimir Putins Kriegsmaschinerie kein Erbarmen. Mit einer "Mahnwache für den Frieden" haben rund 150 Menschen in Hamm ihre Stimmen für das Ende des militärischen Konflikts in Osteuropa erhoben.

Rund 150 Menschen finden sich auf dem Synagogenplatz in Hamm zur Mahnwache ein. (Foto: vh)

Hamm. Nur langsam kommen Menschen an diesem Samstagnachmittag (24. Februar) auf dem Synagogenplatz in Hamm zusammen. Nur wenige ukrainische Farben prägen schließlich das Bild unter den rund 150 Teilnehmenden der „Mahnwache für den Frieden“ angesichts des auf den Tag genau zwei Jahre tobenden Krieges im Osten Europas. Dennoch ist der Wunsch nach Ende des von Russlands Präsidenten Wladimir Putin grundlos befohlenen barbarischen Feldzuges gegen das souveräne Land allen gemein. „Wenn wir zum zweiten Jahrestag dieses leidvollen und für Hunderttausende Menschen tödlichen Konfliktes zusammenkommen, dann müssen wir uns eingestehen, dass eine friedliche Lösung dieses Krieges noch weniger sichtbar ist als vor einem Jahr. Zwei Jahre Krieg sind zwei Jahre zu viel, denn diese russische Aggression richtet sich gegen alles, woran wir in Europa 70 Jahre lang geglaubt haben: Freiheit, Selbstbestimmung, Demokratie und Völkerrecht scheinen dauerhaft in Frage zu stehen“, sagt Andrea Aufderheide, die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen. Ein skrupelloser Imperialist und Diktator führe nicht nur Krieg gegen die ukrainische Nation, gegen ein souveränes Volk, gegen eine demokratisch gewählte Regierung: Putins Krieg richte sich auch gegen Europa und seine Werte, „gegen unser Grundverständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Putins Programm zur ‚Russifizierung‘ der Ukraine ist zwar grandios gescheitert, lediglich 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes konnte völkerrechtswidrig annektiert bzw. besetzt werden, aber die Folgen der sogenannten ‚militärischen Spezialoperation‘ haben in den vergangenen 24 Monaten Züge eines Vernichtungskrieges angenommen“. Da die Wahrheit bekanntlich eines der ersten Opfer aller Kriege sei, könne auch nach zwei Kriegsjahren die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die auf beiden Seiten gefallen und verwundet sind, nur geschätzt werden. „Schockierend ist, wie wenig ein Soldatenleben für den Kreml zählt. Mitunter werden bis zu 1000 Soldaten in Angriffswellen, in ,Meatwaves’ geopfert, verbluten in einem ‚Fleischwolf‘ - so der interne Ausdruck der russischen Soldaten selbst zu ihren Einsätzen -, einem Fleischwolf, der aus Minenfeldern, Artilleriebeschuss, Maschinengewehrfeuer und Drohnenangriffen besteht“, führt Aufderheide weiter aus und bilanziert: „Wir beklagen, dass unzählige Menschen entwurzelt und heimatlos geworden sind: Vier Millionen Flüchtlinge sind innerhalb der Ukraine unterwegs, sechs Millionen halten sich derzeit außerhalb ihrer Heimat auf, 1.133.620 Flüchtlinge sind hier bei uns in Deutschland registriert.“

„Ein Kampf zwischen Systemen“
Martin Autschbach, Jugendpfarrer und Schulreferent der evangelischen Kirchenkreise Altenkirchen und Wied sowie Mitorganisator der gemeinsamen Veranstaltung von DGB, den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden im AK-Land sowie den Kreisverbänden von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, FWG und Die Linke, betont: „Wir klagen die an, die verantwortlich sind für zahllose Kriegsverbrechen: Kriegsverbrechen wurden und werden überwiegend von den Streitkräften Russlands begangen. Die Massaker von Butscha im Oblast Kiew, der Raketenangriff auf den überfüllten Bahnhof der Stadt Kramatorsk, die Bombardierung der Geburtsklinik in Mariupol sind Verbrechen gegen die Genfer Konvention.“ Allein der Luftangriff auf das als Lazarett gekennzeichnete Theater von Mariupol habe zu 600 Toten, überwiegend Frauen und Kinder, geführt. Zur Strategie der russischen Kriegsführung gehörten offensichtlich Folter, Vergewaltigung, Erschießung von Zivilisten, Bomben- und Raketenterror gegen die Zivilbevölkerung und das systematische Ausradieren von Dörfern, Städten und Industrieanlagen in umkämpften Territorien. „Wie viele Menschen durch Kriegsverbrechen getötet wurden, wird erst dann zu beziffern sein, wenn nach einem Ende dieses Krieges ihre Gräber aufgetan werden. Inhalt dieser Mahnwache darf aber nicht allein die Klage und Anklage sein, sondern auch der Respekt und die Achtung vor der Haltung der Menschen, die sich mutig zur Wehr setzen, die Widerstand leisten und ihre Freiheit, ihre Unversehrtheit und letztlich ihr Leben riskieren“, weiß Autschbach, „an der 1300 Kilometer langen Frontlinie geht es nicht allein um die Verteidigung der Ukraine, es findet ein Kampf zwischen Systemen statt, zwischen einer liberalen Demokratie, die sich den Menschenrechten verpflichtet weiß einerseits, und einer totalitären Oligarchie, die längst zur Diktatur mutiert ist und ihre imperialen Ziele durch Eroberungskriege verfolgt.“ Er erinnert an die Verschleppung von Kindern und Jugendlichen: „Wir sind erschüttert: Eine sechsstellige Zahl ukrainische Kinder wurde laut Angabe des Kremls seit Kriegsbeginn aus den besetzten Gebieten nach Russland ‚evakuiert‘. Menschenrechtsorganisationen wenden ein, dass ‚Evakuierung‘ hier ein Tarnbegriff für Deportationen ist und von einer erschreckend hohen Zahl verschleppter Kinder auszugehen ist. Die Deportation von Kindern ist ein Kriegsverbrechen. Den Haag hat aus diesem Grund bereits 2023 einen Haftbefehl gegen Putin erlassen.“



Viel Applaus für Marina Lahutina
Viel Applaus erhält Marina Lahutina, die das Café Kiew in Wissen besucht. Sie berichtet über ihre zehnjährige Odyssee mit Flucht aus Luhansk, einer von Russland bereits seit 2014 besetzten Stadt in der Ost-Ukraine, über Kiew nach Deutschland, wo sie seit dem 31. Mai 2022 lebt. Sie schildert ihre Erfahrungen mit dem Krieg, der „Angst und Tod“ bringt, über den Verlust von Freunden, Träumen und Plänen, erklärt wie es ist, unter Artilleriebeschuss sich im Badezimmer verstecken zu müssen (sie meint, ihr Badezimmer sei der sicherte Raum in der Wohnung) und sagt: „Das Leben bereitet einen nicht auf solche Dinge vor. Ich hatte Todesangst. Es war, als ob ich nie existiert hätte.“ Sie, die einst 22 Bankfilialen im östlichen Teil ihres Landes leitete, dankt „Deutschland für alle offenen Herzen und die Hilfe, die ich erhalten habe“. Im Café Kiew in Wissen können sich ukrainische Familien in ungezwungener Atmosphäre austauschen und neuen Lebensmut schöpfen. Auch die vielen Veranstaltungen, die dort angeboten werden, und Sprachkurse sorgen dafür, dass die geflüchteten Menschen gut ankommen können.

Trio trägt Texte von ukrainischen Schülern vor
Aufderheide, Regine Wald, Pastoralreferentin im pastoralen Raum Betzdorf im Erzbistum Trier, und Autschbach, tragen Texte von drei Schülern vor, die aus der Ukraine geflüchtet sind und die August-Sander-Realschule plus in Altenkirchen besuchen. So wird Alona zitiert: „In einen Schutzraum oder die Metro in Kiew schafft es mein Opa gar nicht mehr. Ich sehe ihn vor mir, wenn in den Nachrichten von Angriffen auf Kiew mit Drohnen oder Raketen berichtet wird. Das Handy ist immer an, falls was Schlimmes passiert.“ Dominik gibt zu Protokoll: „Die Kinder können nicht mehr im Wald oder auf den Wiesen spielen, weil das sehr gefährlich ist: Da liegen Minen oder Bomben, die plötzlich explodieren können, wenn man sie berührt. Sicher ist es nur im Haus, am besten im Keller. Stellt Euch vor, ihr könnt draußen nicht mehr rumlaufen und spielen. Wer will zurück in so ein Land?“ Ilia, mit Mutter und Bruder über Polen und Berlin bis in den Kreis Altenkirchen geflüchtet, während sein Vater noch in der Ukraine arbeitet, erklärt: „Jeder in Dnipro kennt jemanden, der im Krieg gefallen ist. Der Vater meines besten Freundes wurde an der Front von einer Granate getroffen und ist tot. Große Sorgen mache ich mir um meine Großeltern. Die sind zu alt, um zu flüchten. Meine Freunde vermisse ich, aber ich spiele in Neitersen Fußball in einer guten Mannschaft, und das gibt mir Mut.“ Für die musikalische Begleitung sorgt Sänger Jörg Brück aus Etzbach, der zwei eigene Stücke und eins von seiner Frau Nadja komponiertes vorträgt und mit Gitarrenspiel begleitet. Der Song „We Shall Overcome“ bildet den Schlusspunkt nach einem von Wald vorgetragenen Friedensgebet mit Schweigeminute. Das Protestlied, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1901 zurückreichen, spielt eine wichtige Rolle in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Die Refrainzeile, die auch als Titel dient, bedeutet: „Wir werden (es) überwinden!“ Titel und/oder Song werden weltweit als musikalischer Protest gegen jede Art von Missständen verwendet. Die bekannteste Fassung des Liedes stammt von Joan Baez, der inzwischen 83-jährigen US-amerikanischen Folksong-Ikone, Gitarristin, Bürgerrechtlerin, Pazifistin und Umweltaktivistin. (vh)



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