Altenkirchener Afghanistan-Stiftung will trotz Taliban-Sieg Arbeit fortsetzen
Die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan hat die Länder, die rund zwei Jahrzehnte lang am Hindukusch sowohl militärisch als auch entwicklungspolitisch engagiert waren, in ein Desaster gestürzt. Dennoch will die „Stiftung Dr. Akbar und Sima Ayas - Nothilfe für afghanische Kinder" aus Altenkirchen weiter versuchen, das Elend in dem bitterarmen Staat zu lindern.
Altenkirchen. Der Eroberungszug der Taliban in Afghanistan hat von heute auf morgen knallhart bewiesen: Die Nationen, die vor Ort über zwei Dekaden lang versucht haben, das Land ein wenig nach vorne zu bringen, sind mit ihrem Engagement krachend gescheitert. Vielmehr noch: Das Debakel bei den aktuellen Evakuierungsmaßnahmen wirft ebenfalls kein gutes Licht auf die USA, Deutschland & Co. Alles in allem gesehen ist es ein Desaster auf der ganzen Linie. Von der Ratlosigkeit der politischen Führungen lässt sich die „Stiftung Dr. Akbar und Sima Ayas - Nothilfe für afghanische Kinder" aus Altenkirchen aber nicht unterkriegen. Sie will weiter punktuell versuchen, das Leid der Menschen in dem bitterarmen Staat zu lindern. „Wenn die Taliban ihre bis jetzt gemachten Versprechen halten, ist das nicht schlecht“, sagt Akbar Ayas, der nach eigenen Worten „schon immer gegen die Taliban, die Koranschüler, war“. Im Moment sei es ruhig in Kabul, alle könnten zur Arbeit, die Mädchen momentan auch noch zur Schule gehen. Es habe bislang weder Zerstörungen noch Enteignungen gegeben. Er bezieht die Informationen aus seinem Geburtsland praktisch stündlich, „über WhatsApp stehe ich dauernd in Kontakt mit unseren Verbindungsleuten in Kabul. Da kommen schon mal drei bis fünf Stunden am Tag zusammen“. Auch wird er laufend angeschrieben und mit Berichten versorgt.
Bald wieder Reisemöglichkeiten?
Seit Anfang des vergangenen Jahres waren Akbar Ayas und seine Frau Sima nicht mehr vor Ort. Corona schob weiteren regelmäßigen Stippvisiten einen Riegel vor. Trotz neuer Regierung sollen bereits begonnene Projekte abgeschlossen, neue alsbald geplant werden. „Wir hoffen, dass wir in zwei bis drei Monaten wieder selbst hinfliegen können“, betont Akbar Ayas, die Stiftung werde auf jeden Fall weitermachen, auch, weil in den zurückliegenden Jahren ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut worden sei. Dennoch bleiben Sorgen als auch Angst ständige Begleiter. Akbar Ayas hofft, dass bei politischen Verhandlungen, die Taliban-Delegationen momentan in Pakistan und in Katar führen, die Grundlage der Stiftungsarbeit nicht gekippt wird.
Im Fokus: Binnenflüchtlinge
Aktuell gilt das Hauptaugenmerk von Akbar und Sima Ayas den Binnenflüchtlingen, die Kabul erreichten, weil sie einen sichereren Ort gesucht hätten. „Viele sind aus den Provinzen in die Hauptstadt gekommen und campieren in Parks“, weiß Akbar Ayas. Mit 20.000 Euro, die aber erst überwiesen werden können, wenn die Banken in „zwei bis drei Tagen“ wieder geöffnet sind, sollen Grundnahrungsmittel für rund 1000 Familien (5000 Menschen insgesamt, meistens Frauen und Kinder) gekauft werden. Dazu zählen 50 Kilogramm Mehl, 20 Kilogramm Speiseöl, Tee, Zucker und Salz pro Familie mit Kosten in Höhe von 22 bis 23 Euro. „Der Bauch ist leer, deshalb wird Kleidung zunächst einmal zurückgestellt“, erklärt Akbar Ayas, wobei die jahreszeitlichen Änderungen mit Herbst und Winter die Situation durchaus schwieriger machen können. Deshalb ist ihm wichtig zu betonen, dass „jeder Cent und jeder Euro, die als Spende eingehen, wirklich vonnöten sind“.
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Spielball verschiedener Nationen
Wie es mit und in Afghanistan weitergeht? Die Antwort auf diese Frage fällt Akbar Ayas nicht gerade leicht. Würden die bislang gemachten Versprechen der Taliban nicht eingehalten, „geht Afghanistan kaputt“. Für ihn wiegt schwer, dass das Land seit über 40 Jahren ein Spielball der Russen, der Nato, der USA gewesen und schließlich immer allein gelassen worden sei. Ihn stört zudem die internationale Haltung gegenüber Pakistan, in dem über 3500 Koranschüler ausgebildet worden seien. Selbst deren Familien hätten in diesem Land gelebt. „Und unter den Taliban befinden sich sogar pakistanische Offiziere“, berichtet Akbar Ayas und ergänzt: „Gegen einige Länder wurden Sanktionen erlassen, wie zum Beispiel gegen Russland wegen des Kriegs in der Ukraine. Warum wurden solche Maßnahmen nicht gegen Pakistan verhängt?“
50 Prozent der Spenden aus dem Westerwald
Immer wieder sind Akbar und Sima Ayas dankbar, dass notwendiges Geld für die Unterstützung zusammenkommt. „Wir benötigen 30.000 bis 40.000 Euro im Jahr", nennt er, genau wie seine Frau in Kabul geboren, eine Hausnummer. 50 Prozent der „Zuschüsse" kommen aus dem Westerwald. Indirekt ist das Paar, das 1974 in Kabul den Bund fürs Leben einging, schon seit 1978 aktiv. Afghanische Flüchtlinge in Pakistan wurden seinerzeit mit Medikamenten versorgt. Die Stiftung ging im Jahr 2004 an den Start, dem Jahr, in dem Akbar Ayas seine eigene Praxis, in der er als Unfall- und D(urchgangs)-Arzt in Altenkirchen und an der Seite seiner Frau (Krankenschwester und medizinisch-technische Assistentin) seit 1986 gearbeitet hatte, aufgab und verkaufte. Die Eheleute waren 1975 in die Bundesrepublik gekommen, damit Akbar Ayas seine Ausbildung zum Facharzt beginnen konnte. Für die ehrenamtliche Tätigkeit war bereits 2003 die Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz verliehen worden. Direkte Verwandtschaft hat Akbar Ayas keine mehr in Afghanistan. Als fünftes von neun Kindern haben alle dem Land den Rücken gekehrt und sich in Kanada und den USA niedergelassen. Mit allen stehe er noch in regelmäßigem Kontakt.
Kindern medizinische Behandlung ermöglicht
Waren Kindern zunächst medizinische Behandlungen bei Fachärzten auch jenseits der afghanischen Landesgrenzen ermöglicht worden, machten sich Akbar und Sima Ayas alsbald daran, handfeste Maßnahmen der Infrastruktur zu realisieren. Es entstand ein Kinderheim für 100 Mädchen (mit der Möglichkeit, Abitur zu machen), eine Grundschule und ein Gymnasium, vier Nähstuben für Frauen, eine große Tagesklinik, in der auch ambulant entbunden werden kann, sowie Brunnen, um die Trinkwasserversorgung zu verbessern. Die Nähstuben verfolgen das Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe. „Nach einjähriger Ausbildung erhalten die Frauen jeweils eine Nähmaschine, um zuhause Kleidung anzufertigen und sie anschließend zu verkaufen", berichtet Akbar Ayas, „so sorgen sie für den Unterhalt der Familie". Alle Projekte spielen sich in einem Umkreis von bis zu 80 Kilometern um die Hauptstadt Kabul herum ab. (vh)
Mehr unter www.ayas-stiftung.de; E-Mail ayas-stiftung@t-online.de; Spendenkonto bei der Westerwald Bank IBAN DE85 5739 1800 0017 2106 02, BIC GENODE51WW1
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