Werbung

Nachricht vom 21.09.2021    

Fünf Monate Haft für Besitz von 0,75 Gramm Amphetamine – Wie geht das?

Von Wolfgang Rabsch

Eines ist sicher: Beim Amtsgericht Altenkirchen sitzt nicht der berühmt-berüchtigte "Richter Gnadenlos" aus Hamburg. Trotzdem hat Richter Volker Kindler keine andere Möglichkeit gesehen, einen Angeklagten wegen des Besitzes von 0,75 Gramm Amphetamin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung zu verurteilen.

Amtsgericht Altenkirchen. (Foto: Wolfgang Rabsch)

Altenkirchen. Das Besondere an diesem Urteil ist der Umstand, dass alle Prozessbeteiligten, also der Angeklagte, dessen Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft (StA) Rechtsmittelverzicht erklärten.

Wie kam es zu dem ungewöhnlichen Urteil?
Die StA Koblenz hat dem Angeklagten aus dem Oberwesterwald vorgeworfen, 2020 in Bruchertseifen 0,75 Gramm Amphetamin in seinem Besitz gehabt zu haben. Nachdem die Anklage zugelassen wurde, kam es nun zum Prozess beim Amtsgericht Altenkirchen. Sein Verteidiger musste den sichtlich unter Stress stehenden Angeklagten vor dem Termin beruhigen, er hatte sich sogar gewundert, dass der Angeklagte zum Termin erschienen war, der wohl eine Ahnung hatte, was ihm an Strafe „blühen“ würde.

Zu den persönlichen Verhältnissen ist zu sagen, dass der Angeklagte die fast übliche „Karriere“ hinlegte, die dann im Drogen- und Alkoholkonsum endet. Nach der Hauptschule hat er in verschiedenen Berufen gearbeitet, auch in der Zeitarbeit, letztendlich ist er heute erwerbslos und ledig.

Ein geständiger Angeklagter, der auch Reue zeigte
Der Angeklagte war sehr reumütig und oft den Tränen nahe: „Die Anklage ist zutreffend, ich hatte die Drogen dabei. Mit 14 Jahren habe ich mit dem Drogenkonsum begonnen, zurzeit ist Alkohol das größere Problem für mich, zudem habe ich Hepatitis C. Ich weiß, dass ich unter zwei laufenden Bewährungen stehe, die auch bereits widerrufen sind. Ich bin es aber selbst schuld, da ich nicht die Treffen mit dem Bewährungshelfer eingehalten habe, das war der falsche Weg. Ich bin wieder mit meiner Freundin zusammen und will mein Leben nun endlich in den Griff bekommen.“

Da denkt sich der aufmerksame Prozessbeobachter, dass sie das alle sagen, um eine milde Strafe zu bekommen. Bei diesem Angeklagten schien das aber glaubhaft zu sein, wie der weitere Prozessverlauf aufzeigte. Der Strafregisterauszug (BZR) hatte drei Eintragungen: Freiheitstrafen von fünf Monaten, von einem Jahr und fünf Monaten und von acht Monaten, alle Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungen sind inzwischen teilweise widerrufen.



Der Vertreter der StA beantragte eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung, da der Angeklagte Bewährungsversager ist und zudem zur Tatzeit unter zweifacher Bewährung stand. Der Verteidiger des Angeklagten stellte keinen gesonderten Antrag, war also mit dem Antrag der StA einverstanden.

Der Angeklagte brach bei seinem letzten Wort in Tränen aus: „Mir tut alles sehr leid, doch ich will mich meiner Verantwortung nicht entziehen. Auch wenn ich jetzt überhaupt nicht darauf vorbereitet bin, gehe ich sofort in die Strafhaft. Mit den Widerrufen wird einiges zusammenkommen, aber da setze ich auf Haftentlassung nach zwei Dritteln oder sogar einer Halbstrafe. Nach meiner Entlassung werde ich umgehend eine Therapie durchführen, um mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.“

Ein Urteil, mit dem alle leben können

Richter Volker Kindler sprach das Urteil: Fünf Monate Freiheitsstrafe wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Seine Begründung traf den Nagel auf den Kopf: „Die sofortige Vollstreckung der Freiheitsstrafe hilft Ihnen, wenn Sie weiter draußen frei rumlaufen können, wäre ein Rückfall eher wahrscheinlich. Während der Haft können Sie sich um einen Therapieplatz nach Ihrer Entlassung kümmern. Die Möglichkeiten einer vorzeitigen Haftentlassung sollten sie nicht verschenken, auch wenn weitere Bewährungsstrafen widerrufen werden. Sie machen, trotz Ihrer Probleme, einen anderen Eindruck wie viele andere, die nicht wissen, wo sie sind, wenn sie den Sitzungssaal betreten, und nicht wissen, wohin sie gehen sollen, wenn sie diesen wieder verlassen. Sie sind selbst verantwortlich für Ihr Leben, nutzen Sie die Chance.“

Wie eingangs erklärt, verzichteten sämtliche Verfahrensbeteiligten auf die Einlegung eines Rechtsmittels, sodass der Angeklagte sofort in die Strafhaft überführt werden konnte. (Wolfgang Rabsch)


Lokales: Altenkirchen & Umgebung

Jetzt Fan der AK-Kurier.de Lokalausgabe Altenkirchen-Flammersfeld auf Facebook werden!


Anmeldung zum AK-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Altenkirchen.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Region


Öffentliche Fahndung nach schwerer Körperverletzung auf Autobahnrastplatz "Logebachtal-West"

Textteil: Am Mittwoch, 17. Juli, kam es auf dem Gelände des Rastplatzes "Logebachtal- West" zu einer heftigen Auseinandersetzung. ...

Young- und Oldtimer treffen sich am 11. August in Oberdreis

Oberdreis. Zum zehnten Mal lädt der Young- und Oldtimerclub Oberdreis zum legendären Treffen ein. Alle Auto- und insbesondere ...

Regnerischer Start ins Wochenende - Hundstage lassen auf sich warten

Dierdorf. Als Hundstage werden bei uns umgangssprachlich die heißen Tage in der Zeit vom 23. Juli bis zum 23. August bezeichnet. ...

Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt: Streitholz setzt auf Verkehrssicherheit

Streitholz. Im Zuge des Ausbaus der Strecke vom Ortsausgang Wissen Richtung Hagdorn, wurden von Anwohnern Bedenken geäußert. ...

Kreisfeuerwehrverband Altenkirchen freut sich über großzügige Spende

Altenkirchen. Da es sich um teilweise feuerwehrtechnische Gerätschaften handelt, welches immens kostenintensiv ist, sei der ...

Großer Abschied und neuer Anfang: Lebenshilfe Altenkirchen verabschiedet Auszubildende

Altenkirchen. Jedes Jahr bietet die Lebenshilfe im Landkreis Altenkirchen jungen Menschen die Chance, eine Ausbildung oder ...

Weitere Artikel


Corona: Luftreinigungsfilter für Grundschulen in Trägerschaft der VG Kirchen

Kirchen. „In Anbetracht des wachsenden Infektionsgeschehens musste im Interesse der Gesundheit der Kinder und Lehrkräfte, ...

Manfred Plag feiert 50. Dienstjubiläum

Neuwied. Manfred Plag hat in dieser langen Zeit einige Veränderungen erlebt. Von der Schreibmaschine über die Lochkarten ...

„Wald leidet massiv“ in Region Daaden-Herdorf wegen Motocrossfahrern und Mountainbikern

Region. In den letzten rund 40 Jahren hat sich in der Region Daaden-Herdorf laut dem Forstamt Altenkirchen eine „regelrechte ...

Lesespaß in der Kita "Kleine Hände" in Schönstein

Wissen/Schönstein. Die Kinder und pädagogischen Fachkräfte hatten viele Ideen und trafen gemeinsam eine Auswahl an Büchern, ...

Jugendclubmeisterschaft der Tennisfreunde Blau-Rot Wissen

Wissen. Dabei setzte sich Paul Brandenburger in der Altersklasse U 10 im Spielmodus „Jeder gegen jeden“ mit vier Siegen durch. ...

Landfrauen beim Sommerfest des KiJuNei

Neitersen. Bei herrlichem Wetter konnten die Kinder hier Dinge erfühlen und Riesenmikado spielen. Für die Älteren gab es ...

Werbung