Werbung

Pressemitteilung vom 15.01.2023    

Studie der Uni Siegen: "Zeigt euren Schülern Empathie!"

Inwiefern haben positives und negatives Lehrer-Verhalten auch langfristig Auswirkungen auf das Wohlbefinden der ehemaligen Schüler im heutigen Erwachsenenalter? Das hat eine Studie der Universität Siegen untersucht.

Christian Dittmann
(Foto: Uni Siegen)

Siegen. Ein paar lobende Worte für den Schüler, der sich von der Note fünf auf eine drei im Mathetest verbessert hat. Ein offenes Ohr bei privaten Problemen – empathisches Verhalten von Lehrern hat nicht nur akut in der Situation positive Auswirkungen auf Schüler. Es gibt Hinweise darauf, dass es Verbindungen zwischen Schulerlebnissen mit Lehrern und langfristigen Auswirkungen auf das mentale Wohlbefinden der ehemaligen Schüler und heutigen Erwachsenen gibt. Das gilt im Positiven wie im Negativen. Verhalten sich Lehrer zum Beispiel bei der Notenvergabe ungerecht, legen ein herabwürdigendes Verhalten an den Tag oder mobben ihre Schüler sogar, dann kann das auch
langfristig negative Auswirkungen auf betroffene Menschen haben.

Das hat Doktorand Christian Dittmann von der Universität Siegen in seiner Studie herausgefunden. Die Ergebnisse seiner Studie hat er jetzt im Fachmagazin BMC Psychology veröffentlicht, eine Publikation von Springer Nature. Dittmann ist Sozialpädagoge und kooperierte für seine Studie mit Prof. Dr. Simon Forstmeier, Entwicklungspsychologe an der Uni Siegen. Forstmeier ist Experte für die Psychologie der Lebensspanne, also vom jungen bis ins hohe Alter. Die Studie füllt ein bisher offenes Feld in der Forschungslandschaft. "Es ging bisher immer nur darum, wie Lehrer ihre Schüler akut und aktuell in diesem Moment beeinflussen, aber nie darum, ob Erlebnisse auch später im Leben der ehemaligen Schüler langfristige Auswirkungen haben", erklärt Dittmann. Das wollte der Siegener Doktorand ändern und startete eine Querschnittstudie.

Sexuelle Übergriffe von Lehrern scheinen massive lebenslange Auswirkungen zu haben
Dabei fand er unter anderem heraus: Wer als Schüler sexuelle Übergriffe erlebt hat, hat ein signifikant schlechteres Wohlbefinden im Erwachsenenalter als Schüler, die negative Erlebnisse anderer Art hatten, zum Beispiel Rassismus, Mobbing oder körperliche Gewalt durch Lehrer. Dieses Lehrer-Verhalten habe ebenfalls starke negative, langfristige Auswirkungen auf die Menschen, aber bei weitem nicht so massiv wie sexuelle Übergriffe. Die betroffenen Probanden berichteten unter anderem von ungefragtem Berühren von intimen Stellen. Langfristig wirke sich ein solch grobes Fehlverhalten von Lehrkräften sowohl auf die Depressivität als auch auf das Angst- und Stressniveau signifikant negativ aus.

Genau andersherum sehe es aus, wenn sich Lehrer empathisch verhalten, ein offenes Ohr haben, guten Rat geben, loben, motivieren und individuell fördern. Wer als Schüler solche positiven Erlebnisse mit Lehrern hatte, hat im Erwachsenenalter im Schnitt eine stärkere Resilienz und ein stärkeres Selbstbewusstsein. Besonders interessant dabei: Je positiver die Probanden das Erlebnis mit den Lehrkräften wahrnahmen und beurteilten, desto positiver wirkte es sich auf das heutige mentale Wohlbefinden aus.



In der Querschnittstudie nutzte Dittmann Fragebögen und standardisierte Tests aus der Psychologie, um die Erlebnisse der Probanden aufzunehmen und deren mentales Wohlbefinden zu analysieren. Insgesamt 157 Personen füllten die Fragebögen aus. Das Durchschnittsalter der Probanden war 28 Jahre. Insgesamt lag die Altersspanne der Probanden zwischen 19 und 71 Jahre. Im Durchschnitt waren die Personen zum Zeitpunkt ihrer Schulerlebnisse 14 Jahre alt. Repräsentativ ist die Studie nicht. Dittmann betont, dass viele der Probanden Studierende der Uni Siegen waren, 76 Prozent waren Frauen. Schulabbrecher nahmen kaum teil, obwohl Dittmann vor allem deren Perspektive sehr interessant gefunden hätte. Außerdem betont Dittmann, dass es bei einer Querschnittstudie wie dieser immer um subjektiv Erlebnisse gehe und diese natürlich auch verzerrt in Erinnerung bleiben können.

Kleinigkeiten können große Unterschiede machen – positiv wie negativ
Trotzdem seien die Ergebnisse seiner Studie wertvoll, gerade weil es bisher keine vergleichbaren Studien gab. Dittmann selbst gibt an der Universität Siegen Kurse für angehende Lehrer und weiß, wie wichtig solche Erkenntnisse für die Lehramtsstudierenden sind. "Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass sich negatives Verhalten von Lehrkräften in der Situation selbst vermutlich negativ auf die Schüler auswirkt. Was wir aber zeigen, ist die mögliche Dauer und Stärke der Auswirkungen", erklärt er. "Wenn ich als Lehrer einen Schüler anschreie, wird er das nicht unbedingt am nächsten Tag vergessen haben, und es eventuell noch deutlich länger mit sich herumtragen."

Für den Siegener Sozialpädagogen ist deshalb wichtig, den Lehramtsstudierenden klarzumachen, wie wichtig auch Kleinigkeiten sein können. "Ich möchte dafür sensibilisieren, welch große Auswirkungen negatives Lehrerverhalten haben kann, wie aber auch Kleinigkeiten im Positiven eine riesige Auswirkung haben können". Bei übervollen Klassen sei eine individuelle Förderung der Kinder nicht immer möglich, aber allein ein offenes Ohr zu haben und sich empathisch zu verhalten, könne große Unterschiede im Leben der Schüler machen. "Manchmal braucht es gar nicht viel."

Diese empathische Grundhaltung vermittelt Dittmann seinen Lehramtsstudierenden. Etwas vereinfacht würde er allen Lehrern manchmal gern zurufen: "Zeigt euren Schülern Empathie!" Für die Zukunft plädiert Dittmann dafür, die Fragestellung in einer Längsschnittstudie genauer zu untersuchen. Über Jahre oder sogar Jahrzehnte müsste man dafür Menschen ab dem Schulalter regelmäßig begleiten. Das sei zwar sehr kostenintensiv und dauere sehr lange, die Ergebnisse wären die harte Arbeit allerdings wert, meint Dittmann. (PM)



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Kreis Altenkirchen mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.




Anmeldung zum AK-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Altenkirchen.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Region


Mauden sammelt für mehr Sicherheit der Partnergemeinde im Westjordanland

Mauden. "Wie mir jüngst Manfred Rosenkranz, der langjährige frühere Ortsbürgermeister Maudens, mitteilte, sammelt er derzeit ...

Einzigartige Talente im Rampenlicht: Hellertal Grundschule Alsdorf begeistert beim Zirkusprojekt mit Circus Ronelli

Alsdorf. In dieser besagten Woche trainierte die gesamte Zirkus-Familie Ronelli mit höchstem Maße an Flexibilität und auch ...

Verbandsgemeinde Wissen erhält 430.000 Euro aus KIPKI-Programm der Landesregierung

VG Wissen. Die VG Wissen erhält 430.000 Euro aus der KIPKI-Förderung des Landes. "Das ist eine sehr gute Nachricht für die ...

Power-Adventure-Weekend: Ein Wochenende voller Abenteuer und Entdeckungen nur für Jungs

Selters/Montabaur. Mit Unterstützung der Kreisjugendpflege Montabaur fand das spannende Wochenende statt, dessen Höhepunkt ...

Vier Monate Ersatzverkehr zwischen Altenkirchen und Westerburg an den Wochenenden

Oberwesterwald. Die DB InfraGO informierte ganz aktuell, dass es in den kommenden vier Monaten zu erheblichen Änderungen ...

Kreisverkehrsplatz in Weyerbusch: Bauarbeiten erfolgreich abgeschlossen

Weyerbusch. Nach rund neunmonatiger Bauzeit konnte das Bauunternehmen Dr. Fink-Stauf die Arbeiten am neuen Kreisverkehrsplatz ...

Weitere Artikel


Werbesäule in Altenkirchener Bahnhofstraße beschädigt

Altenkirchen. Am Freitag (13. Januar) haben bislang unbekannte Täter im Zeitraum von 21.30 Uhr bis 21.50 Uhr eine Werbesäule ...

Kunst im Foyer: Tim und Lisa Novak zeigen ihre Werke im Kirchener Rathaus

Kirchen/Mudersbach. "Es ist eine Besonderheit, dass hier Mutter und Sohn gemeinsam ausstellen. Die zweite Besonderheit besteht ...

Karnevalistischer Frühschoppen in Burglahr: Emotionen beim Abschied von Ralf Noll

Burglahr. Ralf (Bubi) Noll hatte auf der letzten Jahreshauptversammlung der Burggrafen erklärt, nicht mehr als Präsident ...

Katzwinkel: Zusammenhalt und Austausch wichtiger denn je

Katzwinkel. Voller Vorfreude hatte sich Katzwinkel Anfang 2022 auf ein gutes Jahr eingestimmt, indem nach der Pandemie Normalität ...

Betzdorf: Betrunken an der Kreuzung auf Vordermann aufgefahren

Betzdorf. Laut Bericht der Polizei Betzdorf hatte der Betrunkene noch versucht, bei der Unfallaufnahme seinen Beifahrer, ...

Job, Familie und Karriere: So klappt das Zusammenspiel - online-Workshops der Arbeitsagentur

Montabaur. Dazu leistet die Informationsreihe Job I Familie I Karriere der Agentur für Arbeit auch 2023 mit Online-Workshops ...

Werbung