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Nachricht vom 01.04.2022    

"Moskauer Circus" gastiert in Betzdorf: In der Manege ist kein Platz für Krieg

In der Manege sind sie ganz Profis. Für Krieg ist da kein Platz. Aber nach den Vorstellungen erkundigen sich die Artisten, wie die Lage ist - in der Ukraine und in Russland: Der "Moskauer Circus" gastiert in Betzdorf. Die Zirkustruppe vereint zwölf Nationen – auch Russen und Ukrainer. Der AK-Kurier sprach mit ihnen.

Clowns, Hochseilartisten, Zaubershow und eine Tigershow: Ein Teil der 20-köpfigen Zirkustruppe stellte sich vor den Bengal-Tigern dem Fotografen. (Fotos: tt)

Betzdorf. "Wenn du in der Manege bist, dann bist du wie in einer anderen Welt", antwortet Alexander Mak auf die Frage, wie man mit der russischen Invasion umgeht, wenn man die Menschen unter dem Zirkuszelt erheitern und bezaubern soll. Der Ukrainer Mak weiß wovon er spricht. Er ist bei den Vorstellungen hoch über der Manege seine Kunststücke an den "römischen Strapaten" vollführt. Auch das Clownspaar "Red & Blue" ist in der Manege darauf fokussiert, die Leute zum Lachen zu bringen. "Red & Blue", das sind Katharina und Gnadie. Sie ist Russin. Er ist Ukrainer. Die Clowns sind nicht nur unter der Zirkuskuppel ein Paar. Vor 17 Jahren, so verraten sie, haben sie die Eheringe getauscht und sich das Ja-Wort gegeben. Sie haben ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. In Zirkusschulen in der Ukraine und in Russland.

"Moscow Circus" steht an dem Kassenwagen, der am Eingang zum Schützenplatz aufgebaut ist. Dahinter ragt das 1.000-Besucher-Zelt empor. Es hat einen Durchmesser von 36 Metern, sagt Gino Frank. Er und seine Ehefrau Leyla Frank betreiben das Zirkusunternehmen. Nach der Pandemie brach der "Moskauer Circus" im Februar in seinem Winterquartier in Augsburg auf. Nach fünf Spielorten sind die 20 Artisten und 70 Mitarbeiter in der Sieg-Heller-Stadt angekommen. "Vor vier Jahren haben wir zur gleichen Zeit auch auf dem Schützenplatz in Betzdorf gestanden", sagt Gino Frank. Der spürt, dass die Leute wieder in den Zirkus wollen, zwei Jahren hätten sie nichts Vergleichbares gehabt, meint der Zirkusbetreiber. Mitten im Start der Tournee, die noch bis November durch die Bundesrepublik führen wird, kamen dann auch die schrecklichen Nachrichten von der russischen Invasion in der Ukraine. Die Meldungen kamen auch bei den Zirkusleute an. Und wie regieren die Leute angesichts des Namens "Moskauer Circus"? Gino Frank winkt ab. Seit 2001 sei man mit dem "Moskauer Circus" in Deutschland unterwegs. Man könne nicht einfach "Moskauer Circus" drauf schreiben, denn dieser bürge für Qualität. Und dafür stehe das Unternehmen. Das wüssten die Leute, und sie würden das alles sehr wohl differenziert sehen. Blickt Gino Frank auf die bisherigen Spielorte der gerade begonnenen Tournee zurück, dann fühlt er sich bestätigt: "Wir haben vor vollem Haus gespielt."



Eine achtköpfige Gruppe an Artistenfreunden habe man zur Tournee jedoch nicht hinzuholen können, berichtete Gino Frank. Die Männer aus Kiew hätten nicht ausreisen dürfen – und nun seien sie eingezogen, bedauerte er: "Wer da ist, der ist da, da kommt keiner mehr durch die Grenzen." Auch die fünf Cousins seiner Ehefrau Leyla Frank. Die Männer seien auch eingezogen worden. Leyla Franks Eltern leben auch noch in der Ukraine, im Donbass. Sein Schwiegervater sei Generaldirektor beim Zirkus gewesen, sowohl beim russischen als auch ukrainischen, gab Gino Frank zu Protokoll. Während seine Mitarbeiter unter dem Zelt noch fleißig beschäftigt sind, die Tribünen und alles weitere für die Premiere und die weiteren Vorstellungen aufzubauen, sagt Zirkusbetreiber Frank: "Es sind ja nicht nur wir, es sind alle betroffen, die Kinder, es ist der Wahnsinn ..."

"Wer hätte damit rechnen können?" Auf seine rhetorische Frage sagt Alexander Mak: "Es ist ein Ding der Unmöglichkeit." Der Sohn der Zirkusbetreiber war als Dolmetscher bei dem Clownspaar "Red & Blue" behilflich. Von den schrecklichen Nachrichten hatten Katharina und Gnadie und die ganze Zirkustruppe im Fernsehen erfahren, und über die Freunde und die Verwandten. "Wir schauen hier russisches und ukrainisches Fernsehen", sagt Mak.

Katharina und Gnadie hätten auf beiden Seiten der Grenze, in der Ukraine und Russland, Freunde und Familie. Wenn sie aber in der Manege stehen, sagt Mak, dann sei das Clownspaar "Red & Blue" auch immer professionell. Für all das, was gerade auch das Clownspaar bewege, sei unter der Zirkuskuppel kein Platz. Das erlebte der Berichterstatter auch bei der Premiere am Donnerstag. Zwei durch und durch professionelle Clowns, die ihr Handwerkszeug verstehen und das Publikum sehr erheitern.

Und was ist, wenn die Lichter in der Manege wieder gelöscht sind? Nach den Vorstellungen erkundige man sich selbstverständlich bei den Leuten in der Ukraine und in Russland, wie es ihnen geht und wie die Lage ist, erklärt Mak. Das geschieht über Nachrichten. Es werde auch telefoniert oder man schreibe sich. Für Mak steht fest, dass nur die Politik schuld ist: "Im Endeffekt nur ein Mann. Und man muss es sagen: Er ist ein Diktator." (tt)



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