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Nachricht vom 03.07.2021    

Pandemie steigert Bedarf an Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Kinder

Im Rahmen der Corona-Pandemie ist das Kindeswohl immer wieder einmal in die öffentliche Diskussion geraten. Die Ärztliche Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen e.V. (ÄB) an der Siegener DRK-Kinderklinik stellte Anfang Juni nun ihren Jahresbericht 2020 mit den Zahlen für die Region vor.

Antje Maaß-Quast (links) und Marina Beer vor der DRK-Kinderklinik Siegen. Foto: privat

Siegen. Darin vermelden Antje Maaß-Quast und Marina Beer, die Fachkräfte der an der Siegener DRK-Kinderklinik ansässigen Einrichtung, mit 195 Fällen erneut gestiegene Fallzahlen für die Region.

Aufgrund der Corona-Pandemie konnten kaum Fachtage durchgeführt werden und somit war der persönliche Austausch leider eingeschränkt. Jedoch wurde eine breite Netzwerkarbeit fortgeführt. Auch unter Corona-Bedingungen war die ÄB telefonisch und in Präsenz für die Familien erreichbar und gerade in dieser Zeit ein verlässlicher Ansprechpartner.

Trotz steigender Fallzahlen konnten die Kolleginnen einen Termin für ein Erstgespräch innerhalb von 14 Tagen vergeben und auch eine zeitnahe Weiterarbeit gewährleisten. Im Vergleich zu anderen Beratungsstellen ist dies eine erfreulich kurze Wartezeit. Neben der direkten Beratung von Betroffenen und deren Angehörigen haben 33 professionelle Helfer von Jugendämtern, Familienhilfeeinrichtungen, Schulen und Familientagesstätten eine kollegiale Beratung in Anspruch genommen. „Auch im Jahr 2020 waren wir stark gefordert durch eine intensive Einzelfallarbeit, bei der zum Kindeswohl zudem oft mit anderen Institutionen, insbesondere mit den Jugendämtern und der Kinderschutzgruppe (KSG) der DRK-Kinderklinik zusammengearbeitet wurde. Die Zahl der betreuten Familien hat erneut zugenommen, in den letzten fünf Jahren hat sie um mehr als 40 Prozent zugenommen“, erläutert Antje Maaß-Quast.

„Ob die Ursache des Anstiegs auch in der Corona Pandemie zu finden ist, darüber gibt es zurzeit noch keine verlässlichen Studien. Jedoch trägt die weiter gestiegene, gute Vernetzung mit anderen Institutionen der Jugendhilfe und der Justiz aus unserer Sicht dazu bei, dass Hilfesuchende den Weg zu uns finden“, ergänzt Marina Beer. Auch die stete Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit auf Länder- und Bundesebene durch die „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“ und die voranschreitende Platzierung der Themen in öffentlichen Institutionen und der Öffentlichkeit helfen dabei, Betroffene zur Inanspruchnahme von Beratung und Unterstützung zu motivieren.

Die Vernetzung mit anderen Einrichtungen, die in diesem Themenfeld ebenfalls arbeiten sowie die Teilnahme an Helferkonferenzen und Arbeitskreisen zu der Thematik sind für einen effektiven Kinderschutz in der Region ebenso erforderlich wie eine multiprofessionelle Zusammenarbeit in konkreten Fällen. Die Anstellung der zweiten Fachkraft erfolgte Ende 2020 auf Anregung und mittels Unterstützung durch den Landrat und das Gesundheitsamt des Kreises Siegen-Wittgenstein. Die ÄB arbeitet seit Jahrzehnten zudem eng mit dem interdisziplinären Team der Kinderschutzgruppe (KSG) und der Kinderschutzambulanz (KSA) der DRK-Kinderklinik zusammen. Durch diese enge Zusammenarbeit der jeweiligen Stellen gelingt eine vollständige Begleitung betroffener Kinder und Jugendlicher sowie deren Eltern. Die Begleitung reicht von der ersten Einschätzung der Gefährdung über die Betreuung der Betroffenen und deren Familienmitglieder bis hin zur Nachsorge.

Eine überregionale Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich Kinderschutz besteht weiter durch die jeweiligen Mitgliedschaften der ÄBs in der „AG Kinderschutz in der Medizin“ (KiM, www.ag-kim.de) und in der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention (DGfPI, www.dgfpi.de). Bereits seit März 2018 ist das Angebot der Ärztlichen Beratungsstelle auf der Informations- und Beratungsplattform KidKit.de (www.kidkit.de/hilfe-vor-ort) genannt und verlinkt, beim www.hilfeportal-missbrauch.de der Bundesregierung beziehungsweise des BMFSJ hat man sich vor kurzem angemeldet.

Die Familien mit Beratungsbedarf kamen wie auch im Vorjahr überwiegend aus der Stadt Siegen 28 Prozent und dem Kreis Siegen-Wittgenstein 45 Prozent. Fasst man Stadt Siegen und Kreis Siegen-Wittgenstein zusammen, sind das insgesamt 73 Prozent aller Fälle. Der Anteil der Fallmeldungen aus dem Kreis Olpe ist auf 13 Prozent gesunken. Dafür wurden mehr Meldungen aus Rheinland-Pfalz registriert, 7 Prozent gegenüber 6 Prozent, im Vorjahr. 2 Prozent der Meldungen kam aus Hessen, Rest-NRW ist mit 5 Prozent der Meldungen vertreten.

Im Jahr 2020 bezogen sich 104 Beratungsanfragen auf Mädchen und junge Frauen, 91 Anmeldungen auf Jungen (2019: 109/83). Der Anteil der Beratung von Mädchen und Frauen an den gesamten Beratungsfällen beträgt damit 53Prozent (2019: 57Prozent). Der Anteil der Beratung von Jungen beträgt 47Prozent (2019: 43Prozent). Die Verteilung hat sich also im Vergleich zum Vorjahr etwas verändert. Größere Unterschiede der Meldezahlen nach Geschlechtern zeigen sich in diesem Jahr im Bereich der unter drei-jährigen Kinder. Hier liegt die Fallzahl der Jungen deutlich über der Zahl der gemeldeten Mädchen (gleich zu 2019). In den Berichtsjahren zuvor dominierten ab dem Kindergartenalter die Anmeldungen der Mädchen. In diesem Jahr dominieren auch hier noch die Jungen, erst ab dem Grundschulalter liegt die Anmeldezahl der Mädchen über denen der Jungen.



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Hinsichtlich des Vorstellungsgrundes betrug der Anteil der Misshandlungssyndrome (sexueller Missbrauch, Kindesmisshandlung, Vernachlässigung) für die Gesamtgruppe 95 Prozent (2019: 99 Prozent) und machte damit den weitaus größten Teil der Anmeldungen aus. Bei 22 Prozent der Anmeldungen (2019: 21 Prozent) – wurde häusliche Gewalt oder emotionale Misshandlung als einer der Anmeldegründe genannt. Vernachlässigung wurde insgesamt in 16 Prozent der Fälle genannt (2019: 10 Prozent) und ist im Vergleich zum Vorjahr somit deutlich angestiegen. Der Beratungsbedarf für sexuell übergriffige Kinder/Jugendliche war in neun Fällen der Anmeldegrund (2019: 15) und ist im Vergleich zum Vorjahr somit niedriger.

Bei den Mädchen stand wie im Vorjahr mit Abstand (54 Prozent, 56 Nennungen) der Verdacht auf sexuelle Misshandlung an erster Stelle. Bei den Jungen ging es in diesem Jahr bei den Anmeldungen vorwiegend um den Bereich der körperlichen Misshandlung (58 Prozent, 53 Nennungen), gefolgt von dem Verdacht auf emotionale Misshandlung (36 Prozent, 33 Nennungen). Der Verdacht auf sexuellen Missbrauch wurde bei den Jungen in jedem vierten Fall (26 Prozent) genannt (2019: 29 Prozent . Abgenommen haben die Meldungen bei den Jungen im Bereich der Abklärung sexueller Übergriffe/Misshandler (7 Fälle in 2020 zu 14 in 2019). Der überwiegende Teil der vorgestellten Jungen zu dieser Thematik lebte in einer Patchworkfamilie oder in einer Wohngruppe.

Multiprofessionelle Zugänge der Diagnose, Beratung und Therapie bekommen in diesen Zusammenhängen für die betroffenen Kinder und Familien eine ganz besondere Bedeutung. Hier liegt eine große Chance aber auch eine besondere Herausforderung in der Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen der Kinderklinik im Blick auf eine gelingende und auf das Kindeswohl ausgerichtete Vernetzung untereinander und mit weiteren Institutionen nach außen.

Finanziert werden die 1,5 Stellen der beiden Mitarbeiterinnen des Vereins, der seinen Sitz an der Kinderklinik hat, zum Großteil von Mitteln der Stadt Siegen, des Kreises Siegen-Wittgenstein sowie vom Land NRW. Die DRK-Kinderklinik Siegen stellt zudem die Räumlichkeiten zur Verfügung. Aber auch Spenden und Mitgliedsbeiträge helfen dabei, diese Einrichtung zu finanzieren und deren Arbeit mit den Betroffenen zu ermöglichen.

Auf dem Hintergrund der gelungenen Zusammenarbeit mit den beteiligten Institutionen und den beratenden und unterstützenden Personen will man auch im Jahr 2021 eine stabile und fallgerechte Weiterarbeit in der Ärztlichen Beratungsstelle fortsetzen. Sobald es die Situation in Hinblick auf die Corona-Pandemie wieder zulässt, werden Ärztliche Beratungsstelle und Kinderschutzgruppe vertiefende Fortbildungen für interessierte Lehrerinnen und Lehrer sowie pädagogische Fachkräfte zum Thema „Erkennen und Vorgehen bei Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen“ anbieten. Darüber hinaus wird erneut ein Vortrag für Studierende des Fachbereichs Biologie/Lehramt zum Thema „Vernachlässigung und Misshandlung an Kindern und Jugendlichen/Kinderschutz“ an der Uni Siegen gehalten werden.

Ausgelöst durch einige Anfragen sind im Rahmen der präventiven Arbeit in Kindertagesstätten und Kindergärten Veranstaltungen oder Elternabende zum Thema „Körper, Kuscheln, Doktorspiele – kindliche Sexualität besser verstehen lernen“ geplant. Im Trauma-Netzwerk Siegen/Olpe haben sich Psychotherapeuten und Ärzte zusammengeschlossen, die Ärztliche Beratungsstelle ist dort ebenfalls vertreten. Die begonnene Netzwerkarbeit wird in 2021 fortgeführt werden, sie widmet sich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die von traumatischen Ereignissen betroffen sind und dient dem professionellen Austausch und der gegenseitigen Unterstützung.

„Die Entwicklung dieser Zahlen zeigen deutlich auf, wie wichtig eine solche spezialisierte Fachberatungsstelle für die Region ist“, erklärt Carsten Jochum, Geschäftsführer der DRK-Kinderklinik Siegen gGmbH und neuer Vorsitzender des Vereins. „Dabei stellen unsere Fachkräfte bei ihrer professionellen Herangehensweise den Leitsatz: „Hilfe statt Strafe“ ihrem Tun voran. (PM)



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