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Nachricht vom 28.02.2023    

Wissen: Menschen in der Stadt sind "verwundet" - Stadt nah an Brennpunkten

Von Katharina Behner

Nach den jüngsten Vorkommnissen in Wissen tagte der Stadtrat am Montag (27. Februar) zur Gesamtlage in einer Sondersitzung. Zuletzt hatte der Brand in der Kirche Kreuzerhöhung dafür gesorgt, dass die Menschen sich verunsichert fühlen. Auch Vandalismus und Drogengeschäfte fordern zum Handeln. Bürgermeister Berno Neuhoff gab vor weiteren Beratungen eine Einschätzung zur Lage.

Auch wenn der Blick über Wissen beschaulich ist, hat die Stadt in Sachen Sicherheit und Ordnung einige Herausforderungen. Berno Neuhoff schilderte die Situation in einem Statement im Stadtrat. (Foto: KathaBe und Verwaltung)

Wissen. Bevor es in der Sondersitzung des Wissener Stadtrates nach Wortbeiträgen und Vorträgen eine Beschlussfassung gab, schilderte Bürgermeister Berno Neuhoff seine Einschätzung zur Lage im Bezug auf Sicherheit und Ordnung in der Stadt. Der Brandanschlag auf die Kirche Kreuzerhöhung stellt eines von weiteren Vorkommnissen dar, die die Menschen in Wissen stark erschüttern. "Die Menschen sind hier gerade aktuell innerlich sehr verwundet und verunsichert", sagte Neuhoff in Anbetracht der regionalen Vorkommnisse als auch der globalen Krisen.

Im Gesamtüberblick begann Neuhoff mit einem Zitat von Innenminister Herbert Reul (NRW) zur Vorstellung der Polizeistatistik NRW, dessen Aussage er zu 100 Prozent unterschrieb: "Der Dauerkrisen-Modus aus Pandemie, Krieg und Inflation hat die Menschen egoistischer und gefrusteter gemacht. Das Aggressionspotential ist gestiegen. ... Es ist etwas Grundsätzliches ins Wanken geraten: Haltung, Wertschätzung und Respekt."

In Betrachtung der Gesamt-Lage gelte es nichts zu übertreiben, aber auch nichts unter den Tisch fallen zu lassen. Als drei schwerwiegende Ereignisse nannte Neuhoff die Vorkommnisse auf dem Schützenfest 2022, der Brand an der Pizzeria und nun der Brandanschlag auf die Kirche. "Die Stadt Wissen ist näher dran an den Brennpunkten und Herausforderungen als andere Kommunen im Kreis Altenkirchen (außer Betzdorf), sie ist Mittelzentrum mit fast 8.600 Einwohnern." Sodann ging Neuhoff auf verschiedene Aspekte ein.

Veränderung der Bevölkerung - Migration, Integration und Bildung
Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund lag in Wissen Ende 2015 bei 9,2 Prozent, Ende 2022 bei 13,3 Prozent und aktuell bei 15,5 Prozent. Dabei handele es sich aktuell um jeden Sechsten. "Das ist viel und das sagen mir auch Experten." Gleichzeitig hob Neuhoff die vorbildliche Integrationsarbeit etwa von Migrationsbeirat, Café Kiew, der Tafel und vielen weiteren im Ehrenamt hervor. Es gebe dennoch eine strukturelle Verschiebung. Zu vielen der Menschen bekäme man keinen Kontakt, selbst in der Vereinsarbeit - viele leben "lieber unter sich." Die Zusammensetzung der Bevölkerung habe sich fundamental verändert und Wissen sei ein Spiegelbild der Gesellschaft, wie in Großstädten zu beobachten. Mehr Aufnahme gehe nicht. In dieser Situation seien auch andere Kommunen - die weiteren Vorgehensweisen auf Bundes- und Landesebene zu klären.

Neuhoff sprach zudem von "bildungsfernen Schichten", auch Deutschen, die neben Menschen mit Migrationshintergrund nicht mehr zu erreichen seien. Die Arbeit der Kindertagesstätten und Grundschulen, die mit vorhandenem Personal ihr Möglichstes tun, hob Neuhoff hervor. Seine Erwartungen: Mehr Sozialarbeit von Kreis und Land und mehr Lehrer, als an anderen Stellen im Kreis. Die Versuche des Schulrates scheiterten allerdings am Lehrermangel.

Ein weiteres Thema betraf die Jugendarbeit hinsichtlich "Streetwork". Hierüber soll im März im Verbandsgemeinderat entschieden werden. Wenn auch das nicht die Probleme lösen könne, sei es ein Angebot bei immer mehr gesellschaftlichen Herausforderungen. Neuhoff bemängelte insgesamt, dass die Probleme von Bund, Land und Kreis "einfach vor die Rathaustür" gekippt würden. Getreu der Devise "Seht, dass ihr klar kommt." Dazu gehöre nicht zuletzt die miserable Finanzierung in den Kitas. Seitens der Kreisverwaltung forderte Neuhoff eine Zusammenstellung der Zahl der Jugendhilfeeinrichtungen im Wisserland und welche Probleme daraus resultieren. Denn "Wir können neben den eigenen nicht auch die Probleme aus anderen Regionen lösen."



Fachklinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt missbräuchlichem Alkohol- und Drogenkonsum
Der Täter, der die Brandstiftung an der Pizzeria verübte, war vorher in der Psychiatrie in Wissen, erklärt Neuhoff. Genau hier liege die Problematik. Viele kämen zur Aufnahme aus den Bereichen Westerwald, Siegen, Gummersbach und Siegburg. Häufig blieben die Menschen nach Entlassung der Institutionsambulanz treu und damit in Wissen "hängen", teils als entwurzelte Obdachlose. Wir berichteten hier zum Thema. Für diese Menschen müssten Folgelösungen gefunden werden. Doch diese Problematik könne weder das Krankenhaus noch die Stadt lösen. Das Land sei gefordert.

Polizei und Ordnungsamt - Vandalismus und Drogengeschäfte
Dass das Thema Sicherheit eines von besonderer Bedeutung für Wissens Bürgermeister ist, wurde bereits kurz nach seinem Amtsantritt als VG-Bürgermeister im Jahr 2020 deutlich. Das Ordnungsamt wurde in den Bahnhof verlegt, das Personal von 1,5 auf 2,5 erhöht. 2021 folgte die Kooperationsvereinbarung zwischen der Polizei und dem Ordnungsamt, die für eine noch bessere Verzahnung zwischen der Polizei und der Verbandsgemeinde sorgt. Damit werde mehr als in anderen Verbandsgemeinden im Kreis getan.

Die objektiv betrachtete Sicherheitslage nach belegbaren Zahlen gebe grundsätzlich keinen Anlass, dass die Menschen sich im Alltag unsicher fühlen müssten. Neuhoff zeigte dennoch die besonderen Plätze und Herausforderungen der Stadt auf. Zum einem am Regiobahnhof, in der Steinbuschanlage, Markt- und Kirchplatz sowie das Parkdeck. Viele Menschen aus der Innenstadt und Rathausstraße seien in den letzten Wochen auf ihn zugekommen. Drogen, "abhängende Jugendliche", Obdachlose, Alkohol und Pöbeleien insbesondere in den Abendstunden bereiten den Menschen Ängste und Sorgen, so der Bürgermeister. Schmierereien, Vandalismus und Drogengeschäfte rund um die Kirche und nun der Brandanschlag auf dieselbe täten dabei ihr Übriges. Dabei wies Neuhoff darauf hin, dass der Brandstifter auch durch die vorhandene Videobüberwachung der Kirche überführt werden konnte. Eine Videoüberwachung insbesondere im Bereich der Treppe zur Kirche (Eisdiele) und dem Kirchenvorplatz, beides befindet sich in Eigentum der Stadt, hält Neuhoff für sinnvoll.

Gemeinsam gelte es zu überlegen, wie das Gefühl von Sicherheit und Präsenz erhöht und verbessert werden könne. Der Stadtrat hat in gleicher Sitzung Beschlüsse rund um die Sicherheit in Wissen in die Wege geleitet. Wir berichten über Beschlüsse des Stadtrates und das ganze "Bündel an Maßnahmen" hier.

(KathaBe)



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