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Nachricht vom 01.02.2023    

Kreis Altenkirchen: Sorgen über Finanzierung des ÖPNV werden immer größer

Die Sorgen des Kreises Altenkirchen, die die Finanzierbarkeit des Öffentlichen Personennahverkehrs auf der Straße mit Bussen betreffen, werden vor dem Hintergrund explodierender Kosten immer größer. Das Land scheint derzeit nicht gewillt, mehr Geld zuzuschießen.

Der Busverkehr im Kreis Altenkirchen verschlingt inzwischen so viel Geld, dass der Kreis ein kräftiges Defizit verkraften muss. (Foto: Pixabay)

Altenkirchen. Viele rufen nach einem sehr guten Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auf der Straße, um den Individualverkehr zurückfahren zu können. Aber ist dies überhaupt auf dem „flachen Land“ möglich? Fakt ist: Dem Kreis Altenkirchen (wie jedem anderen in Rheinland-Pfalz auch) wurde per neuem Nahverkehrsgesetz von Februar 2021 der gesamte ÖPNV zur Pflichtaufgabe gemacht. Zuvor galt diese Regelung nur für den Transport der Jungen und Mädchen zu den und von den Schulen zurück nach Hause. Ursprünglich hatte das Land eine eigene Kostenbeteiligung in Höhe von 90 Prozent deklariert, wie der Ausschuss für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur des Altenkirchener Kreistages in seiner Zusammenkunft am späten Mittwochnachmittag (1. Februar) erfuhr. Nach Angaben der Fachabteilung im Kreishaus aber wurde diese Quote noch nie erreicht. Waren es 66,20 Prozent im Jahr 2021, wird sie hochgerechnet bis zum Jahr 2026 auf 49,48 Prozent sinken, so dass der Kreishaushalt immer stärker belastet wird, um die Mitfahrmöglichkeit in Bussen auf dem derzeit gültigen Niveau sicherzustellen. Für 2023 steht bereits jetzt ein Defizit von über 10,5 Millionen Euro im Etat fest. Sollte dieser Trend anhalten, werde, so ging aus der Mitteilungsvorlage hervor, die Verwaltung gezwungen sein, das Minus durch Senkung der Kosten und damit des Angebotes zu bekämpfen. Vor dem Hintergrund, dass Personal und Fahrzeuge für die Schülerbeförderung vorgehalten werden müssen, seien jedoch keine signifikanten Ergebnisse zu erwarten. „Wir können die Kostensteigerungen nicht refinanzieren“ sagte Peter Deipenbrock als Abteilungsleiter Ordnung und Verkehr, „wir können keine Preise erhöhen.“ Grundsätzlich sei der ÖPNV nicht infrage gestellt. In der nächsten Woche sei ein erstes Treffen zur neuen Landesnahverkehrsplanung anberaumt, „da werden die ,Leitplanken’ für den ÖPNV vorgestellt“, der sich, so seine Vermutung, stark am Vorläufer „ÖPNV-Konzept Nord“ orientiere.

Personal- und Treibstoffkosten klettern gewaltig
Zwei Dinge, nämlich Personal- und Treibstoffkosten, spielen jeweils einen ganz großen Part für die Schieflage. „Mit Ausgleich der Kosten dreier Tarifabschlüsse wurden im Rahmen einer überplanmäßigen Ausgabe von 1,06 Millionen Euro insgesamt 2.032.723,33 Euro an die Unternehmen ausgezahlt. Das Land Rheinland-Pfalz übernahm einen Anteil von 1.061.141,75 Euro, so dass 971.581,58 Euro beim Kreis verblieben“, wurde weiter ausgeführt. Die Unternehmen gingen davon aus, dass die Refinanzierung des Tarifwerks durch die öffentliche Hand vollständig gesichert werde. Im vergangenen Jahr hätten zudem mehrere Kreisverwaltungen Anfragen von Verkehrsunternehmen erhalten, die eine Preisanpassung von Verträgen forderten. Dieses Verlangen sei über das Niveau der Preisanpassungsklausel des mit den Verkehrsunternehmen abgeschlossenen Verkehrsvertrages hinausgegangen und hätte sich auf die gestiegenen Dieselkosten bezogen. Der Anteil der Kraftstoff- an den Gesamtkosten habe vor März 2022 im Durchschnitt rund 12 bis 15 Prozent betragen. Bei einer angenommenen Steigerung von 1,25 auf 2,00 Euro/Liter handelte es sich um eine Anhebung in Höhe von 60 Prozent. Bei einem angenommenen Anteil der Kraftstoffkosten von 15 Prozent an den Gesamtproduktionskosten habe dies eine 60-prozentige Steigerung und somit ein Plus der Gesamtkosten der Verkehrsunternehmen um circa 9 Prozent bedeutet. Der Kreis hatte nach einem Beschluss des Kreistages den Auftragnehmern zum Ausgleich der seit März 2022 gestiegenen Dieselkosten bis zu 80 Prozent der monatlichen Mehrkosten ausgeglichen. Dieser Weg war auf Ebene der Fachabteilungen aller Landkreise im Verkehrsverbund Rhein-Mosel erarbeitet worden. Die Höhe der Ausgleichszahlungen für das Jahr 2022 betrug 623.684,47 Euro. Da die Dieselkosten seit November wieder rückläufig sind, fallen sie etwas geringer als vorgesehen aus. Fürs laufende Jahr ist bislang nichts vereinbart worden.

Ministerpräsidentin angeschrieben
Bereits im Juli des vergangenen Jahres hatten die Geschäftsführer von vier Verkehrsverbünden (Rhein-Mosel, Region Trier, Rhein-Neckar und Rhein-Nahe) auf die prekäre Situation in einem Schreiben an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Malu Dreyer aufmerksam gemacht. Auszüge: „Viele der gerade sehr ländlich geprägten Landkreise haben im Vertrauen auf das im novellierten und am 13. Februar 2021 in Kraft getretenen Nahverkehrsgesetz gegebene Versprechen der Auferlegung des ÖPNV als Pflichtaufgabe und der damit erwarteten Konnexität in den vergangenen zwei Jahren erhebliche Leistungssteigerungen im Rahmen europaweiter Wettbewerbsverfahren ausgeschrieben, erfolgreich umgesetzt und stehen nun ohne weitere Finanzierungszusagen des Landes alleine in der Finanzierungsverantwortung. ... Die Berücksichtigung der gestiegenen Lohn- und Gehaltskosten im ÖPNV sowie die erhebliche Verteuerung der Fahrzeugbeschaffung im Zusammenhang mit der Erreichung klimapolitischer Ziele stellt die kommunalen Gebietskörperschaften vor nahezu unlösbare Aufgaben, angesichts der derzeitigen und leider auch zukünftig zu erwartenden Finanzierungssituation. Den vorgenannten kostensteigernden Parametern stehen leider keine auch nur annähernd ausreichenden Finanzierungshilfen gegenüber. Insbesondere der von Russland ausgehende und ohne weiteres als verbrecherisch zu bezeichnende Angriffskrieg auf die Ukraine haben zu einer Ressourcenverknappung fossiler Brennstoffe beigetragen, die am Markt trotz der vergeblich von der Bundesregierung initiierten Preisrabatte beim Bezug von Kraftstoffen zu einer nahezu exorbitanten Verteuerung der Produktionskosten im ÖPNV beigetragen haben. Um diese abfedern zu können, müssten in den Verkehrsverbünden des Landes am kommenden 1. Januar 2023 die Nahverkehrstarife um ca. 12 Prozent erhöht werden. Dies würde ungefähr 30 Millionen Euro Mehreinnahmen von Fahrgastseite erwirtschaften. Dem stehen aber deutlich höhere Kostensteigerungen gegenüber: wir rechnen 2023 für alle vier Verbünde mit rund 50 Millionen Euro Pandemieschaden, 20 Millionen Euro überplanmäßiger Energiekostensteigerung und sollen gleichzeitig noch 11 Millionen Euro kommunalen Anteil am Rheinland-Pfalz-Index für dessen Stufen 1 und 2 finanzieren. … Mit der Finanzierung des 2021 zur Pflichtaufgabe erhobenen Sicherstellungsauftrages der Kommunen im ÖPNV kann daher nicht bis zur Verabschiedung eines Landesnahverkehrsplanes gewartet werden, da ansonsten massive Angebotsreduktionen drohen.“



Mainz schob es auf den Bund
„Uns ist sehr daran gelegen, dass wir in einem engen Austausch über die auskömmliche Finanzierung des SPNV/ÖPNV stehen, zumal die Kosten, Aufgaben und Erwartungen in diesem Aufgabenfeld enorm steigen“, antwortete Katrin Eder als Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität im Auftrag Dreyers, „Ihnen ist bekannt, dass sich die Länder mit dem Bund in Verhandlungen zu einem Ausbau- und Modernisierungsprojekt befinden und in diesem Zusammenhang die Erhöhung der Regionalisierungsmittel ab dem Jahr 2022 geklärt werden soll. Nach wie vor bewertet die Landesregierung sehr kritisch, dass der Bund die Erhöhung an den Abschluss des Paktes geknüpft hat, wenngleich explizit im Koalitionsvertrag des Bundes formuliert wurde, dass die Mittel in diesem Jahr erhöht werden und der Schienen- und öffentliche Personennahverkehr durch die gestiegenen Energie-, Personal- und Baukosten in eine immer größere finanzielle Schieflage geraten. Landesseitig werden wir daher den Druck gegenüber dem Bund hochhalten, die angekündigte Erhöhung umzusetzen. Denn ohne eine massive Unterstützung durch den Bund steht Rheinland-Pfalz, wie andere Länder auch, vor großen Problemen, die SPNV-/ÖPNV-Angebote auszubauen, zu modernisieren und den Personalbedarf zu decken. … Die Unterstützung für die kommunalen Aufgabenträger leistet das Land in dem Bewusstsein, dass der finanzielle Druck auf die Kommunen zu groß geworden ist, und den Busfahrerinnen und Busfahrern mit angemessenen Löhnen und den im Manteltarif verhandelten Zulagen eine Wertschätzung entgegengebracht werden soll, die sie verdienen. Zugleich will das Land dadurch einen Beitrag leisten, die Fachkräfte in Rheinland-Pfalz zu halten und Linienverbindungen zu sichern.“

Fahrgastzahlen an Wochenenden erholen sich
Die Anstrengungen, wieder mehr Menschen als Mitfahrer in Bussen begrüßen zu können, scheinen von einem ersten Erfolg gekrönt, wie Oliver Schrei als Geschäftsführer der kreiseigenen Westerwaldbus GmbH dem Gremium vorstellte. Bei der turnusmäßigen jährlichen Fahrgastzählung (8. bis 16. Oktober 2022) wurden an Sams- und Sonntagen im Linienbündel Betzdorf-Kirchen wieder Zahlen aus der Zeit von vor der Pandemie erreicht. Samstags wurden 552 Nutzer erfasst (2019: 405/2021: 281), sonntags 272 (2019: 246/2021: 180). Weitere Ergebnisse liegen noch nicht vor, denn die finalen sind erst im Laufe dieses Monats zusammengestellt. Schrei berichtete zudem über eine mögliche Erweiterung des Fahrplanangebots der Bus-Linien 280, 282und 285, die als Wunsch vom Schienenpersonennahverkehr Nord an Westerwaldbus herangetragen worden sei und mit der auch eine bessere Verbindung zum Bahnhof in Windeck-Au einhergehen könne. Rund 105.000 zusätzliche Kilometer pro Jahr und drei bis fünf weitere Fahrer bedinge diese noch nicht beschlossene Umstellung, die, so Landrat Dr. Peter Enders, „in dieser Form nicht umsetzbar ist“. Schon als erledigt stellte Schrei kleinere Anpassungen an zwölf Linien dar, die im vergangenen Jahr erfolgt seien. Es handelte sich beispielsweise um Modifizierung von Haltestellen in den drei Linienbündeln, die Westerwaldbus fährt.

Komplett neue Ladeinfrastruktur für E-Busse
Bliebe noch das Thema des Einsatzes von Elektrobussen, der, so Schrei, schon mit den heutigen Fahrplänen möglich sei. Rund 1,4 Millionen Euro müssten investiert werden, um die kompletten Ladekapazitäten am Betriebshof in Steinebach-Bindweide zu schaffen. Ein E-Solobus kostet rund 600.000, ein E-Gelenkbus rund 850.000 Euro. „Die Nutzungsdauer der Batterien liegt zwischen neun und zehn Jahren“, ergänzte Schrei, zudem müssten einige Busse nach dem „Tanken in der Nacht“ tagsüber noch „zwischengeladen“ werden. Ein Gespräch mit dem Netzbetreiber wurde geführt. Wegen begrenzter Ressourcen sollten Nutzer von hohen Lasten den Bedarf früh genug über ein Elektrounternehmen anmelden, was laut Schrei pro forma bereits geschehen sei. (vh)



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