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Nachricht vom 09.06.2018    

525 Jahre Katzwinkel: „Leben auf dem Land hat Zukunft“

Ein Dorf feiert sich selbst: Die Gemeinde Katzwinkel wurde vor 525 Jahren erstmals erwähnt, und mit einer feierlichen Sitzung des Ortsgemeinderates haben am Freitag, 8. Juni, die Feierlichkeiten für das mit „Katzwinkel – wo Zukunft Tradition hat“ überschriebene Festwochenende begonnen. Schirmherr Professor Dr. jur. Rainer Vor blickte auf die Historie und ermunterte, Herausforderungen der Zeit anzugehen und sich ehrenamtlich zu engagieren.

Ernst Becher (rechts) moderierte durch die Sitzung, hier mit dem Schirmherrn des Jubiläums, Professor Dr. Rainer Vor. (Foto: tt)

Katzwinkel. „Hier, wo einst das Erz zu Tage gebracht, wo erklang das ,Glück auf' im tiefen Schacht, wo Frohsinn und Geselligkeit, den Alltag bestimmten zu jeder Zeit“, heißt es im Gedicht „Die Heimat“, das der heute 91-jährige, ehemalige Bergmann Stefan Rosenbauer aus Katzwinkel einst verfasste, und das die neunjährige Carla Würthen darbot. Eine Ratssitzung zu eröffnen, das sei für ihn etwas Neues, sagte der Erste Ortsbeigeordnete Hubert Becher in der „Glück-Auf-Halle“. Die Aufgabe sei ihm nur zugefallen, weil Ortsbürgermeister Wolfgang Würden erkrankt sei. Aus „einer der besten Kliniken in der Region“ grüße Würden und wünsche für die Feierlichkeiten viel Erfolg und viel Freude. Mit dem ganzen Saal sendete auch Moderator Ernst Becher Genesungswünsche.

Vereine als Herzstück des Gemeinwesens
So eine große Zahl an Gästen habe man nicht oft, sagte Hubert Becher. „Der heutige Anlass begründet sich im Engagement unserer Vorgänger in den Jahrzehnten“, erkannte Becher an, der unter anderem die Witwen der früheren Ortsbürgermeister Herbert Becher und Horst Höhn sowie des verstorbenen Ehrenbürgers Karl-Heinz Dornhoff begrüßte: „Eure Männer haben Spuren hinterlassen.“ In seiner Begrüßung stellte er auch das dörfliche Leben und Engagement vor, mit Kirchen, Vereine als „Herzstück unseres Gemeinwesens“, Feuerwehr, DRK und Jugend. Auch wenn die Steuerhebesätze kein Förderprogramm für Unternehmen seien, sei man froh, dass diese Arbeitsplätze vor der Haustür bieten würden und wichtige Partner seien.

Seinen Dank entrichtete er an diejenigen, die im Orga-Team mit Leiter Rüdiger Schneider ein tolles Festwochenende vorbereitet hätten. „Unser Mandat ist ihr Auftrag“, sagte er zu den Katzwinkelern und Elkhäusern. Die Menschen in der Region hätten das Dreiländereck längst zu ihrem Lebensraum gemacht. Das Dorfleben finde nicht mehr nur in engen Grenzen der Gemeinde oder des Kreises statt, motivierte er zum Blick über den Tellerrand: „Wir brauchen kluge Ideen, um das eine oder andere Projekt gemeinsam anzugehen.“ Man werde alles dran setzen, das Leben im Ort noch ein Stück lebenswerter zu machen.

Musikalisch eingestimmt von der von Thomas Schneider dirigierten Bergkapelle „Vereinigung“ mit dem „Ruetz“-Marsch, bot der von Hans-Josef Greb geleitete Kirchenchor Cäcilia zwei Lieder dar. Jemand, der dem Ort verbunden ist und Abstand hat, ist Schirmherr: Professor Dr. jur. Rainer Vor. Der gebürtige Katzwinkeler, der seit 1999 an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig lehrt, betonte: 525 Jahre seien eine lange Zeit, aber: „Nichts bleibt wie es ist.“ Rasant verändere sich die Welt, sagte der Arbeits- und Sozialrechtler: Das hätten die Vorfahren genauso empfunden. Er machte eine Exkursion durch die Jahrhunderte, von der ersten urkundlichen Erwähnung, über 1750, als Elkhausen und Katzwinkel sich von Höfen zu Dörfern entwickelten, der Bergbau großen Einfluss entwickelte und die „Vereinigung“ entstand. 1896 gehörte die Grube zu den fünf größten im Siegerland, und 1926 habe man mit 800 Beschäftigten die größte Förderkapazität im Siegerland erreicht: Katzwinkel sei ein wichtiger Industrieort geworden.

Vom Bergmannsdorf zur Wohngemeinde
Professor Vor - Vater und Großvater waren Bergleute - berichtete von der Schließung am 30. Juli 1963: „Eine Epoche ging zu Ende.“ Die Grube sei mit Abstand der größte Arbeitgeber gewesen und habe den Lebensrhythmus bestimmt, sagte Vor, der den Strukturwandel beleuchtete. In seinen eloquenten Ausführungen konstatierte er, dass aus einem Bergmannsort eine Wohngemeinde geworden sei. Mit aktuell 23 Vereinen attestierte er ein reges Vereinsleben: „Das kann sich sehen lassen und ist nicht hoch genug zu bewerten.“ Dass am Festsonntag ein Gottesdienst gefeiert werde, das sei ihm persönlich wichtig. Zum Stichwort Herausforderungen erwähnte er den Rückgang der Bevölkerung von 2005 bis 2016 um 200 auf 1800 und die demografische Entwicklung. Kita, Schule und zwei Kirchen, das sei gut und seit 2015 gebe es schnelles Internet, jedoch sei die Verkehrsanbindung schlecht. Der ländliche Bereich drohe abgehängt zu werden. Man müsse neue Wege gehen, mit Kreativität, Offenheit und guten Kommunikationsstrukturen. Gut leben zu können, das müsse gut geplant sein, sagte Vor, der auch Stichworte Seniorenangebote anführte. „Die Dorfmoderation finde ich ganz interessant“, sagte er und ermunterte auch hier dran zu bleiben.

Einen Schwerpunkt sieht er darin, Daseinsvorsorge und Infrastruktur zu erhalten, und beim Stichwort niedergelassene Ärzte sieht er gute Ansätze. Er skizzierte auch, wie Kommune und Zivilgesellschaft hier zusammen wirken können, während die Zivilgesellschaft für Zusammenhalt sorgen müsse. „Nur Mut: Ihr blickt auf eine lange Geschichte“, und da sei weit Schlimmeres gemeistert worden, etwa der Wegbruch von Arbeitsplätzen. Wenn es Probleme gebe, müssten sie gelöst werden. Manchmal habe er jedoch das Gefühl, der Weltuntergang werde herbei geredet, aber man lebe in einem reichen Land und habe 70 Jahre Frieden, so der Schirmherr, der herausstellte, dass Demokratie verteidigt werden muss, und dies könne auch anstrengend sein. Ehrenamtliches Engagement sei eine sinnstiftende bürgerliche Betätigung. Die Geschichte habe gezeigt, dass es sich lohnt zu engagieren - und 525 Jahre habe man bereits gemeistert.



Die Infrastruktur muss stimmen
„Sie haben eindeutig die älteren Rechte“, räumte schmunzelnd Landrat Michael Lieber, der Landkreis sei ja erst 202 Jahre alt. Viele Höhen und Tiefen habe man erlebt, und das Dreiländereck sei eine schwierige Situation – aber: „Die kommunale Familie hat sehr viel bewerkstelligt“, sagte er mit Blick auf neue Strukturen. Auch das Jubeldorf habe einen Strukturwandel mitgemacht und gut dargestellt, bilanzierte er. Laut einer Studie würde die Mehrheit der Menschen vom Gefühl her gerne in einer kleinen Stadt in einem ländlichen Raum leben, es müsse jedoch die Infrastruktur stimmen. Ganz existenziell dafür seien die ärztliche Versorgung, aber auch die Mobilität, nicht nur individuelle. Im Herbst will er wieder kommen, um mit dem Gemeinderat sein 525-Jahre-Geschenk, einen Baum, zu pflanzen.

„Einen Ausbauplan für die K74, das wäre ein echtes Jubiläumsgeschenk gewesen“, schmunzelte Moderator Ernst Becher, der souverän durch das Programm führte. Verbandsgemeindebeigeordneter Friedhelm Steiger, der die Glückwünsche von Bürgermeister Michael Wagener und der kommunalen Familie überbrachte, hob hervor, dass die Geschichte des Dorfes mit 525 Jahre bis in das Spätmittelalter zurückreiche, wahrscheinlich aber schon viel länger besiedelt sei. Geschichte könne man nicht allein an Zahlen festmachen, sondern gerade an Menschen. Steiger erinnerte an den Bergbau, der, obwohl längst Vergangenheit, immer noch allgegenwärtig sei, zum Beispiel mit der Knappenstraße. Mit einem Verweis auf Dorfmoderation und Vereine konstatierte er, dass „ihre Gemeinde Vergangenheit und Zukunft verbinden kann“. Er überreichte einen Gutschein für einen Baum.

Gelegenheit, Menschen zu entdecken
Aus Sicht von Pfarrer Martin Kürten sind „525 Jahr ein sehr menschliches Jubiläum“. „In kleinen Zeitabschnitten wird immer gefeiert, wenn es um Menschen geht.“ Ein Dorf zeige dabei, was es habe, viele Menschen, die hier leben und sich für andere einsetzen würden. Das Fest sei eine gute Gelegenheit, Menschen zu entdecken und in den Blick zu nehmen, dann bleibe Katzwinkel ein Ort, in dem Menschen gerne leben. Seine evangelische Kollegin Gudrun Weber-Gerhards erinnerte, was 1493 war, zum Beispiel Martin Luther zehn Jahre alt und Hans Holbein d.Ä. vier Bildtafeln vom Leben Mariens erstellte. In diesem Rahmen sei Katzwinkel geboren worden: „Es lebt auch heute, und die Menschen leben gerne hier.“

In den Reden war immer wieder die Zahl von 23 Vereinen herausgehoben worden, und in deren Namen gratulierte Ernst Dornhoff, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft: „Vereine und Vereinigungen sind ein Teil unseres Gemeinwesens.“ Dort finde Miteinander und Gemeindeleben statt, vom Schlachtfest über Begegnungsnachmittag bis zum Karneval: „Das wird auch künftig so sein.“ Als Geschenk der Vereine gab es eine Bank. Für eine „Bank von den Bürgern“ soll beim Fest gesammelt werden. Dornhoff stellte eine „kleine Dorfchronik“ vor, die beim Fest bestellt werden kann.

Was das Leben auf dem Land ausmacht
„Das Leben auf dem Land kann ganz reizvoll sein“: Dem Thema näherte sich Aloysius Söhngen in seinem Festvortrag. 1000 praktische Ratschläge wollte er nicht liefern, würden diese doch immer aus einer bestimmten Perspektive kommen. Für den stellvertretenden Vorsitzenden des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz stellt es dagegen einen wichtigen Punkt dar, dass die Menschen vor Ort sich über die Gemeinde für selbige aktivieren, denn: „Wer auf große Hilfe von außen wartet, der wartet lange und oft vergeblich.“ Für Söhngen, heute als Bürgermeister in Prüm und früher bei der Kreisverwaltung Altenkirchen tätig, ist „Leben auf dem Land ist im besten Sinn Gemeinwesen.“ Sich treffen und unterstützen, Miteinander und Nachbarschaftshilfe: Söhngen sieht darin das „Leben, was Leben auf dem Land ausmacht und uns stärkt gegenüber dem Leben in der Stadt“. In diese Betrachtung bezog er Vereine ein und stellte das Überschaubarkeit heraus, die ein Begegnen von Menschen mit Gesichtern ermögliche.

Das von ihm aufgezeichnete Leben sei eine Situation, die es auch für Familien attraktiv mache hier zu leben. Bezahlbare Wohnraum und die Natur fanden ebenso Erwähnung, und Söhngen motivierte: „Seid davon überzeugt, Leben auf dem Land hat Zukunft, und es lässt sich hier hervorragend leben.“ Die Infrastruktur müsse natürlich vorhanden sein, betonte er, was er unter anderem mit vernünftiger Daseinsvorsorge und Verkehrsanbindung aufgriff. Das Land sei ein toller Zukunftsort, und man müsse die Kinder davon überzeugen, dass es sich hier gut leben lasse, dann werde man in Katzwinkel die nächsten 525 Jahr überstehen. Nach dem offiziellen Teil lud Hubert Becher zu einem Imbiss „in unserem Wohnzimmer“. (tt)


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