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Nachricht vom 02.06.2023    

VG Altenkirchen-Flammersfeld: Die Crux mit möglicher Kostenflut in Sachen Kitas

Das Land fordert und fordert und fordert, wenn es um räumliche und inhaltliche Ausstattungen von Kindertagesstätten geht. Dabei ist es ihm völlig egal, wie es um die finanzielle Ausstattungen der Träger, in diesem Fall die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, bestellt ist.

Die Kita in Neitersen platzt aus allen Nähten. Die Ortsgemeinde sucht derzeit nach einem Grundstück für einen Neubau. (Foto: Archiv vh)

Altenkirchen. Die Liste umfasst knapp 25 Positionen, die darstellen, was in und an Kindertagesstätten (Kita), die die Verbandsgemeinde (VG) Altenkirchen-Flammersfeld betreibt, getan werden müsste – aufgrund von Begehungen, die in erster Linie auf das Konto des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) verbucht wurden. Erst der zweite Blick auf die Bestandserhebung, besser gesagt auf deren Ende, ließ die Verantwortlichen im Rathaus erschrecken: Die Maßnahmen summieren sich auf immerhin 11,338 Millionen Euro. Darin enthalten, und das muss herausgestellt werden, ist auch der Ansatz in Höhe von vier Millionen Euro für einen Neubau in Neitersen, wo das aktuelle Gebäude (Schule) am jetzigen Standort aus allen Nähten platzt und keine Erweiterungsmöglichkeit mehr gegeben ist. Grundlage für die Darstellung der vielen (und teils teuren) Maßnahmen ist das neue Kita-Gesetz, das am 1. Juli 2021 in Kraft trat und das die Anforderungen zum ordnungsgemäßen Betrieb von Kitas weiter hat ansteigen lassen. Viele in der Tabelle eingeforderten Schritte hängen mit der Umsetzung des Anspruchs auf warme Mittagsverpflegung zusammen, die bis spätestens 2028 flächendeckend und für jedes einzelne Kind angeboten werden muss. Dickere Brocken sind neben des Neubaus in Neitersen die avisierten Generalsanierungen in Altenkirchen-Honneroth, Eichelhardt und Fluterschen, wofür jeweils grobe Kosten zwischen 750.000 und 1,580 Millionen niedergeschrieben sind. Lediglich für Krunkel/Epgert, Gieleroth und für Güllesheim (Neubau, Betriebsaufnahme am 4. September geplant) ist nichts vermerkt. Insgesamt betreibt die VG 16 Kitas, dazu kommen in ihrem Beritt weitere vier, die unter der Obhut von Kirchengemeinden beider großer Konfessionen stehen.

„Der Knaller ist Kircheib“
„Wir wollten einmal aufzeigen, was es bedeutet, anderen Stellen im Land zu erklären, wie die Welt funktioniert“, sagte Fred Jüngerich als Bürgermeister der VG mit Blick auf die Übersicht, die nicht unbedingt auf allzu große Gegenliebe in der Verwaltung gestoßen war. Grundsätzlich fände er das neue Kita-Gesetz mit besserer und längerer Betreuung gut, aber dennoch „sollte man den Trägern einen gewissen Spielraum lassen“. Der Knaller sei Kircheib, „wo alles passt, aber ein Anbau gefordert wird“, schob er nach und kritisierte die dafür geschätzten Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro. „Mir widerstrebt, dass unsere eigenen Planungen verworfen werden. Sie werden zerschossen vom Land, was alles im baulichen Bereich im Argen liegt. Unser Bauamt geht schon mit offenen Augen durch die Einrichtungen“, ereiferte er sich über die „permanente Anhebung der Standards in Kitas bei nicht auskömmlicher Finanzausstattung“, da sei vieles nicht dabei „was wir auf der Agenda haben“. Mit diesen Worten mahnte er erneut die fehlende Konnexität an, wie er bereits in einem Interview mit dem AK-Kurier (30. Dezember 2022) dargelegt hatte: „Der Grundsatz der Konnexität und der kommunale Finanzausgleich im Allgemeinen sind in Artikel 49 der Landesverfassung in zwei aufeinander folgenden Absätzen geregelt. Sie sind wie ,Bruder und Schwester’.  Wenn das Land einzelne Aufgaben den Kommunen überträgt oder wenn es zu Aufgaben, die es bereits übertragen hat, besondere Anforderungen stellt, also intensiv über die Art und Qualität der Ausführung mitsprechen will, wie beispielsweise im Bereich der Kindertagesstätten, dann muss es auch kostendeckende Regelungen treffen. An der Stelle hapert es aber oft. Wir haben zum Beispiel die Kita Gieleroth mittels Investition von fast einer Million Euro saniert und erhalten vom Land nichts dazu. Die Landesregierung spricht aber deutlich mit, wie wir zu sanieren haben. Das passt nicht ganz.“

Schreiben an die Landesregierung
Nicht nur die Kitas der VG Altenkirchen-Flammersfeld stehen im Fokus, natürlich wirft Mainz seine Argusaugen auch auf die in anderen Landstrichen, was natürlich ebenfalls zu Unmut geführt hat. Deswegen trat die Kreisgruppe des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, deren Vorsitzender Jüngerich ist, auf den Plan und „brachte ein Schreiben Richtung Land auf den Weg“. Über den Inhalt wurde nichts bekannt, angesichts der gleichgelagerten Problematik zwischen Niederschelderhütte und Willroth dürfte der Wortlaut selbstredend gewesen sein. Dass das Land auch Konsequenzen ergreifen wird, wenn dieses oder jenes nicht umgesetzt wird, daran ließ Jüngerich keinen Zweifel. „Im ,worst case’ wird man uns Plätze beschneiden“, nannte er seine Vermutung für den Fall der Fälle. Rückendeckung erhielt Jüngerich von Frank Bettgenhäuser, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im VG-Rat, der lapidar anmerkte, dass „wir solche Begehungen nicht ernst nehmen sollten“. Setzt sich die VG als Träger der 16 Kitas dennoch das Ziel, den Katalog wie vorgelegt, abarbeiten zu wollen, „geht das nicht ohne eine Umlageerhöhung“, ist Jüngerich felsenfest von solch einem dann erforderlich werdenden Schritt überzeugt, und er plädierte dafür, „dass wir uns nicht verunsichern lassen sollten, was unsere eigenen Zielsetzungen angeht. Wir tun nichts, was uns finanziell aus der Bahn wirft“. Walter Wentzien (FWG) ging mit übergeordneten Stellen hart ins Gericht: „Land und Bund haben jegliches Maß und Ziel verloren. Das immer nur ,fordern, fordern, fordern’ ist nicht mehr normal. Das ist eine einzige Katastrophe.“



VG präferiert zunächst eigenen Weg
So wird die VG zunächst einmal nach ihren eigenen Vorstellungen sich ans Werk machen. Der Ersatzneubau in Neitersen ist bereits beschlossene Sache. Gesucht wird derzeit ein passendes Grundstück. Ortsbürgermeister Horst Klein, der sich um die Beschaffung des neuen Areals kümmert, rechnet mit einem positiven Abschluss der Recherche im Juni. Für die Kita in Birnbach, die ebenfalls „proppenvoll“ ist, also an Raumnot leidet (Warteliste mit Namen von über 50 Kindern) und zwischen 2012 und 2015 generalsaniert wurde, wird eine Container-Anlage mit sechs Einheiten angeschafft, wofür mit Kosten in Höhe von rund 245.000 Euro gerechnet wird. Für einen Neubau in Fluterschen wurde bereits „Land“ erworben. „Und wir schauen mal, wie wir Eichelhardt noch verkraften können“, skizzierte Jüngerich eine mögliche weitere große Baustelle mit Anbau und Generalsanierung. Darüber hinaus stehen noch die finalen Rechnungen für den Neubau in Güllesheim aus, wo ein Zwei- bei Bedarf noch in einen Dreigrupper ausgebaut werden kann. Im August 2020 hatte die Kostenschätzung für dieses Projekt bei 2,65 Millionen Euro gelegen, die wohl inzwischen nicht mehr ganz der Realität entsprechen dürften. Neben der VG beteiligt sich der Kreis an der Finanzierung der Baukosten für eine Kita. Neuerdings sind es 40 Prozent der zuschussfähigen Kosten ohne (!) Deckelung, aber nach Abzug der Landesförderung. Aus Mainz kommen generell für die Schaffung von U-2-Plätzen bis zu 12.000 Euro/Platz und von 10 Ü-2-Plätzen bis zu 8500 Euro/Platz.

Wie die Kostenliste entstand
Wie es zu der Kosten- und Maßnahmenliste kam: Verschiedene Fachbehörden führen im Rahmen ihrer Aufsichtspflichten wiederkehrend Begehungen in den Kitas durch. Unter anderem verschaffen sich das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (erteilt letztendlich jeweils die Betriebserlaubnis), das Jugendamt, die Bauaufsicht oder das Gesundheitsamt (alle Kreisverwaltung) jeweils einen Überblick in den Einrichtungen und listen Kriterien auf, die der Träger in den Räumlichkeiten zu erfüllen bzw. umzusetzen hat. Die getroffenen behördlichen und spezialgesetzlichen Vorgaben (Testate) sind Bestandteil der erforderlichen Betriebserlaubnisse, die aufgrund verschiedener gesetzlicher Vorgaben für den regulären Betrieb der Einrichtungen erforderlich sind und nach Erfüllung der Kriterien vom LSJV erteilt werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich alle Kitas der großen VG nach Aussagen der Fach- und Aufsichtsbehörden in einem guten Zustand befinden. Dies ist insbesondere auch auf den kompetenten Einrichtungsbetrieb des Kita-Fachpersonals vor Ort zurückzuführen, da sehr akribisch auf die Umsetzung der Vorgaben geachtet wird (Hygienepläne, Gefährdungsanalysen etc.). Im Falle von Beanstandungen nach solchen Begehungen lässt sich der überwiegende Teil der Reklamationen meist ohne größere finanzielle und/oder verwaltungstechnische Umstände umsetzen. Dennoch kommt es vor, dass aufgrund gesetzlicher Neuerungen und daraus resultierenden Anforderungen größere investive Maßnahmen erforderlich werden.

Das muss in den Kitas getan werden
Altenkirchen-Glockenspitze: Umsetzung Anspruch auf Mittagsverpflegung (UAM) 20.000 Euro; Altenkirchen-Honneroth: UAM 20.000 Euro und Generalsanierung (Kosten sind noch zu ermitteln); Birnbach: Platzbedarf Containeranlage 245.000 Euro und UAM 20.000 Euro; Busenhausen: Umsetzung Kita-Gesetz 1,5 Millionen Euro und UAM 20.000 Euro; Eichelhardt: Umsetzung Kita-Gesetz/Anbau erforderlich 1,58 Millionen Euro, UAM und Küchensanierung 50.000 Euro; Flammersfeld: Anbau Mensa 25.000 Euro und Generalsanierung 750.000 Euro; Fluterschen: Umsetzung Kita-Gesetz/Anbau erforderlich und Generalsanierung 1,5 Millionen Euro und UAM 20.000 Euro; Gieleroth: keine Maßnahme erforderlich, da gerade erst saniert; Güllesheim: keine Maßnahme erforderlich; Ingelbach: UAM 20.000 Euro; Kircheib: Umsetzung Kita-Gesetz/Anbau erforderlich 1,5 Millionen Euro und UAM 20.000 Euro; Krunkel/Epgert: keine Maßnahme erforderlich; Mehren: gerade erst saniert, Umstellung Frischkostzubereitung (dadurch fünf weitere Plätze) 10.000 Euro; Neitersen: Neubau 4,0 Millionen Euro und Einrichtung „Mini-Mensa“ aufgrund der Raumsituation 3000 Euro; Rott: Spielgeräte Außenbereich 5000 Euro; Weyerbusch: Umstellung Frischkostzubereitung (dadurch zehn weitere Plätze) 30.000 Euro. (vh)



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