Wissen: "Bürokratiemonster" Kita-Zukunftsgesetz bringt Missmut
Von Katharina Behner
Noch kein einziges Flüchtlingskind aus der Ukraine konnte in einer Kita im Wisserland aufgenommen werden. Der Grund: Das Kita-Zukunftsgesetz stellt sich als Bürokratie-Monster dar. Neuhoffs Hilferuf beim Landesjugendamt blieb bisher unbeantwortet. Der Verbandsgemeinderat gibt grünes Licht für pragmatische Lösungen nach einem Lagebericht.
Wissen. Der Landkreis Altenkirchen hat mit Abstand bisher die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Von den mit Stand 4. April in der Verbandsgemeinde Wissen untergebrachten 114 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sind 55 Kinder. Davon 38 Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren und weitere 17 Kinder im Alter bis fünf Jahre.
Der deutsche Lehrerverband fordert eine rasche Integration von Kindern in Schulen, gleiches gilt für die Kindertagesstätten (Kita).
Anders als bei den Wissener Schulen, wo alle 38 ukrainische Kinder (30 in Realschule und Gymnasium, weitere acht in der Grundschule in Wissen) bereits beschult werden, konnte nicht ein einziges der Jüngsten bisher in einer der Kitas im Wisserland untergebracht werden. Der Grund: Es gibt einfach keinen Platz und kein Personal.
Bürokratische Reglungen in der größten Krise Europas aussetzen
Das große Hemmnis bei all dem stelle das "Bürokratiemonster Kita-Zukunftsgesetz" dar, das die Personalsituation und Stimmung in den Kitas insgesamt verschlechtert habe, wie Neuhoff in der jüngsten Sitzung des Verbandsgemeinderates (4. April) sagte. Keine der acht, davon fünf kommunale Einrichtungen, könne derzeit die Voraussetzungen des Landes erfüllen, um weitere Kinder aufzunehmen. Er vermutet, dass dies auch kreisweit so sei.
Dabei werden schon jetzt – ohne die Kinder aus der Ukraine – etwa 20 bis 30 Kinder in der Verbandsgemeinde auf Wartelisten geführt. Denn die Kitas mit mehr als 400 Kindern platzen aus allen Nähten. Rein rechnerisch soll jedoch die neue Waldgruppe der Kita Löwenzahn, die ab Juni starten soll, allen Kindern Platz bieten können.
"Es herrscht Not und Fachkräftemangel. Die Menschen erwarten von uns Hilfe und eine Lösung. Bei den Schulen klappt das." Nicht so bei den Kitas. Neuhoffs Meinung: Das zeige, wie "wir uns in diesem Land in Sachen Kitas nur noch verwalten mit einer völlig überbordenden Bürokratie". Zudem werde auf starren Gesetzen verharrt und aufgefordert bestehende Regelungen anzuwenden. Etwa zusätzliche Plätze nur bei Erfüllung des Personalschlüssels zu genehmigen oder auf wochenlang dauernde Betriebserlaubnisse zu warten.
Neuhoffs Forderung: Diese bürokratischen Regelungen in Rheinland-Pfalz sollten während der größten Krise Europas außer Kraft gesetzt oder andere pragmatische Lösungen für die Aufnahme der Flüchtlingskinder geschaffen werden.
Mit einem Schreiben, welches der Bürgermeister am 23. März an das Landesamt für Jugend und Soziales gesandt hat, verdeutlichte er die kritische Situation und regt genau dazu an. Das bisher nicht einmal eine Antwort auf das Schreiben vorläge, geschweige denn eine Lösung, findet Neuhoff nicht in Ordnung.
Für die Verbandsgemeinde könne er feststellen, dass die Behörden des Landes die Kommunen und Jugendämter vollkommen allein im Regen stehen lassen würden. Mit Willkommenskultur habe das nichts zu tun. Zur Integration leisteten Kitas ebenso wie die Schulen eine wichtige Aufgabe.
Grünes Licht für vorübergehende pragmatische Lösungen
Jetzt will Neuhoff pragmatische vorübergehende Lösungen für die ukrainischen Kinder schaffen. Grünes Licht dafür gaben ihm geschlossen die Mitglieder des Verbandsgemeinderates. So bekundete Hermann-Josef Selbach (CDU/FDP) die uneingeschränkte Unterstützung mit den Worten: "Veranlassen Sie, was notwendig ist, so wie es der klare Menschenverstand versteht." Dem schlossen sich auch die anderen Fraktionen an.
Zum einen sollen leerstehende Ladenlokale oder andere Räumlichkeiten angemietet oder etwa eine Container-Lösung gefunden werden, die zur Unterbringung ukrainischer Kita-Kinder genutzt werden können. Ebenso ermächtigte der Rat Neuhoff dazu, vorübergehend Personal beschäftigen zu können. Hier will Neuhoff auch ukrainische Mütter fragen, wer bereit sei mitzuarbeiten, um die große Aufgabe der Integration vor Ort im Wisserland zu lösen.
Wenn man auch in Vorleistung gehen müsse, sollen Zuschüsse von Kreis und Land in die Vorhaben "eingewebt" werden. Von den 20 Millionen Euro des Landes erwartet Neuhoff, dass davon auch Mittel nach Wissen fließen.
Als Lösung zu Unterbringung der Ukraine-Flüchlinge stimmt der Rat zudem dem Abschluss eines Mietvertrages für das ehemalige CJD zu. Wir berichteten hier. (KathaBe)
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