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Nachricht vom 27.06.2022    

Kreistag und Greensill-Pleite: Folgt auf Entlastung Dittmanns dessen Rücktritt?

In vielen Wettbewerben haben Sportler mehrere Versuche, ihre persönliche Bestleistung am Tag der Konkurrenz zu erzielen. Auch der (dritte) Kreisbeigeordnete Gerd Dittmann (Bündnisgrüne) benötigte zwei Anläufe, die Entlastung des Kreistages für die Geschäftsbereichsleitung des Abfallwirtschaftsbetriebs (Jahr 2020) zu erhalten.

Beigeordneter Gerd Dittmann nahm in der Sitzung des Kreistages im Wissener Kulturwerk Stellung zu den Vorwürfen. (Foto: vh)

Wissen/Altenkirchen. Vor gut einem halben Jahr hatten ihm die Mitglieder des Kreistages des Kreises Altenkirchen die eigentlich so gut wie obligatorische Entlastung, mit der der Kreistag signalisiert, mit der Abwicklung der Finanzwirtschaft im betreffenden Haushaltsjahr einverstanden zu sein, versagt: Am frühen Montagabend (27. Juni) nun kam Gerd Dittmann (Bündnisgrüne) verspätet, also im zweiten Anlauf, als (dritter) Kreisbeigeordneter für die Geschäftsbereichsleitung des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB) des Kreises Altenkirchen in den Genuss des Vollzugs dieses formalen Aktes, nachdem Erster Kreisbeigeordneter Tobias Gerhardus (CDU) und (zweiter) Kreisbeigeordneter Klaus Schneider (SPD) dieses „Weihen“ des Gremiums bereits am 20. Dezember 2021 für das Geschäftsjahr 2020 erhalten hatten. Damals hatte die Pleite der Greensill-Bank im März 2021 für den Gegenwind für Dittmann gesorgt, weil der AWB 3,6 Millionen Euro bei dem Bremer Geldhaus angelegt hatte (die womöglich „futsch“ sind) und vor allem die CDU-Fraktion mit dem Fortgang der Aufarbeitung des Falles unter Dittmanns Führung nicht einverstanden gewesen war. In der Zusammenkunft im Wissener Kulturwerk sprachen sich, nach einer Unterbrechung von zehn Minuten für fraktionsinterne Beratungen, letztendlich 12 Mitglieder des Kreistages für die Entlastung aus, während sich 26 jeweils der Stimme enthielten.

Konsequenzen übernehmen
Vorausgegangen war erneut massive Kritik an Dittmanns Art und Weise, mit dem Problem umzugehen, an seiner Informationspolitik und an seiner Amtsführung. Dr. Josef Rosenbauer (CDU) sprach von nicht offener und transparenter Information, „die Mitglieder sind am Nasenring durch die Arena geführt worden. Sie sind nun einmal der politische Kopf. Für die 3,6 Millionen Euro tragen Sie die Verantwortung“. Es existiere kein Vertrauen mehr in die AWB-Führung, „wir haben das Gefühl, mit Halbwahrheiten konfrontiert zu werden“. Letztendlich werde der Bürger für den Verlust aufkommen müssen, ergänzte Rosenbauer und legte Dittmann in den Mund, was er, Rosenbauer, in zurückliegenden Sitzungen „zwischen den Zeilen“ schon in den Raum gestellt hatte: „Ich übernehme die Konsequenzen. Ich trete von meinem Amt zurück.“

„Keinesfalls ein Schlussstrich“
„Wir sehen die Zustimmung zur Entlastung des Beigeordneten Dittmann als Formalie und keinesfalls als Schlussstrich unter das Thema Greensill. Wir bestätigen damit, dass der Jahresabschluss 2020 die Situation korrekt darstellt“, meinte Bernd Becker (SPD), „dass wir uns Stunde um Stunde, Sitzung um Sitzung mit diesem Debakel befassen müssen, ist eine echte Zumutung.“ Diese Perspektive sollte vielleicht auch einmal eine Rolle spielen, wenn es darum gehe, Sachverhalte klar darzustellen und mit offenen Karten zu spielen, statt in Salamitaktik vorzugehen. „Wie gesagt: Die Diskussion um die finanzielle Kompensation des Greensill-Schadens gehe gerade erst los, betonte Becker.

„Mülltonnen umgekippt am Straßenrand“
Hubert Wagner (FWG) malte, um die Situation darzustellen, ein Bild: „Es ist so, als ob die Mülltonnen alle umgekippt am Straßenrand liegen und die Verantwortlichen selbst Hand ans Umkippen angelegt haben.“ Der Tenor des Beigeordneten und der Werkleitung laute, „es tut uns leid, wir sind uns direkt keiner Schuld bewusst“. Es entstehe immer der Eindruck, die 3,6 Millionen Euro seien nicht weg, sondern nur woanders. Das Vertrauen in die Herren Dittmann und Schumacher (Anm. der Red.: Gemeint ist Werkleiter Werner Schumacher) habe mehr als gelitten. Wagner forderte: „Herr Dittmann, Herr Schumacher, machen sie den Weg frei für einen Neuanfang!“ Der AWB habe Fehler gemacht, die eingestanden wurden, verdeutlichte Anna Neuhof (Bündnisgrüne). Die Greensill-Bank sei kriminell gewesen. Sie sprach von einem „unzulässigem Vermengen der Greensill-Bank-Pleite und der Entlastung“, denn die Grundlage für die Entlastung sei der Jahresabschluss 2020, der einstimmig verabschiedet worden sei. Es bliebe dem Kreistag nichts anderes übrig, als die Entlastung zu erteilen.

Ein Zitat aus der Bibel
Günter Knautz (FWG) vermisste die Demut bei der Aufarbeitung des Falles. Ein „Mea Culpa“ (lateinisch: Durch meine Schuld) hätte nicht geschadet, formulierte er seine Kritik an Dittmann und der Werkleitung, ehe er der CDU-Fraktion und deren Boykott einer Werkausschusssitzung im April als „Höhepunkt des parlamentarischen Nichtverhaltens“ attestierte. Dieser Sitzungsboykott sei keine „vertrauensbildende Maßnahme, eine negative Lehrstunde in Sachen Demokratie und ein Schritt zur Demokratieverdrossenheit“ gewesen. Auf das „C“ im Parteinamen anspielend, zitierte Knautz aus der Bibel (Matthäus 7.12): „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt.“

Rücktritt durchaus möglich
„Meine Gefühlslage ist sehr angespannt“, bezog Dittmann selbst Stellung, in drei Sitzungen habe er sich ziemlich heftigen Vorwürfen gegenübergesehen. Mit Rosenbauer habe er, obwohl angeboten „bis heute nicht ein Gespräch geführt“, er bedaure das sehr. „Ich habe nie so gemacht, als wäre nichts gewesen“, erwiderte Dittmann auf Vorwürfe der Ignoranz, der Arroganz, der Täuschung und der Vertuschung. Auch seien öffentliche Sitzungen nicht der Platz, um mit Mitarbeitern klärende Gespräche zu führen. Nach den ganzen Diskussionen stand für Dittmann fest. Er werde kurzfristig einen Termin mit Landrat Dr. Peter Enders vereinbaren, um „seine“ Situation zu erörtern. „Ich schließe nichts aus. Das Wie hat mich zutiefst persönlich verletzt. Das muss ich mir persönlich nicht antun. Über den Ausgang gebe ich keine Prognose ab“, konstatierte Dittmann, schloss einen Rücktritt also nicht aus. Nach wie vor erwarte er keinen abrupten „Schlussstrich unter Greensill, Das wird noch fünf bis zehn Jahre dauern. Wir werden nicht bei 0 und auch nicht bei 100 landen“, lautete seine Prognose der Chancen auf eine etwaige Rückzahlung.



Neubau am kostengünstigsten
Die Verwaltung der Westerwaldbus GmbH und der Westerwaldbahn GmbH auf der Bindweide (Steinebach) platzt aus allen Nähten. Deswegen „übermittelte“ der Kreistag sein einstimmiges Okay an die Geschäftsführung der kreiseigenen Unternehmen, die Planungsleistungen für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes am Betriebsstandort auszuschreiben und zu vergeben. Es soll an die Stelle eines leer stehenden Hauses (Haus 2) treten, derzeit sind die Mitarbeiter in Haus 1 und in sechs angemieteten Containern tätig. Verworfen worden waren aus Kostengründen Überlegungen, Haus 1 und Haus 2 zu sanieren (geschätzte Kosten 1,5 Millionen Euro) oder Haus 1 zu sanieren und zu erweitern. Das neue Domizil soll, so der Ansatz, eine Nutzfläche von 540 Quadratmetern haben und natürlich erweiterbar sein, sollten noch mehr Mitarbeiter eingestellt werden (müssen). Die Abrisskosten für Haus 1 sind in der Kostenschätzung enthalten.

Aufbau eines Sirenennetzes beginnt
Der Kreis wird sein Sirenennetz für den Katastrophenfall in den kommenden Jahren sukzessive ausbauen, weil in den zurückliegenden Dekaden solche mit Druckluft betriebene Anlagen auf Stahlmasten kontinuierlich demontiert worden waren. Den Anfang machen, wie die Zusammenkunft einstimmig beschloss, 21 stationäre Einheiten für die Warnung und Information der Bevölkerung. Der Bedarf für das Gebiet zwischen Willroth und Niederschelderhütte wird mit rund 150 „fest“ installierten Versionen (Montage auf öffentlichen Gebäuden) angenommen, ein Einzelpreis von bis zu 25.000 Euro taxiert. Daraus ergibt sich eine Gesamtinvestition von 3,750 Millionen Euro. Die Kosten für die erste Tranche belaufen sich auf 525.000 Euro, das Land steuert als bereits genehmigte Förderung 220.000 Euro bei. Die restlichen 305.000 Euro teilen sich Kreis und die sechs VGs zu je 50 Prozent, so dass auf den Kreis knapp über 152.000 Euro entfallen. Der Verteilungsschlüssel: VG Altenkirchen-Flammersfeld 6 Sirenen, Kirchen 4, Betzdorf-Gebhardshain 3, Daaden-Herdorf 3, Wissen 3 und Hamm 2. Die VGs, die ihre Zustimmungen für die Halbe-halbe-Regelung bereits erteilten, wollen die neuen Sirenen auch für die Alarmierung ihrer Feuerwehren zu Einsätzen (neben Funkmelder und/oder Handy) nutzen. Für die Beschaffung von zehn mobilen Anlagen (60.000 Euro; mit „Puffer“ für Preissteigerungen/5000 Euro das Stück) hatte der Kreisausschuss in seiner Sitzung am Montag (20. Juni) grünes Licht gegeben, zwei dieser Varianten sind bereits vorhanden, so dass jede VG zwei erhalten wird. Sie könnten bei den jeweiligen Feuerwehren ihre Domizile finden. Warnungen erreichen die Menschen aber nicht nur über Sirenen, sondern auch über Durchsagen mit Lautsprecherfahrzeugen oder in Fernsehen und Radio, über Warn-Apps wie Katwarn sowie via soziale Medien.

Kreismusikschule: Keine Gebührenerhöhung
Ohne Widerrede passierte die Änderung der Gebührensatzung der Kreismusikschule den Rat. Damit verbunden sind jedoch keine Gebührenerhöhungen, lediglich redaktionelle Umformulierungen fanden Eingang in die Ausarbeitung, die am 1. August in Kraft tritt. Auffällig vor allen Dingen sind die Korrekturen im Elementarbereich (Klassenunterricht). Aus MuKi und musikalische Grundausbildung wurde Musikmäuse, aus musikalische Früherziehung der Musikspielplatz und aus musikalische Grundausbildung der Musikentdecker. Zusätzlich verankert wurde eine „Vereinsermäßigung“. Zudem gab es ein personelles Revirement. Für Matthias Gibhardt (Altenkirchen), der sein Mandat zum 31. März niedergelegt hatte, rückte Angelika Buske (Friesenhagen) in die SPD-Fraktion nach. Die Besetzungen von Ausschüssen wurden jeweils einstimmig angepasst.

Partnerschaft mit Region in der Ukraine
Der Kreistag sprach sich auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FWG, Grüne, FDP und Linke einstimmig dafür aus, die Initiative zu einer Partnerschaft mit einer Region in der Ukraine zu ergreifen und die Vorgehensweise mit dem Kreisausschuss abzustimmen. Vorzugsweise sollte eine Region in der Oblast Ivano-Frankiwsk ins Auge gefasst werden, die ihrerseits bereits mit der polnischen Woiwodschaft Opole partnerschaftlich verbunden ist, in der die Partnerregion des Kreises, Krapkowice, liegt. „Partnerschaften sind Investitionen in den Frieden“, hieß es unter anderem in der Begründung. Dr. Klaus Kohlhas (FDP) monierte, dass kein zweiter Fahrdienst von Montag bis Freitag für die Bereitschaftsdienstzentrale vorgesehen sei und dass dies eine weitere Reduktion der medizinischen Ressourcen im Kreis bedeute. Per einmütigem Beschluss soll sich Enders mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Verbindung setzen, um einer nochmaligen Verschlechterung der medizinischen Versorgung der Menschen im Kreis Altenkirchen entgegenzuwirken. (vh)


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